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Vincent stieg die letzte Stufe hinab und blickte sich in dem düsteren Keller um.

Es war glücklicherweise nicht die von ihm erwartete Höhle, die er so sehr gefürchtet hatte.

In seiner Hand hielt er eine brennende Kerze, die ihm etwas Licht spendete. Irritiert sah er drauf.

Seit wann hatte er die bei sich?

Er konnte sich überhaupt nicht daran erinnern, sie irgendwo gefunden zu haben. Aber da hier ohnehin alles wie in einem Traum wirkte, wollte er nichts mehr infrage stellen.

Alles schien sich wie eine surreale Illusion anzufühlen.

Der Keller war merkwürdig, aber irgendwie wusste er auch, wo er lang musste. Genauso, wie er verspürt hatte, dass er runter musste.

Ein nebliger Dunst lag über dem Boden, und die Decke war so hoch, dass Vincent sie nicht einmal erkennen konnte.

Im Raum selbst befand sich kaum etwas, außer in der Mitte.

Ein langer, seltsam anmutender Behälter, umgeben von verwelkten Blumen.

Ein mulmiges Gefühl machte sich in Vincents Magen breit, als er sich vorsichtig dem Behältnis näherte.

Es war ein Sarg.

Daran bestand kein Zweifel und irgendwie hatte er die Treppe hinab an ein Begräbnis denken müssen, jetzt ... wo er so darüber nachdachte.

Mit einem flauen Gefühl im Magen stieg Vincent die wenigen Stufen hinauf, während er nur einen einzigen Gedanken fassen konnte.

~ Bitte nicht. ~

Doch seine Bitte wurde nicht erhört.

Als er in den Sarg blickte, sah er Dag. Obwohl er es auch irgendwie erwartet hatte ... aber auf irgendeine Weise ... auch nicht.

Der Lockenkopf lag regungslos, in der Haltung eines Toten, in der Kiste.

Vincent atmete tief aus und versuchte, die Panik in ihm zu unterdrücken. »Das ist nicht real.« , gab er fast tonlos von sich.

Es konnte nicht real sein.

Er stellte die Kerze ab und kniete sich neben den Sarg, um Dags Gesicht besser betrachten zu können.

»Bitte.« , flüsterte er. »Das darf nicht echt sein.« Er legte seine zitternde Hand auf Dags Brust und hielt den Atem an. Kein Herzschlag.

»Mach kein'n Scheiß Diggah.« , sagte er verzweifelt, während er unter Dags Nase seinen Atem überprüfte. Doch auch da spürte er nichts.

»Tja. Das lief wohl gar nicht gut.« , erklang plötzlich eine vertraute Stimme.

Vincent stöhnte, als er den Gnom erblickte. »Nein. Nicht du schon wieder.«

»Ja, das denke ich mir auch jedes Mal, wenn ich deine hässliche Visage sehen muss.« , konterte er, während er auf Dag hinabsah.

»Ist er tot?« , fragte Vincent.

»Sieht so aus.« , gab Glo'ki achselzuckend von sich.

»Hör auf mit deinem Scheiß.« Er war am Ende seiner Geduld und regelrecht verzweifelt. »Ist das Dag?«

»Sieht doch aus wie er.« , antwortete der Gnom wiederum lässig.

Vincent kniff die Augen zusammen. »Hier sah schon einiges echt aus, das aber nicht real war.«

»Frag mich nicht. Ist deine Welt. Nicht meine.«

»Sag mir doch einfach die Wahrheit.«

»Die Wahrheit ist irgendwo da draußen.« , sagte er und deutete vage in die Ferne.

»Man kann hier doch nicht tatsächlich sterben oder?«

»Teste es doch.«

Vincent runzelte die Stirn. »Wie soll ich das testen? Soll ich mich etwa umbringen?«

»Nein, ich meinte, teste, ob dein Freund wirklich tot ist.« , sagte er, und klang dabei plötzlich viel ernster als zuvor. »Hast du nie davon gehört, dass ein Kuss jemanden erwecken kann?«

»Das ist doch jetzt ein Witz, oder?!«

»Vielleicht. Vielleicht auch nicht.« Er grinste breit. »Wie wichtig ist er dir denn?«

»Er ist mein ... Bruder.« , kam spielendleicht über seine Lippen.

»Liebe ist stark. Stark genug, um dein schlafendes Prinzesschen zu erwecken.«

»Den Spruch hättest du dir sparen können.« Vincent beugte sich hinab. »Ich hoffe, es klappt.«

Mit einem tiefen Atemzug schloss er die Augen und spitzte die Lippen. Ohne groß darüber nachdenken, drückte er ihm einen vorsichtigen Kuss auf den Mund.

Als er die Augen öffnete, die er seltsamerweise geschlossen hatte, zuckte er vor Schreck zurück.

Anstelle von Dag lag nun eine Frau im Sarg.

Ihre Augenhöhlen waren leer und ihre Haut bestand nur noch aus Knochen.

Sie sah aus, als wäre sie schon seit Ewigkeiten tot und am Verwesen.

Ihr Schädel mit den langen, weißen Haaren dreht sich plötzlich in seine Richtung und Vincent sprang entsetzt von den Stufen zurück. »Mein Prinz ...« , flüsterte die Frau mit einer tiefen, rauen Stimme, während sie sich langsam aufrichtete. »Jetzt werden wir für immer zusammen sein.«

»Im Leben nicht.« , rief Vincent, wobei er mehr und mehr zurückwich. »Glo'ki, du bist eine verdammte Ratte.«

»Was denn?« Der Gnom grinste hämisch. »Du hast doch selbst gewusst, dass das nicht Dag war.«

»Woher sollte ich das wissen?« , fauchte er.

»Ihr habt doch alles hier erschaffen.«

Vincent sah fassungslos, wie das Skelett sich ihm näherte. »Was redest du da?«

»Denkst du echt, die Grauen projizieren das? Euer Verstand steckt voller Unsinn. Und den seht ihr hier.«

»Was?« Er versuchte, das Knochengerüst auf Abstand zu halten. »Meinst du etwa, wir können Dinge hier ins Leben rufen?«

»Das habt ihr doch bereits getan.« Er zeigte auf sich und anschließend auf die Frau.

»Warum zum Teufel sollte ich so etwas erschaffen?«

»Manches hier entstammt nicht nur eurem Willen, sondern den tiefstem, irren Ecken eures Verstandes.«

»Lass uns für immer zusammen sein.« , mischte die Frau zwischenzeitlich mit.

»Verpiss dich.« , rief Vincent und stieß sie unsanft beiseite.

In Panik wünschte er sich eine Tür, und zu seiner Überraschung tauchte auch eine auf. Ohne zu zögern, riss er sie auf und trat hindurch.

Der Wind wehte ihm entgegen, und er blinzelte verwirrt, als er Dag erblickte, der nicht weit entfernt im Gras lag.

Volle Kraft zurück in die Zukunst (Band 4)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt