Teil 37

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Thomas Sicht:

„Abgesehen von dem Zwischenfall bin ich positiv überrascht wie viel Spaß es gemacht hat und wie gut es geklappt hat die Setlist durchzuspielen." beginnt Nowi zu reden. "Ich habe immer noch Sorgen und etwas Zweifel. Mir geht durch den Kopf, dass es dennoch etwas anderes ist vor einem Publikum zu stehen. Das ist eine Situation, die für uns zwar bekannt ist, wir aber jetzt nicht proben können. Wir können einfach nur hoffen, dass das gut geht. Ich schließe mich Hannes an, dass ich nur unter der Bedingung auf die Bühne gehe, dass Lutz, Tobi und Pulle eingeweiht sind und dass wir vorher darüber sprechen, was wir machen, falls es zu einem Zwischenfall kommen sollte. Du musst uns sagen, was du dann von uns brauchst, wie wir dich schützen können. Und bei diesem Gespräch muss Steff dabei sein, denn das betrifft uns definitiv alle. Wir können gerne schon mal zu dritt darüber sprechen, aber nicht ausschließlich zu dritt. Und um sicher zu gehen, dass heute keine Ausnahme war, ein guter Tag, möchte ich die Setlist morgen nochmal komplett durchspielen. Dann natürlich ohne durch die Nacht. Also so wie wir das Konzert auch spielen werden." macht Nowi seine Position deutlich. Aufmerksam höre ich ihm zu und könnte am Ende seiner Worte nicht erleichterter und glücklicher sein. Beide sind bereit die Konzerte zu spielen. Ich habe es kaum noch zu hoffen gewagt und eine Absage schon kommen sehen. Klar es ist noch nicht zu 100% sicher. Sie setzen Bedingungen und auch Steff muss noch zustimmen, doch ich bin gewillt die Bedingungen zu erfüllen. Mir ist unwohl bei dem Gedanken, einen Teil der Crew zu informieren. Egal wie nah mir diese Personen stehen, die uns schon seit Jahren begleiten, ich schäme mich dennoch für meinen Zustand. Aber es nützt nichts. Mir ist klar, dass es vernünftig ist so zu handeln, egal wie schwer es mir fällt oder wie unangenehm es mir ist. Insgeheim bin ich sogar froh, dass Hannes und Nowi so weit denken. Ich bin wirklich zuversichtlich, dass alles gut gehen wird und traue mir die Konzerte zu, aber sich abzusichern ist auf jeden Fall gut. Denn nicht nur die anderen wollen, dass die Öffentlichkeit nichts von meinen Problemen mitbekommt. Es wäre nicht auszumalen für mich, wenn meine Probleme an die Öffentlichkeit dringen. Wahrscheinlich würde es mich zerstören, immer weiter runter ziehen. Doch jetzt gilt es zu besprechen, wie ich im Fall der Fälle bestmöglich unterstützt werden kann. Ich weiß, dass die beiden erwarten, dass ich sage, was ich in einem solchen Moment brauche. Blöd nur, dass mir das selbst nicht wirklich klar ist. „Also ja, ich weiß, dass ihr hören wollt wie ihr mich im Ernstfall unterstützen könnt, doch ehrlich gesagt weiß ich es selbst nicht." gebe ich beschämt zu und registriere die ratlosen Blicke meiner Bandkollegen. „Wie deutet sich so ein Moment der Überforderung oder wie auch immer man es nennen mag denn an?" versucht Hannes sich der Situation zu nähern. „Ich spüre so einen Druck in mir. Irgendwie so von innen. Und dann verschwimmt langsam alles, ich nehme meine Umwelt kaum noch wahr und beginne zu verkrampfen." versuche ich die schwierigen Momente in Worte zu fassen. „Wenn du den Druck verspürst, kannst du dann noch klar denken, aktiv handeln?" hackt Hannes nach. „Kurz ja." antworte ich. „Und deutet sich das schon vorher an, sodass du einen Auslöser benennen kannst und weißt, dass der Druck gleich kommt?" „Nein." „Meinst du schaffst es uns ein Zeichen zu geben, sobald der Druck beginnt, bevor es schlimmer wird und du abdriftest?" „Ich kann es nicht versprechen. Ich werde es versuchen, aber ich weiß es nicht." gebe ich ehrlich zu und registriere, dass meine Antwort nicht auf Begeisterung stößt. „Kannst du uns denn sagen woran wir vielleicht frühzeitig erkennen können, dass der Druck bei dir beginnt?" „Ich weiß es nicht. Vielleicht bin ich dann schon nicht mehr ganz so aufmerksam und in mich gekehrt?" überlege ich. Stille legt sich über den Raum und eine gewisse Ratlosigkeit macht sich breit. „Wie wäre es wenn wir ein Zeichen abmachen? Dann kannst du uns sofort signalisieren, wenn was ist und vielleicht nach Möglichkeit die Bühne verlassen oder dich wenigstens vom Publikum wegdrehen?" schlägt Nowi vor. „Ja ein Zeichen ist gut. Aber ich kann nicht versprechen, dass ich da in dem Anflug von Druck dran denke. Tut mir wirklich leid. Ich würde es euch gerne versprechen, aber ich weiß es nicht. Aber mich vom Publikum wegdrehen, sollte noch machbar sein." „Vielleicht sollten wir versuchen dich unauffällig mehr zu beobachten und dies auch der Crew beauftragen. Dann können wir leichte Veränderungen schneller bemerken und reagieren. Im Zweifel müssen wir dich dann von der Bühne begleiten und irgendeinen Grund vorschieben. Irgendwie behaupten du seist umgeknickt oder so und musst untersucht werden." schlägt Hannes vor und bekommt Zustimmung von Nowi. Es ist zwar ein komischer Gedanke, dass ich vermehrt beobachtet werde, doch vermutlich ist es wirklich die beste Lösung. So verständigen wir uns darauf und Hannes merkt an, dass er dies auch noch mal mit Steff besprechen und sie nach ihrer Meinung fragen wird. Ich hasse es irgendwie, dass sie immer über mich reden und doch weiß ich, dass dies nötig ist, so lange ich nicht bereit bin dies selbst zu übernehmen. Als wir soweit alles besprochen haben, beschließen wir noch gemeinsam etwas zu kochen. Doch beim Blick auf die Uhr wird Hannes hektisch. „Mist. Es ist schon Zeit Motti abzuholen." sagt er und mein Herz macht einen Sprung bei der Erwähnung meines Sohnes. Schüchtern frage ich: „Magst du mit ihm noch wiederkommen? Ich würde ihn gerne sehen." „Ja klar. Aber nur wenn du das wirklich möchtest und es dir nicht zu viel ist nach diesem turbulenten Vormittag." „Ich würde ihn wirklich gerne sehen. Ich glaube es tut mir gut." „Ok. Dann komme ich gleich mit ihm wieder." antwortet Hannes und verlässt den Proberaum.


Abschied ohne LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt