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Ich wurde am nächsten Tag durch Miguel wach, der mich sanft an der Schulter rüttelte.
Als ich meine Augen öffnete erkannte ich ihn schon neben mir.
Sofort richtete ich mich auf und sah ihn an.
Er war schon fertig angezogen.
,,Ich bring dich zu deinem Vater. Mach dich fertig. Ich bin unten", sprach er zu mir.
Ich nickte leicht und schwang mich aus seinem Bett.
,,Die hab ich von Sara geholt", meinte er und reichte mir frische Kleidung.
Dankend nahm ich sie entgegen.

Ich verschwand in seinem Bad, den er mir zeigte und stützte mich seufzend am Waschbecken.
Es dauerte eine Weile, bis ich mich schließlich wieder bewegte und eilig meine Sachen erledigte.
Schnell zog ich mir die Kleidung von Sara über, was mir zum Glück passte, und lief schließlich aus dem Zimmer.
Es war still in der Villa.
Ich lief langsam die Treppen runter und ließ mein Blick umher schweifen.

Gestern hatte ich mich nicht wirklich darauf konzentrieren können. Jetzt nahm ich alles nochmal anders wahr.
Am Treppenabsatz blieb ich kurz stehen und lief dann wie gestern nach links ins Wohnzimmer.
In dem Moment kam Miguel aus dem hinteren Teil auf mich zu und nahm dabei sein Handy vom Ohr.

,,Mit wem hast du telefoniert?", fragte ich.
,,Mit einem Kumpel.", sagte er.
Er griff nach seiner Hosentasche und zog ein Handy raus. Mein Handy.
,,Das hab ich vergessen dir zu geben", meinte er. Ich nahm es mir in die Hand. Es hatte kein Akku.
Seufzend steckte ich es in die Hosentasche und folgte Miguel.

Wir liefen durch die Haustür. Vor mir erstreckte sich ein großer Vorhof.
Direkt vor uns parkte Miguels Auto.
Gemeinsam stiegen wir ein.
Zögerlich schnallte ich mich an.

Die Fahrt verlief schweigend. Mir war nicht zu Reden zumute und Miguel hatte dies wahrscheinlich bemerkt und sagte auch nichts, bis wir in eine Parklücke reinfuhren.

,,Wenn du jetzt nicht willst-"
Ich schüttelte den Kopf.
,,Ich will ihn sehen", sprach ich aus.
Miguel nickte verstehend.
Wir stiegen aus. Ich erkannte direkt den Wagen neben uns, aus dem zwei Männer in Anzug ausstiegen und sich neben uns positionierten.
Fragend sah ich zu Miguel.
,,Das muss sein Bella. Du bist nicht sicher.", meinte er.

Ohne weiteres schob er mich Richtung Gebäude, das sich als ein Leichenhaus rausstellte. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals.
Hier lag also mein Vater.
Ich würde ihn jetzt also ein letztes Mal sehen, bevor er beerdigt würde.
Dieser Gedanke tat weh. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen.

Ich blinzelte die Tränen weg und merkte dass Miguel mich betrachtete.
,,Halte durch, Bella. Bleib stark", sprach er leise zu mir.
Ich atmete nochmal tief ein, ehe wir schließlich durch die Tür traten.

Ein Mann kam auf uns zu und gab Miguel sofort die Hand.
Dann streckte er sie mir entgegen, damit ich sie annehmen konnte.
,,Sie will ihren Vater sehen. Samuel Palerma.", sprach jetzt Miguel.
Verdutzt sah ich ihn an, während der Mann eine Antwort gab, die ich nicht beachtete.
,,Woher weißt du seinen Namen?"

Er antwortete mir jedoch nicht sondern schob mich am Rücken hinter dem Mann her.
Dieser öffnete eine Tür und ließ uns eintreten.
Ich erkannte viele Tresorartige Schranktüren. Er lief auf einen zu und öffnete diesen. Mit zwei Händen schob er das Leichenbett raus.

Meine Atmung verschnellerte sich.
Er deutete mir, dass ich näher treten sollte.
Schluckend lief ich vor und wollte das Tuch öffnen, doch meine Hand wollte nicht.
Ich schloss die Augen, ehe ich mich schließlich traute.
Zitternd griff ich nach dem Tuch und legte sein Gesicht frei.
Von meinem Dad.

Sofort verkrampfte ich und griff stärker in das Tuch.
Leichenblass lag er vor mir. Leblos.
Mein Herz zog sich zusammen. Meine Sicht verschwamm immer mehr.
Das Atmen wurde schwerer.
,,Dad", wimmerte ich und die ersten Tränen lösten sich.
Ich schluchzte und legte zitternd meine Hand auf seine Wange.
Sie war eiskalt und man konnte schon spüren, dass dort kein Leben mehr war.

Schmerzvoll strich ich mit dem Daumen über seine Wange.
Ich schluchzte.
Wer hätte gedacht, dass wir so schnell Abschied nehmen mussten?

Ein schmerzvoller Laut verließ mein Mund.
,,Wie soll ich ohne dich weiter machen?", flüsterte ich schwer.
Meine Beine wurden wackelig.
Sofort spürte ich Miguels Präsens dicht hinter mir.
Sanft strich er mir über die Arme.
,,Wie soll ich Lia davon erzählen.", schluchzte ich und verkrampfte mich noch mehr.

Ohne dass ich was tun konnte zog mich Miguel weg und der Mann bedeckte mein Vater wieder vollkommen.
Ich glitt beinahe zu Boden wäre Miguel nicht da und hätte mich gestützt.
Sofort brachte er mich aus dem Gebäude und setzte mich auf die niedrige Mauer daneben.

Er drückte mich aprubt an seine Brust und strich mir behutsam über den Rücken.
Ich hatte mich noch nie so schwach und elendig gefühlt. Bei Moms Tod hatte ich noch Dad an meiner Seite gehabt.

,,Ich wollte dich eigentlich zu deiner Schwester bringen. Aber in dem Zustand ist das wohl keine gute Idee.", hörte ich Miguels Stimme.
Ich löste mich von ihm und wischte über meine Wange.
,,Ich will sie sehen", gab ich zurück.
Miguel schmunzelte leicht.
,,Das weiß ich."

Es dauerte noch eine Weile bis ich mich etwas beruhigt hatte. Dann rutschte ich von der Mauer runter und lief mit Miguel auf sein Auto zu.

Wie sollte ich jetzt Lia erklären, dass Dad nicht mehr da war? Wie sollte ich ihr das klar machen?
Nicht mal ich kam damit klar. Wie sollte sie damit klar kommen.
Sie war noch erst fünf.




Wer hat noch Ferien?

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