Teil 20

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Nowis Sicht:

Beim Telefonat mit Hannes lasse ich kein Detail aus. Er soll wissen, wie genau der Abend ablief. Es ist besser, wenn wir beide jedes Detail kennen und uns gemeinsam beraten können, wie wir am besten mit Thomas umgehen und ihn unterstützen können. Es ist nicht so, dass wir Dinge vor Steff verheimlichen wollen. Wir wissen aber auch, dass sie noch emotionaler bei der ganzen Sache ist und es für sie ein große Belastung ist, so weit weg zu sein und nicht unmittelbar unterstützen zu können, geschweige denn Kontakt zu Thomas zu haben. Doch es ist nicht mal mehr eine Woche, bis sie zurückkommt. Über die Hälfte seit Steffs Abflug ist vergangen und es stimmt mich positiv, dass sie in ein paar Tagen endlich zurück sein wird. Bedenke ich jedoch, dass das auch bedeutet, dass die Konzerte schon in ein paar Tagen anstehen, machen sich Zweifel breit. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es Sinn ergibt diese stattfinden zu lassen. Mir ist heute jedoch auch bewusst geworden, dass Thomas an diesen festhält. Ich habe Sorgen, dass es ihn runter ziehen würde, wenn wir ernsthaft eine Absage in den Raum werfen. Aber zurück zum Gespräch mit Hannes: Es verlief sehr unspektakulär. Hannes war schon davon ausgegangen, dass Thomas nicht begeistert sein wird über meinen Überraschungsbesuch. Dennoch kennt er mich auch und weiß, dass ich hartnäckig sein kann und mich nicht ohne Weiteres von Thomas abwimmeln lasse. Thomas Überforderung in doch recht alltäglichen Situationen hat uns jedoch beide hellhörig gemacht. „Das ist doch komisch Nowi. Warum ist er denn auf einmal so überfordert und fühlt sich unter Druck gesetzt? Haben wir ihm das Gefühl gegeben nicht gut zu sein?" „Ich weiß es nicht Hannes. Die letzten Tage ging es bergab und wir haben ihm heute klar gemacht, dass es so nicht geht. Aber die Überforderung seinerseits war ja eigentlich erst der Auslöser für alles. Also den Druck könnten wir ihm doch eigentlich erst infolgedessen gemacht haben, oder?" überlege ich. „Ja eigentlich schon. Aber woher soll der Druck denn dann kommen?" „Keine Ahnung. Er hatte doch sonst zu niemandem Kontakt die Tage, soweit ich weiß." „Da hast du recht. Ich verstehe das nicht." „Und was ist mit Steff? Die hat ihm doch auch keinen Druck gemacht, oder? Das traue ich ihr auf jeden Fall nicht zu. Ich weiß auch gar nicht was der Auslöser für deren Streit vorm Abflug war." "Steff wäre die Letzte, die Thomas unter Druck setzt, sodass er so ein Verhalten anfängt." „Ich weiß Hannes. So ist sie nicht. Dafür liebt sie ihn viel zu sehr." „Und zu dem Streit der beiden jüngeren: Ich weiß nur, dass Thomas wohl verschlafen hat und Steff Panik hatte, dass sie den Flieger verpasst. Sie war deswegen wütend auf Thomas und ist in der Wut und Hektik gegangen, ohne sich zu verabschieden." „Dass Steff in der Situation gestresst war, verstehe ich. Wir wissen doch alle, wie schnell es sie stresst, unpünktlich zu sein. Und dass Thomas von ihrem Abgang enttäuscht war verstehe ich ebenfalls. Aber es ist mir ein Rätsel, warum er dann jeden Kontakt zu ihr verwehrt und ihre Entschuldigung nicht einfach annimmt. So dramatisch kann das doch auch nicht sein." „Warum er da nicht einknickt, ist mir auch nicht klar. Es muss doch mehr hinter allem stecken als dieser lächerliche Streit. Das kann doch nicht alles sein Nowi. Da würde Thomas sich nicht so aufführen." „Wahrscheinlich hast du recht. Ich fürchte nur, dass es noch dauern wird bis wir dahinter kommen." „Och man. Ich würde den Kleinen und vor allem meinem Bruder so gerne helfen. Vielleicht können wir morgen nochmal mit ihm sprechen und erfahren etwas mehr." „Das können wir gerne probieren, aber denk dran Hannes: Wir dürfen es nicht übertreiben, ihn zu nichts drängen. Das wäre kontraproduktiv." „Ja ich weiß Nowi. Ich würde ja jetzt sagen: Ich kenne meinen Bruder und weiß wie ich mit ihm reden und einen Zugang zu ihm finden kann, doch das scheint sich leider geändert zu haben." sagt Hannes und die Traurigkeit sowie Verzweiflung sind aus seiner Stimme heraus zu hören. „Das tut mir leid Hannes." entgegne ich lediglich, fällt mir nichts angebrachtes ein in diesem Moment. Wir besprechen noch kurz den kommenden Tag: Hannes bringt Motti morgens in aller Ruhe in die KiTa und bespricht mit seinem Neffen, ob dieser gerne am Nachmittag mit in den Proberaum möchte und seinen Vater sehen will. Wir sind beide gespannt auf Mottis Antwort und hoffen sehr, dass er Thomas sehen will. Auch wenn Thomas eingesehen hat, dass er Motti momentan nicht so guttut, wäre es trotzdem schön ihnen den Kontakt zu lassen. Vielleicht tut es Motti ja gut seinen Vater in unserer Anwesenheit zu sehen, um einen entspannteren Umgang mit ihm zu haben. Außerdem verabreden wir uns für den Vormittag im Proberaum, um endlich mal Ordnung zu schaffen und Dinge für die voraussichtlich anstehenden Konzerte zusammenzupacken. Einiges muss Thomas zwar packen, aber wir sollten wenigstens schon mal anfangen, denn ehrlicherweise wird die Zeit langsam knapp und einen weiteren unproduktiven Tag können wir uns nicht leisten.


Abschied ohne LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt