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Ich nahm Lia an der Hand und lief gemeinsam mit ihr die Treppen runter. Mir ging es relativ gut, was ich Jonnas Hühnersuppe zu verdanken hatte.

Im Flur traf ich mit Miguels Mutter zusammen, die uns anlächelte und sich schließlich runter zu Lia kniete.
,,Na, Mäuschen. Hast du gut geschlafen?"
Schüchtern nickte die Kleine.
,,Dann gibt es jetzt Frühstück. Magst du Pfannkuchen?"
Lia nickte eifrig als sie das Wort hörte.
,,Cosi macht das sehr lecker", sagte sie.
Sydney sah kurz zu mir und erhob sich schließlich.
,,Na dann. Dann kannst du uns ja sagen ob die jetzt besser schmecken oder nicht."
Dabei zwinkerte sie mir zu und führte uns dann in den Essbereich.

Miguel hatte ich noch gar nicht gesehen und auch sein Vater fehlte, als wir Platz nahmen.
Der Tisch war voll mit allmöglichen Sachen. So viel wäre doch nicht nötig gewesen. Und ich war mir sicher, dass die Köchin so übertrieben hatte, weil Lia da war. Als ob sie alles selber essen könnte.

Die Vielfalt hatte Lia wohl angezogen, denn sie aß ziemlich genug und zwang mich auch noch dazu zu essen.
Jedoch hatte ich gerade andere Sorgen, und zwar, dass ich jetzt gleich mit Lia zum Friedhof gehen würde.
Hoffentlich würde ich das überstehen.

Sobald sie endlich satt war gab ich Syndey Bescheid, dass wir jetzt gingen. Ermunternd nickte sie mir zu.
,,Wohin gehen wir denn?", wollte Lia wissen.
,,Das sag ich dir gleich", murmelte ich und griff nach ihrer Hand.
Ich schloss die Haustür auf und lief die zwei Stufen runter in den Vorhof.

,,Wehe ihr passiert was", hörte ich eine Satz und erkannte links von uns Miguel, der mit einem Mann redete.
Als er uns bemerkte drehte er sich zu uns.
,,Soll ich mitkommen?", fragte er mich sanft.
Ich schüttelte den Kopf.
,,Ich mach das schon."

Miguel zog mich an sich und drückte mit einen Kuss auf die Schläfe.
Dann kniff er Lia noch die Wange, ehe er uns deutete in den Wagen einzusteigen.
Ich setzte erst Lia rein, bevor ich Platz nahm.

Meine Schwester sah mich niedlich grinsend an.
,,Was ist denn?", fragte ich.
,,Er hat dich geküsst.", kicherte sie auch schon los.
Überfordert drehte ich mich weg von ihr. Manchmal bezweifelte ich, dass sie noch fünf war.

___
Wir kamen nach Ewigkeiten am Friedhof an und gemeinsam mit dem Fahrer stiegen wir aus.
,,Warum sind wir bei Mama?", hörte ich Lia.
Ich nahm tief Luft und sah sie an.
,,Komm erst mal mit."

Ich lief mit ihr den mir bekannten Weg zu Moms Grab, während der Muskelprotz uns folgte.
An ihrem Grab blieb ich stehen. Mein Blick schweifte nach rechts, wo sich Dads Grabstein befand.
Ich versuchte meine Sätze zu sortieren. Dann kniete ich mich zu ihr.

,,Mama ist ja nicht bei uns. Aber sie sieht uns immer. Das hab ich dir ja gesagt."
Sie nickte und zeigte in den Himmel.
,,Da oben ist sie.", sprach sie aus.
,,Genau. Da oben ist sie immer mit uns. Auch wenn wir sie nicht sehen ist sie immer da, weil wir sie lieben."
Ich zeigte auf ihr Herz.
,,Und... du liebst doch Papa auch, oder?"
Sie nickte.

Ich stoppte kurz.
,,Auch wenn du Papa gerade nicht siehst weißt du doch jetzt, dass er immer bei dir sein wird, oder?"
Wieder nickte sie.
Ich seufzte.
,,Weißt du. Wenn man eine Person liebt, dann ist die Person immer da, egal wo sie ist."
Ich stand auf und nahm sie an der Hand um sie vor Dads Grab hinzustellen.

Dann kniete ich mich wieder zu ihr.
Mit der rechten Hand zeigte ich auf die Erde, wo Dad lag.
,,Hör zu, Lia. Papa ist jetzt hier. Und was hatten wir gesagt? Jeder der hier liegt ist oben im Himmel, stimmts?"
Lia sah auf die Erde und nickte wieder.
,,Wir sehen Papa nicht, aber er ist immer bei dir. Er liebt dich sehr.", erklärte ich.

Lia legte ihre Hand auf Dads Grab.
,,Warum ist Papa hier?"
Ich schluckte.
,,Er wollte unbedingt zu Mama. Aber er hat uns nicht alleine gelassen."
Lia sah mich aus ihren Kulleraugen an.
,,Aber Mama ist da oben, weil sie tot ist. Ist Papa auch tot?"
Ich biss mir auf die Wange und nickte.
,,Papa ist... tot, ja.", hauchte ich.

Lias Mundwinkel fielen.
,,Tot?"
Sie drehte sich zum Grab.
,,Kann ich ihn nicht mehr sehen, Cosi?"
Meine Augen füllten sich. Ich versuchte die Tränen wegzublinzeln.
,,Nein", brachte ich gerade noch raus, bevor mir die Tränen die Wangen runterrollten.

Lia fasste nach dem Grabstein.
,,Papa ist im Himmel? Warum wollte er zu Mama?"
Sie drehte sich zu mir.
,,Mag er Mama mehr?", flüsterte sie.
Ich schüttelte gequält den Kopf.
,,Nein, Kleines. Er mag dich am meisten von uns. Aber er..."
Ich konnte nicht mehr weiterreden. Ich zog sie zu mir rüber und drückte sie an mich.

,,Ich will Papa sehen", hörte ich sie jetzt. Aus ihrer Stimme hörte ich raus, dass sie weinte.
Stumm rannen mir jetzt aus die Tränen runter, die ich schnell wegwischte.

Lias Hände krallten sich in mein Pulli.
,,Ich will Papa", schluchzte sie jetzt.
Ich drückte sie fester an mich und strich ihr über den Rücken.

Minutenlang umarmte ich sie und wartete darauf, dass sie sich beruhigte.
Wer weiß wie ihr Herz gerade zerbrökelte.
Sie war noch zierlich. Sie war noch fünf und hatte ihre Eltern verloren.
Aber sie musste da durch kommen.
Sie musste mit sich kämpfen.
Und ich musste immer bei ihr sein.

Ich küsste ihren Haarscheitel.
Beruhigend strich ich über ihre Haare.

In deinem SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt