Teil 3

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Steffs Sicht:

Ich verfluche es echt, dass es wirklich nicht möglich ist von hier auch nur einen Tag früher zurück zu fliegen. Ich habe sogar schon mit der Produktion diskutiert, ob es nicht doch irgendwie möglich ist. Aber keine Chance. Ich muss mit meinen Gedanken immer weiter abgedriftet sein, denn plötzlich vibriert mein Handy erneut. „Steff? Ich kann sehen, dass du die Nachricht gelesen hast. Würdest du bitte antworten? Ich mache mir Sorgen." ploppt die nächste Nachricht von Hannes auf. Verwirrt schaue ich auf mein Handy. Ich habe die Nachricht doch gerade erst gelesen. Da muss Hanne sich nicht sofort Sorgen machen. Doch beim Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass bereits eine knappe Stunde vergangen ist. Überrascht und schockiert, dass ich so lange in meiner düsteren Gedankenspirale gefangen war, antworte ich Hannes, dass ich definitiv Zeit und Lust habe. Die Chance mit meinem Sohn zu sprechen, lasse ich mir auf keinen Fall entgehen! Die darauffolgenden Stunden ziehen an mir vorbei. Heute haben wir einen Tag, an dem wir abgesehen von der Aufzeichnung am Abend keinen Termin haben. Einerseits kommt mir das zu gute. So muss ich keine Kraft aufwenden, um vor der Kamera so zu tun als sei alles in Ordnung. Andererseits gibt es nichts, das mich ablenkt und aufmuntert. So lasse ich den Blick aus dem Fenster schweifen und schlafe tatsächlich nochmal ein. Rechtzeitig zum Telefonat bin ich jedoch wieder wach. Ich raffe mich auf, gehe ins Bad und mache mich etwas zurecht. Mein Sohn und Hannes kennen mich zwar in jedem Zustand, doch mein Kleiner soll nicht sofort sehen, wie schlecht es seiner Mutter wirklich geht. Wenigstens ihm zur Liebe muss ich mich zusammenreißen und die Starke sein. Nur kurze Zeit später vernehme ich das Klingeln meines Handys, welches den Anruf von Hannes ankündigt. Es ist das erste Mal seit dem Abflug, dass ein breites Grinsen in meinem Gesicht zu sehen ist, das wirklich aus tiefstem Herzen kommt. Glücklich nehme ich den Anruf entgegen und mache es mir auf meinem Bett gemütlich. „Hallo ihr beiden." begrüße ich die beiden glücklich. „Mamaaa." Kommt mir ein Freudenschrei entgegen, der mein Herz schneller schlagen lässt und mich innerlich zerreißt. Nur die Art wie er Mama gesagt hat macht mich total glücklich und lässt dennoch etwas tief in mir zu Bruch gehen. Die Sehnsucht, der Schmerz, den ich aus dem einen Wort heraushöre, verletzt mich. Doch möchte ich mich voll und ganz auf das Telefonat konzentrieren, ohne trübe Gedanken. Schon einen kurzen Moment später ärgere ich mich, dass ich mich nicht auf das Telefonat vorbereitet habe. Es war doch klar, dass der Kleine fragen würde warum wir die letzte Woche nicht telefoniert haben und der Papa so komisch ist. Aber ich Trottel habe mir keine Worte zurecht gelegt. Ich will ihn ungerne komplett anlügen, aber die Wahrheit sagen kann ich auch nicht. Leicht verzweifelt schaue ich Hannes an, hoffe, dass er mir irgendwie hilft und eine Antwort parat hat. Doch auch er reagiert nicht sofort. „Das tut mir wirklich sehr leid, dass ich mein Versprechen nicht eingehalten habe Schatz. Weißt der Papa und ich haben uns leicht gestritten und der Papa ist noch etwas böse auf die Mama. Das hat nichts mit dir zu tun. Manchmal sind Erwachsene etwas kompliziert. Und die Mama hatte dann so viel hier zu tun, dass sie es nicht geschafft hat mit Papa einen Termin auszumachen zum telefonieren. Aber du brauchst dir keine Sorgen machen. In einer Woche sehen wir uns alle wieder und dann spreche ich in Ruhe mit Papa und es ist alles wieder gut. Wir haben dich beide gaaaaanz doll lieb und Mama hat den Papa auch ganz doll lieb und vermisst euch." versuche ich ihm die Situation etwas verharmlosend und verständlich darzustellen. Traurig schaut mein Sohn mich an. Ich merke, dass er über meine Worte nachdenkt. „Hat Papa dich auch lieb?" fragt er mich. „Na klar hat der Papa die Mama lieb Großer. Das weißt du doch!" versuche ich überzeugend zu antworten. „Aber warum ist Papa dann böse auf dich?" „Weil wir uns gegenseitig blöde Wörter gesagt haben, mit denen wir uns verletzt haben. Aber nur weil Papa immer noch enttäuscht ist, heißt das nicht, dass er mich nicht mehr lieb hat. Weißt du Erwachsene streiten leider hin und wieder und sagen gemeine Dinge. Doch dann spricht man wieder miteinander und alles ist vergessen. Aber weil ich so weit weg bin, konnten Papa und ich noch nicht in Ruhe sprechen. Aber Papa und ich lieben uns trotzdem ganz doll und dich lieben wir genauso doll. Das verspreche ich dir." Ich hoffe sehr, dass ich meinen Kleinen damit überzeugen konnte. Fürs erste ist er immerhin ruhig und stellt keine weiteren Fragen. Es tut mir leid ihm nicht die volle Wahrheit sagen zu können und ich hoffe wirklich, dass Thomas und ich uns in Ruhe aussprechen können sobald wir uns wiedersehen. Ehrlich gesagt habe ich leise Zweifel daran, doch das muss Motti nicht wissen. Wir unterhalten uns noch etwas. Mein Sohn berichtet mir von seinen Tagen in der KiTa. Begeistert erzählt er was er alles mit seinen Freunden gespielt hat. Sogar ich vergesse für einen kurzen Moment alles Geschehene und lausche gespannt seinen Erzählungen. Es beruhigt mich, dass er jeden Tag wenigstens ein paar schöne Stunden in der KiTa hat, die ihn hoffentlich die Sorgen zuhause vergessen lassen.

Abschied ohne LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt