Teil 41

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Nowis Sicht:

Es stimmt mich glücklich, dass Thomas und Motti gemeinsam einen schönen Nachmittag hatten. Beim Spielen haben sie sehr vertraut gewirkt. Hannes und ich waren quasi überflüssig und haben in Ruhe ein paar Dinge am Laptop erledigen können. Gerne hätte ich vorgeschlagen, dass wir morgen alle zusammen auf den Spielplatz gehen. Das Wetter soll gut werden und Motti macht es immer sehr viel Spaß. Doch ich habe Sorgen, dass Thomas das zu anstrengend ist. Es ist schon ein großer Fortschritt für ihn wieder so unbefangen mit seinem Sohn zu spielen. Da sollten wir lieber einen Schritt nach dem anderen gehen und ihn nicht direkt überfordern. Wie kaputt Thomas von dem Tag ist, ist unübersehbar. Deswegen ist es für mich selbstverständlich, dass ich ihm eine Pause gönne und mich allein ums Essen kümmere. Gemeinsam essen wir alle zu Abend und Motti erzählt fröhlich von seinem Tag im Kindergarten. Insbesondere seinen Vater fokussiert er dabei immer wieder. Es ist zu spüren, dass das Bedürfnis groß ist, insbesondere Thomas von seinen Erlebnissen zu erzählen. Er genießt es wieder die Aufmerksamkeit von seinem Vater zu erhalten. Nach dem Essen ist es Zeit zu gehen. Hannes und Motti machen sich auf den Weg, damit es nicht zu spät wird. Schließlich steht noch das tägliche Telefonat mit Steff an, bevor der Kleine ins Bett verschwindet. Sie verabschieden sich von uns und Motti versichert sich mehrmals, dass Thomas morgen wieder im Proberaum ist, wenn er vom Kindergarten abgeholt wird und nimmt seinem Vater das Versprechen ab, dass sie wieder gemeinsam mit den Autos spielen. Es ist nicht zu übersehen, dass es dem Kleinen schwerfällt, seinen Vater zu verabschieden. So unbeschwert und schön der Tag war, die Zweifel und Sorgen kommen in dem Moment wieder an die Oberfläche. Doch es ist verständlich. Das Vertrauen kann nicht von einem auf den nächsten Moment wieder zu 100% vorhanden sein. Man kann nur hoffen, dass Motti seinem Vater Tag für Tag mehr vertraut, je mehr Zeit die beiden zusammen verbringen. Aber ich bin zuversichtlich, dass dem so ist. Der Tag ist schon wesentlich besser verlaufen als Hannes und ich erwartet hatten. Dann wird der Rest auch. Nachdem Hannes mit Motti gefahren ist, räume ich schnell die Küche auf. Thomas hat seine Hilfe angeboten, doch ich habe abgelehnt, halte es für besser, dass er sich ausruht. Doch nun bin ich fertig und wir sitzen gemeinsam in Thomas Auto auf dem Weg zu Steffs und seiner Wohnung. Es graut mir ein bisschen vor dem Abend und der Nacht. Ich möchte Thomas gerne helfen, hoffe, dass es ihm gut tut sich nicht allein durch die Nacht kämpfen zu müssen. Und dennoch ist da ein kleiner Teil in mir, der sich fragt, ob ich zu aufdringlich bin. Was ist, wenn Thomas das gar nicht will? Was ist, wenn er sich nicht traut zu sagen, dass er allein sein möchte? Das letzte, was ich will, ist Thomas zu sehr in eine Ecke zu drängen und damit sein Vertrauen zu brechen. Er muss seine Grenzen setzen und diese müssen wir akzeptieren. Es wäre fatal, wenn wir die Situation schlimmer machen, weil wir zu wenig mit Thomas reden und ihm unsere Meinung aufdrängen, ihm keinen Raum für Widerworte geben. Ich erinnere mich an die Situation heute Mittag zurück. Ich habe ganz deutlich gespürt, dass Thomas sich unwohl gefühlt hat und meine Entscheidung bei ihm nicht auf Begeisterung gestoßen ist. Vielleicht sollte ich das nochmal aufgreifen und ihm den Raum bieten, seine ehrliche Meinung zu sagen. „Thomas?" frage ich deswegen und bekomme ein „Hmm?" als Antwort, mit dem er mir signalisiert, dass seine Aufmerksamkeit auf mir liegt. „Ist es wirklich okay für dich, wenn ich mit zu dir komme?" „Ich habe doch eh keine Wahl." „Doch die hast du. Es tut mir leid, dass ich meine Worte heute Mittag so drastisch gewählt habe. Ich will mich dir nicht aufzwingen. Ich mache mir wahnsinnige Sorgen um dich und möchte dir gerne helfen, aber mir ist auch klar, dass das nichts bringt, wenn du das nicht möchtest. Bitte sag mir ehrlich wenn du lieber möchtest, dass ich gehe. Ich möchte dich nicht bedrängen und dich einengen. Auch wenn es mir schwerfallen würde, dich allein zu lassen, akzeptiere ich es, wenn du das möchtest." Kurz ist es still und ein kurzer Blick zur Seite verrät mir, dass Thomas mit solchen Worten nicht gerechnet hat. „Es ist ok Nowi. Heute Mittag war ich ehrlich gesagt wütend. Aber ich hatte keine Energie gegen an zu reden. Mir war klar, dass es zwecklos sein wird und ich mich meinem Schicksal ergeben muss. Doch mittlerweile habe ich nochmal darüber nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass es vielleicht doch ganz gut ist, nicht allein zu sein. Irgendwie war es ein kleiner Befreiungsschlag heute so ehrlich mit euch zu sein. Ich habe mich gefragt, ob es mir besser gehen würde, wenn ich eure Hilfe direkt angenommen hätte. Deswegen will ich deine Hilfe jetzt annehmen. Ich weiß noch nicht wie die Nacht wird, wie und ob ich deine Unterstützung brauche, aber vielleicht ist es gut zu wissen, dass ich nicht allein in der Wohnung bin. Vielleicht ist es gut zu wissen, dass ich zu dir gehen kann, wenn die Bilder mich erdrücken und der Kampf mir den Schlaf raubt." Ich bin überrascht über Thomas Sinneswandel, doch es beruhigt mich zu wissen, dass er mich in der Wohnung haben will. „Lass uns erstmal in der Wohnung ankommen. Dann können wir besprechen, wie ich dir im Zweifel helfen kann. Gemeinsam bekommen wir das hin. Ich werde dich so unterstützen, wie du es brauchst." verspreche ich ihm und wir fahren die letzten Meter schweigend, bis wir bei der Wohnung ankommen.


Abschied ohne LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt