Kapitel 2

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Es war noch dunkel als Sonya aufwachte, doch jeder Versuch wieder einzuschlafen war vergebens. Obwohl sie einen weiten Kapuzen-Hoodie über dem T-Shirt und eine lange Cargohose trug, zitterte sie vor Kälte. Vielleicht lag es aber auch an der Müdigkeit. Außerdem verkrampfte sich ihr Magen schmerzhaft vor Hunger und sie musste dringend auf Toilette. Widerwillig kletterte sie aus ihrem Versteck und streckte die steifen Glieder.

Nachdem sie sich erleichtert hatte, richtete sie ihre Aufmerksamkeit zum ersten Mal auf ihr Äußeres. Ihre Klamotten waren weit und tatsächlich eher jungenhaft. Haben die Jungs mich deshalb für einen Kerl gehalten? Bisher dachte sie, es sei nur ihrer Dummheit geschuldet gemischt mit männlichem Stolz, weil sie sich gegen sie alle behauptet hatte. Aber das war lächerlich. Schließlich hatte sie doch lange Haare.

Sie glitt mit den Findern über ihren Kopf, doch da war nicht viel. Ihre Haare gingen kaum bis zu ihren Wangenknochen. Es war merkwürdig. Sie konnte sich an nichts erinnern, aber hätte sie sich selbst beschreiben müssen, hätte sie ganz bestimmt nicht so ausgesehen.

Ein lautes Knurren aus der Magengegend unterbrach sie in ihrer Grübelei. Sie musste sich jetzt fokussieren. Die Jungs würden wahrscheinlich noch eine Weile schlafen. Also musste sie die Zeit nutzen, um sich vorzubereiten. Immerhin wird sie wohl eine Weile hier festsitzen. Sie brauchte etwas zu Essen und Wasser. Dann erst konnte sie sich auf die Suche nach Informationen machen.

Ein wenig überraschte sie dieses abgeklärte taktische Denken. Als würde sie jeden Tag mit Situationen zu tun haben, die das Überleben hinter feindlichen Linien vorrausetzten. Dabei ist sie doch nicht mal erwachsen, oder doch? Nein, erst musste sie Wasser und Nahrung finden, dann konnte sie sich um die Fragen kümmern, die ihren Kopf immer wieder überfluteten.

Sie machte sich auf den Weg durch den Wald und versuchte beim Auftreten auf dem trockenen Waldboden möglichst wenig Geräusche zu verursachen. Nach ein paar hundert Metern erreichte sie die Wiese. Es war ein ganz schön großes offenes Stück Gelände, welches sie von der nächsten Hütte trennte, die ihr Deckung geben konnte. Allerdings war weit und breit niemand zu sehen und sowieso hatte sie keine andere Wahl. Ihr Magen rebellierte schon wieder und sie musste gegen den Husten ankämpfen, den ihre trockene Kehle hervorrief.

Sie ließ noch einen letzten prüfenden Blick über die Wiese schweifen, dann rannte sie los. Wenigstens schien sie eine gute Kondition zu haben. Sie konnte keinen Muskelkater von der Rennerei gestern feststellen. Kurz vor der Hütte blieb sie erschrocken stehen, denn beinahe wäre sie auf etwas getreten, das im Dunkel der Nacht kaum zu sehen war.

Vor ihr lagen dutzende kleine Hügel und sie hoben und senkten sich mit jedem Atemzug. Wie durch ein Minenfeld schlängelte sie sich zwischen den schlafenden Jungs hindurch, immer darauf bedacht, keinen von ihnen zu berühren oder auf irgendetwas zu treten. Jetzt wo sie zwischen ihnen stand, war es ihr schleierhaft, wie sie das laute Schnarchen hatte überhören können.

Schließlich erreichte sie endlich die Hütte und versteckte sich in deren Schatten. Gerade als sie sich hineinschleichen wollte, um nach der Küche zu suchen, ging knarrend die Vordertüre auf. Ein hagerer Junge mit zerzausten Haaren lief schlaftrunken direkt an ihr vorbei, stellte sich an die Mauer hinter der Hütte, erleichterte sich und lief ebenso mit halb geschlossenen Augen wieder zurück. Okay, das war knapp. Die Hütte scheidet vorerst definitiv aus. Zu riskant.

Sie schlich geduckt zum nächsten Gebäude und ein fürchterlicher Gestank stieg ihr in die Nase. Er erinnerte sie irgendwie an einen Bauernhof. Sie machte einen Bogen drumherum und gelang schließlich zum dritten Gebäude, vor dem einige Tische und Bänke standen. Das sah vielversprechender aus. Drinnen fand sie eine große Küche mit allem, was ein Koch sich nur wünschen konnte.

Maze Runner FF Phase 1: ÜberlebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt