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Vor drei Tagen war Dads Beerdingung gewesen, was mir den letzten Nerv geraubt hatte und mich schwächer gemacht hatte.
Wahrscheinlich lag es auch ein wenig  daran, dass ich mit leichtem Fieber im Bett lag.
Ich fasste mir seufzend an den Kopf und rollte mich auf die andere Seite, doch auch so fand ich die gemütlichere Position nicht.

Die Tür des Gästezimmers ging auf und Jonna kam erneut mit Hühnersuppe.
Ich richtete mich leicht auf und lehnte mich an den Kopfteil.
,,Ich weiß dass du es nur gut meinst, Jonna. Aber ich kann die Suppe nicht mehr sehen", murmelte ich.
Es war schon der dritte Teller und wir hatten noch erst Nachmittag. Und gestern hatte ich auch schon vier.

Sie sah mich tadelnd an.
,,Allein Tabletten helfen nichts. Du brauchst auch mal was gesundes. Ich bring dir nachher noch Obst, damit du Vitamine bekommst. Du kannst dir sicher sein, dass es dank der Suppe bergaufwärts geht."
Sie stellte die Suppe auf die Kommode.
Okay, das konnte sein. Denn heute ging es mir deutlich besser und wenn ich weiterhin Hühnersuppe trinken würde würde ich morgen nichts mehr haben.

Ich sah sie dankend an.
,,Tut mir leid dass du zwischen der ganzen Arbeit, dich auch noch um mich kümmern musst."
,,Ich mach das doch gerne", sprach sie aus.
Dann wandte sie sich wieder der Tür.
,,Ruf mich einfach. Dann komm ich", meinte sie noch und verschwand.

Sicher würde ich sie nicht rufen. Die Frau hatte genug zu tun.
Ich wandte mich der Suppe um sie auszutrinken, auch wenn mir nicht danach war.
Miguel war nicht da und Sara hatte sich vorhin kurz bei mir blicken lassen.
Wo die Eltern waren wusste ich nicht.

Ich verschwand wieder unter der Decke und versuchte wenigstens zu schlafen. Als mein Handy aufleuchtete griff ich danach.
Tami hatte mir geschrieben.

Ich will dich mal besuchen. Kannst du mit nicht eventuell Miguels Adresse geben?

Ich sah mir die Nachricht an. Keine Ahnung ob ich das durfte. Vielleicht wollten sie nicht, dass hier fremde auftauchten. Ich mein, als ich Miguel vor zwei Tagen direkt darauf angesprochen hatte, dass sein Bett wahrscheinlich ziemlich unhygenisch aufgrund der ganzen Mädchen wäre hatte er mir gesagt, dass er noch kein einziges Mal ein Mädchen hergeschleppt hätte. Und das ließ mir jetzt nicht zu, Tami die Adresse zu geben.
Nachher wenn Miguel kam würde ich ihn fragen.
Ich legte mein Handy weg.

Anscheinend würde ich heute keine Ruhe bekommen, denn es klopfte und die nächste Person trat ins Zimmer.
Allerdings hatte ich ihn kein bisschen erwartet, weshalb ich verdutzt mich aufrichtete.
,,Darío?"

Dieser grinste mich an.
,,Exactamente.", kommentierte er.
,,Ich hab gehört du bist krank und wollte dir gute Besserung wünschen."
Perplex sah ich ihn an.
,,Du wünscht mir gute Besserung. Ich glaube ich halluziniere."
Darío verschränkte die Arme.
,,Wenn du meinst. Ich kann auch wieder gehen. Dann muss ich allerdings die Person die ich mitgebracht hab wieder mitnehmen.", sprach er jetzt aus.

Ich runzelte die Stirn.
,,Ich sehe niemanden."
Mit einem Schmunzeln drehte er sich um und machte eine kurze Handbewegung.
Dann sah ich ein kleines Mädchen ins Zimmer spazieren.

,,Lia!"

Aprubt schmiss ich die Decke von mir und stieg vom Bett.
Sie rannte auf mich zu und ich kniete mich hin um sie besser zu umarmen.
,,Oh, hab ich dich vermisst." Ich drückte sie fest an mich und küsste ihren Haarscheitel.
,,Du bist krank?", fragte sie jetzt.
Ich nickte. ,,Nur ein bisschen. Wird schon wieder.", meinte ich und setzte sie aufs Bett.
,,Wie geht's dir denn?", fragte ich.
Sie wippte mit den Füßen.
,,Gut."

Ich kniff ihre Wange.
Dann wandte ich mich an Darío.
,,Danke für diese Feinheit.", sprach ich aus.
Er schob die Hände in die Hosentasche.
,,Gerne, aber das war nicht meine Idee. Sondern Miguels."

Unwillkürlich musste ich lächeln und sah wieder zu Lia.
,,Ich lass euch mal alleine", hörte ich Darío und er verschwand.
Ich setzte mich im Schneidersitz aufs Bett und sah zu Lia.
,,Cosima?", fing sie an.
,,Ja?"
,,Ich hab auf Papa gewartet, aber er ist nicht gekommen? Können wir nach Hause? Vielleicht ist er da?"

Ich biss mir auf die Wange. Was sollte ich jetzt sagen?
,,Oder mag mich Papa nicht mehr?", murmelte sie.
Mein Herz setzte aus. Ich zog sie schnell an mich und küsste ihre Hände.
,,Natürlich mag er dich. Er wird dich immer mögen.", sprach ich sanft.
,,Wo ist er dann?"
Ich wippte unruhig mit den Beinen.
Ich wollte es ihr nicht erklären. Und ich wollte sie jetzt auch nicht wieder anlügen.

,,Sollen wir schlafen? Ich bin ziemlich müde", versuchte ich.
,,Sagst du mir es danach?", bat sie mich.
Auch wenn sie ein kleines Kind war hatte sie sicher schon gemerkt dass etwas nicht stimmte. Und sie würde sicher auch nicht mehr locker lassen.
Ich nickte leicht.

Dann verschwand ich unter der Decke und deutete Lia, sich zu mir zu legen.
Sofort nahm sie Platz und drückte sich an mich.
Hoffentlich würde ich sie nicht krank machen.
Ich schlang meine Arme um sie und atmete seufzend aus.

Ich suchte nach einer Erklärung, wie ich es am hamrlosesten rüberbringen könnte. Ohne sie allzusehr zu verletzen.
Scharf überlegte ich, während ich nach einer Weile hörte wie Lia regelmäßig ein und ausatmete.
Auch mir fielen langsam die Augen zu,  bis ich schließlich vollkommen versank.

Mitten in meinem Schlaf wurde ich durch etwas geweckt.
Langsam öffnete ich die Augen und erkannte direkt schon Miguel, der sich aufs Bett gesetzt hatte und gerade seine Hand auf meine Wange legte.

Er zog sie zurück als sich unsere Augen trafen.
,,Ich wollte dich nicht wecken", meinte er entschuldigend.
,,Passt schon", meinte ich leise und löste mich langsam aus Lias Griff um mich aufzurichten.
,,Danke dass du sie hergeholt hast", sagte ich.
Miguel nickte. ,,Ich dachte du könntest sie gebrauchen.", flüsterte er. Ich wippte leicht mit dem Kopf.

,,Wie geht es dir?"
,,Besser", meinte ich.
Miguel fasste kurz nach meiner Stirn.
,,Ja, das kann sein", kommentierte er.

Ich schwang meine Füße aus dem Bett und nahm neben ihm Platz.
,,Ich muss ihr das mit Dad sagen.", meinte ich.
,,Da wollte ich dich auch drauf ansprechen. Bring sie morgen zum Friedhof."
Ich sah Miguel an.
,,Ist das nicht zu gewagt?"
Er schüttelte den Kopf.
,,Kleine Kinder denken nicht wie wir Erwachsenen.", meinte er bloß.

Ich sah ihn an.
,,Kann ich dich küssen?", hauchte ich plötzlich.
Miguels Mundwinkel zuckten.
,,Fragen wir uns das jetzt auch noch?"
,,Nein, nur weil ich krank bin, meine ich.", erklärte ich.
Miguel legte seine Hand an meinen Hinterkopf und zog mich aprubt an sich.

Ich schloss die Augen und genoss seine Lippen, die meine berührten, bis wir uns lösten.
,,Ist das Antwort genug?", hauchte er und ich nickte.

In deinem SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt