Teil 2

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Steffs Sicht:

Einen Tag nach meiner Ankunft rief Hannes mich an. Er fragte was passiert sei, war er doch sehr verwundert darüber, dass Thomas nicht im Proberaum war und auch seine Anrufe ignoriert. Mittlerweile weiß ich von Hannes immerhin, dass Thomas sich wieder aufrafft, in den Proberaum zu fahren und die letzten Dinge für die Konzerte vorzubereiten. Reden tut er nur das Nötigste. Und wie es unserem Sohn geht, weiß ich auch nur über Hannes. Einmal hat er ihn von der KiTa abgeholt und direkt zu Thomas gebracht. Dadurch weiß ich, dass unser Sohn sehr unter der Situation leidet und mich wahnsinnig vermisst. Der Kleine versteht die Welt nicht mehr. Aber wie auch? Mama ist plötzlich weg. Mama hält ihr versprechen nicht zu telefonieren. Papa ist ganz anders, blockt ab sobald der Kleine Mama erwähnt, nach ihr fragt. All das weiß ich nur von Hannes, doch es bereitet mir wahnsinnige Sorgen. Als wäre die Situation zwischen Thomas und mir nicht schon schlimm genug. Aber dass mein Sohn darunter leidet, werde ich mir nie verzeihen können. Ich verstehe Thomas nicht. Klar haben wir uns gestritten und ich verstehe, dass er enttäuscht von meinem Abgang ist. Doch am Streit waren wir beide schuldig. Ich verstehe nicht, dass er mich ignoriert und nicht wenigstens auf meine Kontaktversuche eingeht, damit wir uns aussprechen können. Wir beide leiden unter der Situation und das Einzige, was die Situation besser machen könnte, wäre ein Gespräch zwischen uns beiden. Ich erkenne Thomas nicht wieder. Sonst ist er derjenige, der immer darauf bedacht ist einen Streit so schnell wie möglich zu begraben, sich auszusprechen. Dann bin ich diejenige, die auf stur stellt, noch mehr Zeit braucht. Was geht in Thomas vor, dass er mich dieses Mal komplett ignoriert und sogar gegenüber seinem Bruder abblockt, nicht mit der Sprache rausrückt? Doch am allerwenigsten verstehe ich, warum er nicht wenigstens unseren Sohn mit mir telefonieren lässt. Dass Motti unter der Situation leidet, kann ihm einfach nicht entgangen sein. Wo ist mein liebvoller Partner, der immer bedacht darauf ist für mich da zu sein? Wo ist der wundervolle Papa, der alles in seiner Macht stehende tut, damit es seinem Kind gut geht? Weg. Ausgetauscht. Oder was auch immer. Aber definitiv nicht mehr in dem Mann zu finden, den ich über alles liebe und den unser Sohn so vergöttert. Noch eine verdammte Woche muss ich mit der Ungewissheit, mit dem Schmerz leben. Wie ich das durchhalten soll? Ich weiß es nicht. Ob Thomas doch noch zur Vernunft kommt und mich nicht weiterhin ignoriert? Auch das weiß ich nicht. Ob wir uns aussprechen, wenn wir uns wieder persönlich gegenüberstehen? Keine Ahnung. Ich will es nicht wahrhaben doch je mehr Zeit verstreicht, die Thomas komplett dicht macht, desto größer wird meine Sorge ihn zu verlieren. Da muss mehr dahinter stecken als dieser alberne Streit. Denn albern und unnötig war dieser im Nachhinein betrachtet definitiv. Was ist es, das Thomas so sehr beschäftigt? Ginge es nur um diesen Streit, müsste er sich doch längst einbekommen haben. Während ich so in meinem Zimmer sitze, das Gesicht von Tränen überströmt, nehme ich wahr, dass mein Handy den Eingang einer neuen Nachricht ankündigt. Hastig greife ich nach dem Gerät. Bei jedem Ton, das es von sich gibt hat ein winziger Teil von mir die Hoffnung, dass es Thomas ist, der sich meldet. Doch auch in diesem Fall, muss ich resigniert feststellen, dass die Nachricht nur von Hannes ist. Doch beim überfliegen, legt sich ein leichtes Lächeln auf mein Gesicht, das sich beim genauen lesen der Nachricht jedoch mit Sorge ja gar Wut vermischt. „Hey Steff. Hast du heute am späten Nachmittag Zeit und Lust zu telefonieren? Ich muss doch wissen wie es dir geht und dich wenigstens ein bisschen aus der Ferne aufmuntern. Wobei ich mir da dieses Mal Unterstützung für geholt habe. Motti will unbedingt endlich mit Mama telefonieren und ich habe ihm versprochen, dass wir die Mama heute mit Video anrufen. Du hast also eigentlich gar keine Wahl. Ein nein akzeptiere ich nicht und dein Sohn erst recht nicht. Und falls du dich jetzt fragst, wie es dazu gekommen ist, dass ich dich das Frage: Thomas hat mich gebeten heute Nacht auf euren Sohn aufzupassen und ihn bei mir schlafen zu lassen. Warum das nötig ist, konnte ich leider nicht herausfinden. Doch ich dachte mir ein Abend bei Onkel Hannes und ein Telefonat mit Mama tun dem Kleinen als Abwechslung mal ganz gut. Denn wenn ich ehrlich bin, habe ich das Gefühl, dass Thomas ihn momentan vernachlässigt. Mach dir nicht zu viele Sorgen. Ich mache mir täglich ein Bild von Motti und der Situation und Thomas kümmert sich soweit wie nötig. Nur von dem liebevollen Vater, der seinem Sohn keinen Wunsch abschlagen kann, ist momentan nichts übrig geblieben. Ich freue mich auf später und dein Kleiner sowieso. Hab dich lieb und schicke dir eine feste Umarmung, Hannes." Den Inhalt muss ich erstmal verdauen. Die Freude endlich wieder persönlich, zumindest per Video, mit meinem Sohn zu reden, lässt mich so glücklich sein, wie ich es seit einer Woche nicht mehr war. Doch insbesondere die letzten Sätze lassen meine Sorgen um das Wohl meines Kindes steigen. Dass Thomas mich ignoriert, ist die eine Sache. Dass er unseren Sohn scheinbar sehr vernachlässigt, die andere und letztere kann ich nicht akzeptieren. Vielleicht besteht die Chance, dass er die Zeit bis ich wiederkomme bei Hannes verbringt. Dann kann ich wenigstens mein Versprechen des täglichen Telefonats einhalten und wäre mir sicher, dass jemand da ist, der sich nach bestem Wissen und Gewissen um mein Kind kümmert.


Abschied ohne LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt