Teil 11

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Hannes Sicht:

Als ich kurze Zeit später die Tür des Proberaums öffne, sehe ich beide in der Küche sitzen. „Na ihr. Bin wieder da und habe essen mitgebracht. Ich hoffe ihr habt Hunger?" "Ja sehr, Danke Hannes!" antwortet Nowi und ist schon dabei den Tisch zu decken. Thomas schaut nur kurz auf und lächelt mich leicht an. Es ist zwar nur eine kleine Geste, ein kurzer Moment, doch dieser schenkt mir viel Kraft und Hoffnung, dass alles wieder gut wird. Es bedeutet mir schon viel, dass ihm nicht mehr alles gleichgültig zu sein scheint. Vielleicht ist das schon ein erster Schritt in die richtige Richtung. Mittlerweile hat Nowi das Essen verteilt und wir beginnen zu essen. Währenddessen reden wir kein Wort miteinander, doch die Stille ist nicht erdrückend. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Nach dem Essen gehen wir zurück in den Nebenraum und setzen uns auf die Couch. Immer noch schweigen wir und ich überlege, wie ich das Eis brechen kann. Soll ich meinen Bruder auf dessen Probleme ansprechen? Oder soll ich lieber mal versuchen ein ganz harmloses, unverfängliches Gespräch anzufangen? Ich entscheide mich dafür, mich zunächst zu erkundigen wie es Thomas nach dem doch sehr turbulenten Morgen geht. „Naja, geht so. Ich bin sehr kaputt. Mir tut das alles leid. Ich weiß, dass ich scheiße bin. Aber ich kann gerade nichts daran ändern. Bitte gebt mir Zeit. Ich kann mich noch nicht erklären, noch nicht sagen, was los ist. Ich muss mich selbst erst sortieren. Danke, dass ihr trotzdem für mich da seid. Das ist nicht selbstverständlich und egal wie scheiße ich zu euch bin, ich bin froh, dass ihr für mich da seid und auf Motti aufpasst." antwortet Thomas mir. Insbesondere bei seinen letzten Worten laufen ihm zum zweiten Mal an diesem Tag Tränen über die Wangen. Wir nehmen ihn von beiden Seiten in die Arme, signalisieren ihm, dass wir da sind. „Du würdest das gleiche für uns machen Thomas. Bitte versprich uns, dass du zu uns kommst, wenn du reden möchtest und uns sagst, wenn wir dich irgendwie unterstützen können." „Versprochen. Danke! Aber jetzt würde ich gerne nachhause. Ich bin echt müde und würde mich gerne erholen. Ist das ok für euch? Oder müssen wir noch etwas wegen Motti besprechen?" äußert Thomas seine Bedürfnisse. „Ich fahre dich nachhause. Ruh dich ruhig aus. Wegen Motti müssen wir nichts klären. Mach dir um deinen Sohn keine Gedanken. Ich bin für ihn da und wenn du ihn die nächsten Tage sehen möchtest, sag das bitte. Uns ist es ganz wichtig, dass dir bewusst ist, dass wir dir euren Sohn nicht vorenthalten möchten." „Ich würde ihn gerne sehen, ihm sagen, dass ich ihn trotz allem liebe. Er ist doch mein größter Schatz. Aber ich verstehe, wenn er mich nicht sehen möchte." „Du darfst nicht so negativ denken Thomas. Ja er ist verletzt von deinem Verhalten und versteht nicht was los ist. Wie soll er das auch wenn wir es noch nicht mal tun und du vielleicht auch selbst nicht? Aber trotzdem darfst du nicht vergessen, dass er dich liebt. Das weiß ich. Ich spreche heute Abend mal in Ruhe mit ihm. Je nachdem wie du dich morgen fühlst, können wir uns gerne wieder hier treffen und dann Motti nach dem Kindergarten mit hier her nehmen. Ist das eine Idee?" „Ja das wäre toll, wenn ich ihn wenigstens kurz sehen kann. Ich verspreche auch mich dann zu benehmen." „Das wird alles Thomas. Kopf hoch. Wir schaffen das, du schaffst das. Und jetzt lass mich dich nachhause bringen, damit du morgen wieder erholt bist." Kurz darauf fahre ich Thomas nachhause. Zum Abschied zieht er mich von sich aus in eine Umarmung. „Danke Hannes für alles. Pass gut auf Motti auf und sag ihm bitte, dass der Papa ihn liebt. Das würde mir viel bedeuten." „Mach ich Thomas. Bis morgen! Und wenn etwas ist ruf mich oder Nowi an." „Werde ich machen. Und ähm Hannes, also..." druckst er rum. Ich merke, dass er mich etwas fragen möchte, das ihn viel Überwindung kostet. Er schaut zu Boden und knetet nervös seine Hände. Beruhigend lege ich ihm eine Hand auf die Schulter. Er schaut auf, holt tief Luft und sagt: „Äh, also, könntest du Steff vielleicht auch sagen, äh, ähm, also, kannst du ihr sagen, dass ich sie liebe?" Kaum hat er die Worte ausgesprochen, schaut er beschämt zu Boden. „Klar kann ich das. Aber vielleicht magst du auch mal darüber nachdenken, ob du dich nicht doch mal bei ihr meldest? Ich bin mir sicher, dass sie sich freuen würde." „Ich glaube das ist zu spät." „Was ist zu spät?" „Ich habe sie zu lange ignoriert. Ich kann ihr doch nicht jetzt einfach schreiben." „Na klar kannst du das. Dass sie verletzt und enttäuscht ist, brauche ich dir nicht sagen. Aber sie ist immer noch deine Steff. Es ist immer noch die Steff, die dich liebt. Sie ist immer noch die Steff, die sich Sorgen um dich macht. Und ich bin mir sicher, dass sie sich über eine kurze Nachricht sehr freuen würde." „Aber ich kann mich nicht erklären." „Glaubst du Steff verlangt das sofort?" „Sie will wissen was los ist." „Ja das will sie. Aber ihr wird klar sein, dass du nicht von jetzt auf gleich alles erzählst und alles wieder gut ist. Auch ihr werdet Zeit brauchen, bis alle Wunden heilen. Die Zeit müsst ihr euch geben. Aber der erste Schritt muss von dir kommen. So lange Steff in Südafrika ist, wird sie sich nicht mehr melden. Sie hat die Hoffnung aufgegeben, dass du reagierst." Thomas atmet tief durch, lässt meine Worte sacken. „Danke!" „Wofür?" „Dass du mir die Augen geöffnet hast. Ich werde Steff schreiben. Vielleicht heute, vielleicht erst die Tage, aber ich melde mich bei ihr." „Das ist gut Thomas. Ich bin stolz, dass wir heute vernünftig miteinander reden konnten. Ich glaube du bist auf einem guten Weg." Zum Abschied lächelt Thomas mich nochmal an, umarmt mich, bevor er im Wohnhaus verschwindet.


Abschied ohne LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt