Teil 50

105 8 4
                                    

Thomas Sicht:

Es ist komisch Steff nach den 2 Wochen wieder gegenüberzustehen. Irgendwie war es im ersten Moment als seien wir zwei Fremde, die sich das erste Mal gegenüberstehen und nicht wissen, wie sie miteinander umgehen sollen. Aber ich bin sehr erleichtert, dass Steff den ersten Schritt auf mich zu gemacht hat. Ich rechne ihr das hoch an und könnte ihr nicht dankbarer dafür sein, denn ich war zu überfordert. Aber am meisten beruhigt mich, dass sie trotz allem zu mir steht und mich unterstützen will. Ich habe echt keinen blassen Schimmer womit ich das verdient habe, doch schwöre mir in diesem Moment, dass ich ihr all das wieder zurückgeben werde, wenn ich wieder gesund bin. Jetzt ist der Moment gekommen: Der Moment, in dem ich reden muss, ihr erzählen muss was die letzten zwei Wochen los war, wie ich mich gefühlt habe. Ich bin nicht bereit dazu, absolut gar nicht. Auch wenn ich weiß, dass ich ihr blind vertrauen kann, kostet es mich viel Überwindung. Ich fühle mich wie ein Versager und wer will sich schon so einem anderen Menschen zeigen? Aber es nützt nichts. Schweigen macht alles nur schlimmer. Ich muss das jetzt tun. Für Steff, für Motti, aber auch für mich selbst, denn insgeheim weiß ich, dass es mir besser gehen wird, wenn ich alles, was mich bedrückt ausspreche. „Also. Ähm. Ich würde von vorne anfangen. Beim Abflug, ok?" Mit einem Nicken drückt Steff ihre Zustimmung aus und verbindet zaghaft unsere Hände miteinander. „Also das vor zwei Wochen beim Abflug tut mir unfassbar leid. Ich hätte dich nicht anfahren dürfen. Ich weiß doch, dass du gestresst warst und deine Vorwürfe, weil ich verschlafen habe, waren mehr als verständlich. Ich war enttäuscht, dass du so schnell gegangen bist, ohne dich von mir zu verabschieden, aber das ist nicht alles." Steff holt Luft und ich warte, was sie zu sagen hat. „Mir tut es auch leid, dass ich einfach gegangen bin Thomas. Das war ein großer Fehler. Ich hoffe du verzeihst mir das." sagt sie und senkt ihren Blick, der voller Schuld ist. „Ist schon vergessen." Lächle ich sie an und fahre fort: „Denn warum ich abgeblockt habe, war eigentlich ein viel größeres Problem. Ich hatte schon vor deinem Abflug Respekt davor 2 Wochen mit Motti allein zu sein, die alleinige Verantwortung zu haben. Zig Gedanken habe ich mir gemacht. Ich war mir nicht sicher, ob ich der Herausforderung gewachsen bin, ob ich als Vater gut genug bin. Wir waren immer zu zweit, wir haben uns immer unterstützen können, wenn es Mal herausfordernde Situationen gab. Nie war ich länger als 3 Tage mit unserem Sohn allein. Das hat mir Angst gemacht. Und dann habe ich direkt verschlafen. Es fühlte sich an, als hätte ich versagt, bevor ich überhaupt allein war und die Verantwortung trage. Mir ging so viel durch den Kopf und immer wieder dominierte der eine Gedanke: Ich schaff das nicht. Ich kann unserem Sohn nicht gerecht werden und versage." Als ich kurz tief durchatme, um weiter zu reden, kommt Steff mir zuvor. „Aber warum hast du nicht schon vorher mit mir gesprochen? Ich hätte dir Zweifel nehmen können." „Ich wollte dir nicht zur Last fallen. Du hattest genug im Kopf und genug Stress mit den Vorbereitungen." „Du fällst mir nicht zur Last, wenn du mit mir über deine Gefühle, deine Ängste und Sorgen redest Thomas. Versprich mir bitte, dass du mir solch starke Zweifel und Sorgen nie wieder verschweigst. Ich will für dich da sein können, wenn es dir nicht gut geht, genauso wie du immer für mich da bist." erwidert sie und die Enttäuschung in ihrem Blick ist nicht zu übersehen. „Es tut mir leid. Ich gebe mein Bestes in Zukunft." verspreche ich. „Und das war der Auslöser von allem oder gibt es noch mehr, was zu dem Zeitpunkt schon war? Ging es dir da schon so schlecht?" erkundigt Steff sich. „Zu dem Zeitpunkt war es nur das." „Und warum hast du dich dann nicht bei mir gemeldet, mich ignoriert?" „Ich war so enttäuscht von mir selbst. Ich wusste, dass du sofort merkst, dass etwas nicht stimmt, wenn wir telefonieren. Das wollte ich nicht. Ich wollte dich nicht mit meinen Sorgen belasten. Ich weiß, dass das gewaltig nach hinten losgegangen ist und ich falsch gehandelt habe. Ich hätte nicht so stur sein dürfen." „Und wie war es dann mit Motti? Ich habe nur von Hannes mitbekommen, dass du ihn vernachlässigt hast." Die Aussage treibt uns beiden Tränen in die Augen. Dieses Verhalten gegenüber meinem Sohn ist wahrscheinlich das, was ich mein Leben lang am stärksten bereuen werde. Ich verstehe selbst nicht, wie ich sein unerschütterliches Vertrauen riskieren konnte. „Ich habe mich zurückgezogen. Da war ein Teil in mir, der mir eingeredet hat, dass ich am wenigsten versagen kann, wenn ich mich zurückziehe. Ich weiß, dass das falsch ist, doch in dem Moment war ich im Tunnel. Wie das passieren konnte weiß ich nicht. Ich kann es dir nicht erklären, tut mir leid. Mein Kopf hat sich zusammen gesponnen, dass ich Motti nicht gerecht werden kann und ich habe mich zurückgezogen. Dann ging es mir schon so schlecht, dass ich nicht mehr wahrgenommen habe wie sehr unser Sohn genau darunter leidet. Erst als du und Hannes ihn mir quasi weggenommen haben, ist mir das ein Stück weit bewusst geworden. Ich habe gefühlt in einer Parallelwelt gelebt und erst in dem Moment, habt ihr mich mit eurem Handeln ein kleines Stück zurückgeholt."


Abschied ohne LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt