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Am nächsten Morgen wachte ich unerholt auf und während ich mich für die Schule fertig machte schreckte auch Lia aus ihrem Schlaf. Ihr ging es besser als gestern, zumindest äußerlich.

Normalerweise schminkte ich mich nicht wirklich, aber jetzt war ich verpflichtet dazu die Verletzung an meiner Wange zu überdecken.
Mein Handgelenk hatte noch leichte Abdrücke von gestern. Es war zwar nicht schlimm, aber trotzdem hatte ich mich für etwas langärmliges entschieden weil es eben auffiel.

Zusammen mit Lia lief ich runter, die mich dazu verpflichtet hatte sie auf den Schoß zu nehmen.
Als ich in der Küche ankam merkte ich, dass Dad gar nicht mehr zu Hause war. Höchstwahrscheinlich wollte er uns nach gestern Abend aus dem Weg gehen, soweit er sich erinnern konnte, und er war gerade sicher bei Mom.

Seufzend ließ ich meine Schwester auf dem Stuhl ab und reichte ihr etwas Wasser.
Ich hatte keine Lust zu frühstücken, aber trotzdem wartete ich auf Meli, denn Lia konnte ich ja kaum alleine zu Hause lassen.
Da Lias Betreuerin allerdings etwas zu spät erschien verpasste ich die Bahn und kam deswegen erst zur zweiten Stunde.
Tami sah ich erst in der Pause als ich mich zu unserem Stammplatz zubewegte.

Schnell begrüßte sie mich.
,,Ich dachte du bist krank.", meinte sie.
,,Meli ist heute etwas später gekommen und Dad war nicht zu Hause. Deswegen.", erklärte ich ihr knapp und sie nickte.
,,Ist alles in Ordnung mit dir?", durchschaute sie mich.

Ich nickte schnell bis ich schließlich seufzte und den Kopf schüttelte.
,,Nein."
Sofort richtete sich Tami auf und drehte mein Kopf in ihre Richtung.
,,Was ist los?"
Ich schloss gestresst die Augen.
,,Mein Dad.", murmelte ich leise.
,,Was ist denn genau passiert?"
,,Es war meine Schuld."
Ich rieb mir über das Gesicht.
,,Hätte ich Lia früher in ihr Zimmer gebracht hätte Dad sie nicht gesehen.", säuslete ich.

Tami weitete die Augen.
,,Er hat Lia im bekifften Zustand gesehen?... Hat er ihr was angetan?"
Ich schüttelte den Kopf.
,,Ich konnte ihn davon noch rechtzeitig abhalten."
Besorgt sah sie mich an.
,,Hat er dir was angetan?"
,,Nein."
,,Sicher?"

Ich vergaß leider dass Tami eine gute Detektivin war, denn sie hob ihre Augebrauen und legte den Kopf schief.
,,Hat er dir irgendwie eine gescheuert oder so? Du hast dich nämlich geschminkt."
Ich legte den Kopf in den Nacken.
War ja klar.

,,Nein, er hat mir nicht wehgetan. Ich musste nur einen kleinen Schnitt abdecken."
Fragend blickte sie mich an.
,,Von einer Scherbe von der Vase mit dem ich Dad den Schlaf geholt hab.", murmelte ich.
Tami riss die Augen auf und räusperte sich.
,,Bit-"
,,Frag einfach nicht weiter", unterbrach ich sie und sie nickte sofort.
Stattdessen legte sie ihren Arm um mich und umarmte mich herzlich.
Jetzt merkte ich, wie sehr ich das gebraucht hatte, wie sehr ich Halt brauchte.

 
○○○
,,Du hast ja Miss Martin gehört. Wir schreiben nächste Woche eine Klassenarbeit und weil wir bis jetzt gefühlt gar nichts machen konnten bin ich der Meinung dass wir heute etwas länger üben können.", informierte ich Miguel.
Eingentlich hatte gar keine Lust heute ihm Nachhilfe zu geben.

Miguel schmunzelte. ,,Wenn du mehr Zeit mit mir verbringen möchtest kannst du mir das auch gleich sagen."
Ich runzelte die Stirn. ,,Woher kommt bitte dein Ego? Bild dir nichts ein."
Miguel zuckte mit den Schultern und ließ seine Augen über mein Gesicht wandern.
An meiner linken Wange stoppten kurz seine Augen, dann löste er sein Blick von mir.
Hoffentlich bedeckte mein Makeup die Stelle noch genug.
Ohne weitere Gedanken wandte ich mich an die Aufgaben.

Nach 20 Minuten hatte Miguel endlich das Thema verstanden und ich legte ihm jetzt Übungen vor, die er machen sollte. Ohne irgendwelche Diskussionen machte er sich dran.
Der Junge überraschte mich immer aufs Neue.
,,Was ist?", fragte er, als er mein Gesichtsausdruck sah.
,,Nichts, mach ruhig weiter.", sagte ich schnell.

Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.
,,Ich sehe dass es dir nicht gut geht. Ich will dich nicht anstrengen",sagte er jetzt.
Ich legte den Kopf schief.
,,Der Badboy der Schule kümmert sich um die Laune anderer Menschen. Das ist mir aber wirklich neu", scherzte ich und verdrehte die Augen.

Miguel jedoch ließ sich nicht davon beirren und blickte mir fast schon eindringlich entgegen.
,,Wer war das?"
,,Wie bitte?"
,,Deine Verletzungen."

Etwas perplex blinzelte ich, doch ich fasste mich wieder.
,,Ich hab keine Verletzungen.", redete ich mich raus. Meine Schminke konnte wohl unmöglich verschwunden sein.

,,Lüg mich nicht an, Chica. Ich hab dein Handgelenk gesehen und ich erkenne deine Wange.", meinte er seriös.
Reflexartig zog ich mein Pulli über die Hand und biss mir auf die Wange.
,,Bild dir ni-"
,,Lüg mich nicht an, Chica", unterbrach er mich.
,,Was interessiert d-"
,,Das ist nicht die Antwort", schnitt er mir erneut das Wort ab.

Genervt sah ich ihn an.
,,Unterbrech mich nicht dauernd, Erstens. Zweitens, kümmer dich um deine Sachen und drittens wir machen jetzt Mathe", stellte ich klar und tippte auf sein Block.

Stur sah er mich an und genauso stur weigerte ich mich vor einer Antwort.
Was er konnte konnte ich schon lange!
Unser Blickduell hielt nicht lange, denn ich wandte mich davon ab.

Miguel beugte sich zu mir rüber.
Ich nahm den Geruch von Moschus und Zigaretten wahr, mit einem Hauch von Aftershave.
,,Wer war das, Chica."
Seufzend schloss ich die Augen.
,,Warum bist du so scharf auf die Antwort?", stellte ich ihm die Gegenfrage.
Sollte er mich doch in Ruhe lassen.

Auch er antwortete mir jetzt nicht sondern wandte sich endlich an die Formeln.
Doch trotzdem ließ mich der Gedanke nicht mehr los, warum er unbedingt sich darum kümmern wollte.

Gott, wenn er Gefühle für mich hatte konnte ich mir direkt die Kugel geben.

Ich schlug mir innerlich auf den Kopf.
Miguel kannte doch das Wort Gefühle gar nicht. Was laberte ich denn bitteschön!?

___
Ich war wirklich dankbar, dass die Nachhilfestunde ohne irgendwelche Nervenzusammenbrüche endlich zu Ende war. Den Dank sprach uch aber natürlich nicht aus.
,,Wenn du dich bisschen anstrengen würdest bräuchtest du keine Nachhilfe.", meinte ich, als ich meine Sachen verstaute.
Miguel schenkte mir jedoch keine Beachtung und ich ging auch nicht drauf ein.

Mein Handy ertönte als ich eine Nachricht bekam.
Ich fischte mein Handy aus der Tasche. Meli hatte mir geschrieben.
Sofort tippte ich auf den Chat und bei dem Text setzte mein Herz aus.

Cosima, deine Schwester ist ohnmächtig geworden. Ich bin jetzt mit ihr im Krankenhaus.


A little bit closer and protective.😏

Was ist mit Lia?😟

In deinem SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt