Teil 26

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Hannes Sicht:

Wir haben gerade das Telefonat mit Steff beendet und ich entschuldige mich kurz bei Nowi mit den Worten: „Sorry Nowi, aber ich muss mal kurz vor die Tür durchatmen." Seine Reaktion warte ich gar nicht mehr ab, verlasse den Proberaum und gehe planlos durch die Gegend. Auch mich nimmt die ganze Situation mit. Die anstehenden Konzerte bereiten mir immer noch Sorge. Ich fühle mich gestresst, mache mir Sorgen, dass Nowi und ich in der Vorbereitung etwas wichtiges vergessen, denn normalerweise lastet die Verantwortung auf doppelt so vielen Bandmitgliedern. Hinzukommt, dass ich mich bestmöglich im meinen Neffen kümmern möchte und zugleich meinem Bruder eine gute Stütze sein will. Natürlich will ich auch Steff Last abnehmen, für sie da sein und Nowi nicht zur Last fallen, aber gerade merke ich, dass auch ich am Ende meiner Kräfte bin. Es zehrt an mir immer für alle da zu sein, allen zu sagen, dass alles gut werden wird, Motti die Situation zu erklären und selbst nicht über meine Sorgen zu sprechen. Erschöpft lasse ich mich auf einer Bank nieder und stelle fest, dass ich im Park in der Nähe unseres Proberaumes gelandet bin, in dem wir insbesondere im Sommer gerne in der Mittagspause hingehen. Ich lasse meinen Blick in die Ferne schweifen und alle Gedanken kommen. Mein Kopf droht zu explodieren und um mich herum hetzen Menschen von A nach B und dennoch komme ich absurderweise innerlich zur Ruhe kann von Minute zu Minute klaren sehen, tief ein- und ausatmen. Irgendwann legt sich ein Schatten auf mich und nimmt mir die ersten wärmenden Sonnenstrahlen des Frühjahrs. Ich fokussiere die Person vor mir und erkenne, dass es Nowi ist, der mir gefolgt zu sein scheint. „Wie geht es dir Hannes?" fragt er mich schlicht und setzt sich zu mir. Kurz überlege ich, was ich antworten soll. Doch was bringt es die Situation zu beschönigen? „Können wir zurück in den Proberaum gehen und da in Ruhe sprechen?" bitte ich Nowi, besorgt darüber, dass wir ungebetene Zuhörer haben, die nichts von der Gesamtsituation mitbekommen sollen. „Ja klar." antwortet Nowi und wir gehen schweigend nebeneinander her. Im Proberaum angekommen, setzen wir uns auf die Couch und Nowi schaut mich erwartungsvoll an. „Wie es mir geht? Nicht so gut, um ehrlich zu sein. Mir wird das alles zu viel. Ich kann das nicht Nowi. Ich kann nicht allen die Lasten abnehmen. Ich kann nicht für alle da sein und meine Emotionen runter schlucken. Thomas ist verdammt noch mal mein Bruder, mein Seelenverwandter, mein bester Freund. Es tut so weh ihn leiden zu sehen, aber ihm nicht richtig helfen zu können. Ich mache mir Sorgen. Um Thomas. Um Steff. Um Motti. Wie geht es Thomas wirklich? Wissen wir das oder verschweigt er uns das und alles ist viel schlimmer als wir denken? Ich kann es nicht einschätzen. Und wie geht es Steff? Ja, sie nimmt die Situation mit und macht sich Sorgen, doch leidet sie darunter vielleicht mehr, als wir von hier aus erahnen können? Und was ist mit Motti? Ihn belastet es seine Eltern nicht wie gewohnt, um sich zu haben, nicht wie gewohnt getröstet zu werden. Erzählt er mir wirklich seine Sorgen? Kümmere ich mich gut genug um ihn oder braucht er viel mehr Unterstützung? Ich weiß es nicht. Ich habe doch keine Ahnung von Kindern. Woher auch? Und dann noch die Konzerte. Was ist wenn die Fans doch mehr mitbekommen als sie sollen? Wie reagieren wir dann? Wir können nicht einfach sagen: Ach ja jetzt habt ihr eh gemerkt, dass etwas ist. Dann können wir ja jetzt erzählen, dass Thomas krank ist oder was auch immer. Aber es abschreiten und so tun als wäre alles gut können wir auch nicht. Das glaubt uns niemand. Das ist doch einfach alles scheiße momentan!" beende ich meinen langen Monolog und schaue Nowi wieder an. Ich sehe ihm an, dass er meine Worte zunächst sacken lassen muss, bevor er etwas erwidern kann. Mit so einem Gefühlsausbruch wird er nicht gerechnet haben und es tut mir leid, ihn so zu bombardiert zu haben. Er wird auch seine Sorgen haben. Ich sollte ihn mit meinen nicht belasten. „Sorry Nowi. Vergiss es. Du musst dich nicht mit meinen Problemen rum schlagen. Tut mir leid, dass das alles aus mir heraus gebrochen ist." „Stopp Hannes!" beginnt Nowi aufgebracht und schaut mich eindringlich an. „Hör verdammt nochmal auf dich für deine Gefühle und Gedanken zu entschuldigen. Ja es waren viele Informationen auf einmal, aber ich rede gerne mit dir darüber. Vielleicht hilft dir das und wir können gemeinsam den ein oder anderen Zweifel aus deinem Kopf beseitigen."


Abschied ohne LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt