Na großartig. Sie wollen mich hier aushungern lassen. Sonya setzte sich wieder in ihre Astgabel und machte es sich bequem, denn schließlich würde sie hier noch eine Weile ausharren müssen. Trotzig verschränkte sie die Arme und schaute finster zu den Jungs hinunter. Nach einer Weile, fingen auch sie an, es sich auf dem Waldboden ein wenig gemütlicher zu machen. Offenbar hatten sie die Hoffnung aufgegeben, dass der Frischling sich in absehbarer Zeit ergeben würde.
Nach drei Stunden erschien die versprochene Ablösung, bestehend aus zwei Jungs, die sie noch nie gesehen hatte. Es folgte eine dritte und vierte Schicht. Wie ein Uhrwerk kamen zuverlässig alle drei Stunden ein neues Paar, dass sie bewachen sollte und nahmen ihr damit jegliche Hoffnung, ihre Wache könnte früher oder später unaufmerksam werden und ihr einen Fluchtweg ermöglichen.
Schließlich konnte selbst ihr Hunger sie nicht mehr wachhalten und so schlief sie mit der Abenddämmerung ein. In der Nacht wachte sie immer wieder auf, kontrollierte, ob die Wache am Fuße des Baumes noch da war und schlief wieder ein. Einmal hatte sie jedoch so Magenschmerzen, dass sie einen weiteren Happen von ihrem Essen und einen großen Schluck aus der Flasche nahm. Damit waren ihre Vorräte, die bereits für einen Tag immer knapp bemessen waren, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, so gut wie aufgebraucht, denn sie mussten nun schon für zwei Tage reichen. Sonya war klar, dass sie eine Lösung finden musste oder sie würde morgen herunterkommen und sich stellen müssen.
Gegen drei Uhr morgens wachte sie wieder auf und stellte erfreut fest, dass ihre beiden Wächter eingeschlafen waren. Das Schnarchen des einen schallte durch den ganzen Wald. Gerade als sie sich losmachen und auf die Flucht vorbereiten wollte, hörte sie Schritte. Verdammter Mist! Da kommt schon die Ablöse. Die beiden Schnarchnasen wurden unsanft auf dem Schlaf gerissen und mussten sich einiges anhören und mit dem Versprechen Alby in der Frühe alles zu berichten, jagten die Neuen ihre Vorgänger fort.
„Mann, in diesem beklonkten Wald ist es so dunkel, ich kann kaum was sehen. Sitzt da überhaupt noch einer?", fragte ein etwas kräftiger Junge.
„Na klar, du Strunk. Kannst du nicht den schwarzen Haufen da oben sehen?", antwortete der, der die anderen so zusammengestaucht hatte.
Dieser Typ gehörte wohl zu den disziplinierteren auf der Lichtung, denn er ließ sie kaum einen Moment aus den Augen. Der Energiemangel, der sowohl von dem Mangel an Nahrung als auch von dem wenig erholsamen Schlaf herrührte, machte sich immer deutlicher bemerkbar.
Fast den ganzen Tag verbrachte sie in einer Art Dämmerzustand. Sie konnte nicht wach bleiben, richtig zu schlafen traute sie sich aber auch nicht. Mit jedem Wachwechsel wurde sie kurz wach und beobachtete, wie die alte Wache ging und die neue kam. Die letzten Reste Wasser und Brot hatte sie am Mittag zu sich genommen und irgendwann gegen Nachmittag schlief sie doch noch einmal richtig ein.
Sie hatte einen seltsamen Traum. Er erschien ihr ungewohnt real, so wie der Albtraum, den sie von diesen Spinnenwesen hatte. Sie war noch klein und lief eine Straße in der Stadt entlang, in der sie wohnte. Plötzlich bemerkte sie einen kleinen Jungen von vielleicht drei Jahren, der ein Stück weiter die Straße rauf auf dem Boden hockte und ihr den Rücken zuwandte.
Sorglos ging sie näher, um zu sehen, ob der Junge vielleicht Hilfe brauchte. Sein ganzer Körper bebte. Fürsorglich fasste sie ihn an der Schulter und in dem Moment als sie ihn berührte, drehte er sich so ruckartig um, dass sie zurückschreckte. Er sah sie mit weitaufgerissenen blutunterlaufenen Augen an. Sein Gesicht war von dicken dunklen Adern durchzogen. Hinter sich in weiter Entfernung hörte sie ein Kind rufen: „Lizzy!"
Sonya schreckte keuchend aus dem Schlaf und als sie sich umsah, um festzustellen, wo sie überhaupt war, schoss ein Adrenalinstoß durch ihren Körper, der sie schwindeln ließ. Am Fuße ihres Baumes waren keine zwei Wachen mehr, stattdessen standen dort nun wieder die elf Jungs vom Vortag und ein weiterer kletterte gerade den Baumstamm hinauf.
So schnell es ihr mit den zittrigen Händen möglich war, löste sie den Knoten von der Efeuranke und schaffte es nur ganz knapp aus der Schlinge zu schlüpfen, bevor Minho nach ihrem Bein greifen konnte. Sie richtete sich auf und begann auf höhere Äste zu klettern.
Minho mochte ein Großmaul sein, aber sie wusste, dass er im Gegensatz zu Gally auch wirklich was draufhatte. Ihr einziger Trumpf war, dass sie leichter war und somit besser auf die hohen und damit auch immer dünner werdenden Äste klettern konnte.
„Geh nicht zu weit, Minho!", rief Newt ihm hoch.
„Ja Mama, ich pass schon auf mich auf.", rief dieser augenverdrehend zurück und fokussierte sich dann wieder voll auf sein Ziel.
Eigentlich war sie sehr gut im Klettern, doch nun strengte es sie unheimlich an. Ihre Arme und Beine waren kraftlos und es schwindelte ihr, sodass ihre Sicht immer wieder verschwamm. Verdammter Mist. Wo soll ich überhaupt hin? Das Gleiche schien sich auch Minho zu fragen.
„Wo willst du eigentlich hin, wenn man fragen darf? Wir sind auf einem beklonkten Baum, in einem Wald umgeben von Mauern. Nicht, dass ich das hier nicht genießen würde. Ist mal was anderes als immer nur rumzuhängen oder durch das beklonkte Labyrinth zu rennen aber – Ah!"
Ein lautes Knacken ließ sie herumfahren. Der morsche Ast auf dem Minho gerade noch gestanden hatte, war abgebrochen und zu Boden gefallen. Nun hing er nur noch mit einer Hand an einem dünnen Zweig, der sein Gewicht sicher nicht lange halten würde und baumelte in einer Höhe von gut fünfzehn Metern über dem Grund.
„Minho!", schrien einige Jungs von unten.
Alby löste sich als erster aus seiner Starre und versuchte nun selbst den Stamm hinauf zu klettern. Der schafft es nie rechtzeitig nach hier oben. Sein Freund wird abstürzen. Der Zweig, an dem Minho sich festhielt, begann bereits zu reißen und er hatte keine Chance einen anderen Halt innerhalb seiner Reichweite zu finden. Sonya war nur zwei Meter über ihm und aus einem unerklärlichen Impuls heraus begann sie wieder hinunter zu klettern. Was mache ich hier eigentlich? Der kann mir doch wirklich egal sein. Verdammt!
Sie legte sich flach auf den dicksten Ast, der sich in seiner Nähe befand, klammerte sich mit den Beinen und einer Hand fest und streckte ihm die andere Hand entgegen.
„Komm schon!", rief sie ihm zu.
Minho blickte ein letztes Mal angstvoll zu dem dünnen Strang, der ihn noch oben hielt, bevor er ihre Hand ergriff und sich von ihr zu einem anderen Ast schaukeln ließ. Er schaffte es sich daran festzuhalten und hochzuziehen.
Einen Moment lang sahen sich beide keuchend und nur Zentimeter voneinander entfernt in die Augen. Dann sprang sie auf, um wieder die Flucht zu ergreifen, doch er bekam ihrem Fuß zu fassen und brachte sie somit ins Straucheln, bevor sie den Halt verlor und fiel.
Ihr Gehirn hatte offenbar auf Notzustand umgeschaltet, denn alles schien auf einmal in Zeitlupentempo zu passieren. Sie flog über einen Ast, versuchte sich festzuhalten, doch ihre Hände konnten ihr Gewicht nicht halten. Sie knallte auf immer tiefere Äste, hielt sich für wenige Sekunden fest und verlor wieder und wieder den Halt. Wie eine Kugel in einer Murmelbahn, stürzte sie von Ast zu Ast nach unten, bevor sie schließlich die letzten drei Meter im freien Fall zurücklegte und mit dem Rücken flach auf den Waldboden aufschlug.
Der Aufprall presste sämtliche Luft aus ihren Lungen. Als sie schnappend und hustend wieder atmen konnte, entfuhr ein leises „Au". Wäre der Boden nicht so dick mit Blättern bedeckt gewesen, hätte sie sich wahrscheinlich alle Knochen gebrochen.
Benommen blickte sie nach oben, wo nun rund um sie herum Gesichter auftauchten, die sich leicht zu drehen schienen. Sie hörte, dass die Jungen etwas sagten, doch sie konnte sie nicht verstehen. Stattdessen drang nur ein Rauschen an ihre Ohren. Alle ihre Sinne waren völlig benebelt und als die Jungs sie an beiden Armen hochhoben, wurde ihr endgültig schwarz vor Augen. Was danach passierte, bekam sie nur bruchstückhaft mit.
Sie wurde über die Wiese geschliffen und schließlich auf einen harten Steinboden abgelegt. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war, aber es war ihr in dem Moment auch egal. Jetzt wollte sie einfach nur noch schlafen.
DU LIEST GERADE
Maze Runner FF Phase 1: Überleben
FanfictionVerdammter Mist! Zum ersten Mal erinnere ich mich an etwas und jetzt ... Der Junge sagte etwas zu ihr immer wieder, doch seine Stimme verhallte in der sie umgebenden Dunkelheit. Ich habe versagt, denn ich werde ihn nie wieder sehen. Dies ist der er...