Thomas Sicht:
Das kann doch nicht wahr sein. Den Großteil der Setlist haben wir erfolgreich gemeistert. Doch dann kam dieses eine Lied: Durch die Nacht. Ich hätte ahnen müssen, dass das nicht gut geht und es vorher unterbinden müssen. Doch jetzt ist es zu spät. Das Lied wurde gespielt, zumindest zum Teil und Hannes und Nowi sind Zeugen davon geworden, dass ich doch nicht jedes Lied einfach so wegstecke. Ich bin enttäuscht von mir, gar wütend. Das war es dann wohl mit den Konzerten. Wie durch einen Schleier spüre ich Hannes Umarmung und alles bricht aus mir heraus. All die Emotionen, die sich im Laufe der Tage angestaut zu scheinen haben, brechen aus mir heraus. Es tut gut Halt in den Armen meines Bruders zu finden und dennoch weiß ich, dass ich mich erklären muss. Nachdem Nowi mir etwas zu trinken gegeben hat und ich wieder einigermaßen gefasst bin, fragt Hannes auch schon was in mir vorgegangen ist. Will ich das erzählen? Kann ich das erzählen? Die Wahrheit? Oder doch lieber eine Verharmlosung? Stellen sich mir zig Fragen. Wenn ich jetzt sage, dass ich kaum schlafe und jede Nacht für mich ein Kampf ist, kann ich die Konzerte direkt vergessen, oder? Aber wenn ich mir irgendeine Lüge ausdenke, löst diese das Problem nicht. Und die beiden kennen mich gut, sehr gut. Wahrscheinlich zu gut, um mir eine Lüge abzukaufen. Mir scheint nichts übrig zu bleiben als mit der Wahrheit ans Licht zu gehen und mit den Konsequenzen zu leben. „Ähm also. Ich weiß nicht. Der Text passt eventuell viel zu gut momentan." beginne ich und stocke, weil es mir schwer fällt folgendes auszusprechen. „Irgendwie ist jede Nacht seit Steff in Südafrika ist ein Kampf für mich. Da war dieser bescheuerte Streit, irgendwie der Auslöser für alles. Aber irgendwie auch gar nicht. Denn die Zweifel waren eigentlich schon vorher da. Doch dann habe ich verschlafen. Ich hatte eine Aufgabe: Rechtzeitig aufstehen und Steff fahren. Doch was mache ich? Schlafen. Verschlafen. Wie soll ich denn allein die Verantwortung für unseren Sohn tragen, wenn ich nicht mal das schaffe? Aber egal. Darum geht es nicht. Jede Nacht ist ein Kampf. Ich will schlafen, doch es geht nicht. Zu viele Gedanken kommen und gehen. Schuldgefühle, Versagensängste und vieles mehr. All das kommt ans Licht wenn es dunkel wird. Erst dachte ich es sei besser nicht zu schlafen, dann würde ich wenigstens nicht verschlafen. Doch so ist es nicht. Doch jetzt würde ich gerne schlafen. Vergeblich. Ich krieg die Situation nicht aus dem Kopf. Immer taucht Steffs enttäuschtes Bild vor mir auf. Ich will es aus meinem Kopf bekommen, schlafen. Und da ist die ständige Angst, dass sich alles verändert, dass ich mit meinem Verhalten alles zerstört habe. Will Steff mich überhaupt wiedersehen? Alles würde sich verändern ohne sie. Ich kann nicht mehr. Wenn ich dann doch mal ein paar Minuten Schlaf bekomme, wache ich unter Tränen auf. Es verfolgt mich immer der gleiche Traum: Steff, die es nicht mehr mit mir aushält und geht. Mit ihr nimmt sie alles, was mir etwas bedeutet. Diese Zeilen sind einfach zu viel für mich." beende ich meinen langen Monolog, der mir erneut Tränen in die Augen getrieben hat. Meinen Blick habe ich starr auf den Boden gerichtet, aus Angst die Blicke der beiden nicht zu ertragen. Wie soll es weitergehen? Werden sie für mich da sein, jetzt wo sie so viel wissen? Oder halten sie mich für verrückt und distanzieren sich von mir? Gibt es noch eine Chance, die Konzerte nicht ausfallen zu lassen? Ich habe die Hoffnung fast verloren. Entgegen meiner Erwartung spüre ich wie Nowi und Hannes mich in den Arm nehmen. Ein vorsichtiger Blick zeigt mir, dass ich nicht der Einzige mit feuchten Augen bin. „Warum hast du nicht früher was gesagt?" durchbricht Hannes Frage die Stille. „Was hätte ich denn sagen sollen? Es ist doch so schon schlimm genug für euch." „Aber wir hätten dich besser unterstützen können Thomas." sagt Hannes traurig und zum ersten Mal frage ich mich, ob es doch besser gewesen wäre die ganze Wahrheit zu erzählen. Hätte ich schlimmeres verhindern können, wenn ich früher mehr Hilfe angenommen hätte? Ich weiß es nicht. Und obwohl ich mich für die Wahrheit schäme, ist ein Teil von mir erleichtert, dass ich diese nicht mehr mit mir allein herumtragen muss. „Wie schlimm ist es wirklich Thomas? Schläfst du wirklich kaum?" fragt Nowi mich direkt. „Ja." gebe ich beschämt zu. „Warum haben wir das nicht gemerkt?" fragt Hannes sich selbst und ergänzt an mich gewandt: „Aber du wirkst gar nicht so müde. Wie machst du das?" „Viel Koffein? Und ansonsten keine Ahnung. Es ist, als hätte mein Körper sich darauf eingestellt nur mit 2 Stunden Schlaf auszukommen. Ich weiß es doch auch nicht." antworte ich verzweifelt und frage mich selbst, wie ich diese Situation aushalte und das ohne, dass die anderen meinen Schlafmangel zur Kenntnis nehmen. „So kann das nicht weitergehen Thomas! Du musst mehr schlafen!" sagt Nowi eindringlich und fährt fort. „Ich fahre heute mit zu dir. Ob du willst oder nicht. Vielleicht hilft es dir, wenn wer da ist und du nicht allein bist, wenn die Bilder kommen. Und vielleicht solltest du Kontakt zu Steff aufnehmen. Ich weiß du willst das nicht, doch vielleicht musst du sie einmal per Videoanruf sehen, mit ihr sprechen, um das Bild, was vor deinem inneren Auge auftaucht zu übermalen. Dich zu überzeugen, dass sie trotz allem nicht gehen wird." Zugegebenermaßen bin ich nicht begeistert, dass Nowi sich mir aufzwingt. Doch mir ist klar, dass ich keine Wahl habe. Ein Blick zu Hannes verrät mir, dass er Nowis Meinung ist. „Na gut dann komm mit zu mir. Aber Steff, muss ich sie wirklich anrufen? Ich kann das nicht. Ich will das persönlich klären. Es sind doch nur noch ein paar Tage." „Ich beobachte wie das heute läuft und dann reden wir morgen nochmal darüber." „Aber bitte erzählt ihr nicht, was ich euch erzählt habe. Ich möchte es ihr persönlich sagen." „Ich kann es dir nicht versprechen Thomas. Ich werde wie jeden Tag mit ihr telefonieren und ich kann sie nicht anlügen." antwortet Hannes und ich kann ihn ein Stück weit verstehen. „Kannst du vielleicht sagen, dass ich euch genaueres gesagt habe, aber es ihr persönlich sagen will? Dann lügst du sie nicht an, dass alles gut sei, aber lässt mir die Möglichkeit mit ihr zu sprechen." Schlage ich vor. „Ja kann ich machen. Aber dann stell dich darauf ein, dass sie ungeduldig ist und dich anruft. Sie wird wissen wollen, was Sache ist. Wenn du dich dann drückst, kann ich dir nicht versprechen, dass ich nicht doch etwas sagen werde." Mit einem Nicken gebe ich Hannes zu verstehen, dass seine Worte bei mir angekommen sind.
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Abschied ohne Liebe
FanfictionVor einer Woche ist Steff zu den Dreharbeiten von Sing meinen Song nach Südafrika geflogen. Lange hatte sie sich darauf gefreut, obwohl sie dafür ihre Liebsten in Deutschland zurücklassen musste. Doch von der Freude blieb vor Ort nichts übrig. Der A...