35

8.7K 427 9
                                    

„Miss Martin, Ihre Arme machen deutliche Fortschritte, allerdings wird die Creme nicht Ihre Narben verschwinden lassen können, weswegen ich dafür wäre, dass wir sie in Zukunft absetzten. Haben sie ansonsten noch irgendwelche Beschwerden?", erkundigte sich der Arzt, welcher vor mir saß und beäugte mich mit hektischen Augen, die immer wieder zur Uhr an seinem Handgelenk huschten.

Verneinend schüttelte ich den Kopf. Selbst, wenn ich ihm von meinen Albträumen und der stätig wachsenden Schlafstörung erzählen würde, so wäre es ihm am Ende egal und er würde mir eine Überweisung zum nächstbesten Psychologen geben.

„Dann verabschiede ich mich an diesem Punkt von Ihnen Miss Martin und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.", der Mann mit dem weißen Mantel schüttelte mir die Hand und verschwand, genauso schnell wie er auch gekommen war, wieder den Raum.

Ich schloss für einen kurzen Moment die Augen, hörte nur das Rauschen meines Blutes unterhalb meiner dünnen Haut und das pochen meines Herzens unterhalb meiner Brust. Als meine Augen wieder aufflatterten landete mein Blick auf meinen geschundenen Unterarmen und meine Lippen pressten sich fest zu einer Linie zusammen.

Das Feuer hat nicht nur die Welt meiner Träume beeinflusst, indem ich regelmäßig von ihm träumte, sondern auch mein recht durchschnittliches Aussehen verunstaltet. Zwar ist meinem Gesicht damals nichts zugestoßen, doch meine Arme sind für niemanden mehr schön anzusehen, genauso wenig mein Rücken, welcher ebenfalls von Narben geziert ist, die allerdings nicht nur von den Flammen kommen.

Die Glastür vor mir öffnend trat ich in die Autowerkstatt von Logan und meinem Vater ein. Chiara saß an einem der Tische des Wartebereiches und durchblätterte verschiedene Ordner, während Ben hinter dem Schreibtisch saß und dort einige Zeilen in den Computer tippte.

Beide sahen sie kurz auf als ich den Raum betrat, widmeten sich dann aber wieder ihren Aufgaben zu und beachteten mich nicht weiter. Meine Tante und das Blondchen waren so etwas wie die Sekreteren dieses Betriebes und kümmerten sich um alles, was schriftlich anfiel, während die anderen drei Idioten an den Karren rumschraubten und diese im Stande hielten.

Ich lief über den laminierten Boden hinüber zu der schweren Eisentür und öffnete diese ebenfalls um in den Bereich zu gelangen, wo die Autos restauriert sowie lackiert wurden. Augenblicklich stieg mir der Geruch von Benzin in die Nase.

Meine Aufmerksamkeit wurde auf den Adonis mit schwarzen Haaren gelenkt als dieser eine Motorhaube zuknallte. Sein Oberkörper steckte in einem abgenutzten Unterhemd, seine Beine in einem blauen Overall und als würde dies nicht schon genügen, da es seine Muskeln mehr als nur ein wenig zur Geltung brachte, so war seine gesamte freigelegte Haut mit Öl und Schweiß beschmiert. Dämliche weibliche Hormone, die mich diesen Aufzug anziehend finden ließen.

„Hey.", lächelte ich, als er zu mir rüber sah. Mit seinen langen Fingern fuhr er sich durch die dunklen Haare, während er mit der Spitzte seiner Zunge seine Lippen befeuchtete und mich mit seinen stechend blauen Augen durchbohrte. Sein Mundwinkel zuckte verräterisch.

„Hey.", begrüßt er mich ebenfalls lächelnd. Mit erhitzten Wangen, da mein gesamtes Blut mir in den Kopf schoss, suchte ich die Räumlichkeiten nach meinem Vater ab, welcher wesentlich weiter hinten stand als Damien. Verdammt, wenn ich zu Dean wollte, musste ich an der Sahneschnitte vorbei.

Ich schluckte, legte die Tüte mit den Schlaftabletten auf dem Tresen neben mir ab und schritt auf den blauäugigen zu, welcher jede meiner Bewegungen aus Argusaugen beobachtete und schelmisch Grinste.

Gerade als ich mich an ihm vorbei schlängeln wollte machte er sich extra breit, wodurch wir Körper an Körper gepresst dort standen. Unsere Atem vermischten sich, meine Wangen verfärbten sich erneut in ein tiefes Rot und meine Haut begann zu kribbeln. Jetzt bloß nichts Dummes sagen.

„Uhm... hey.", wiederholte ich meine Worte von vor wenigen Minuten und brachte meinen gegenüber so zum Schmunzeln. Mein Herz schlug unregelmäßig und viel stärker gegen meinen Brustkorb, dass ich nur hoffte, er würde es nicht merken.

Damien beugte sich zu meinem Ohr hinab, hielt mich mit seinen Händen an der Taille und flüsterte nur für mich hörbar: „Freitag um zwanzig Uhr.", ich nickte, löste mich von ihm und marschierte weiter zu meinem Vater und seinem besten Freund, welche beide nichts von der Szene mitbekommen hatten.

Nachdem ich meinem Erzeuger mitgeteilt hatte, dass ich später asiatisches Essen bestellen wollte und dieser mir begeistert zugestimmt, musste ich erneut an Damien vorbei. Er gewährte mir den Durchgang, doch spürte ich seinen Blick deutlich in meinem Rücken, weshalb ich mir auf die Unterlippe biss um nicht breit zu grinsen.

Gerade als ich an meiner Tante vorbei huschen wollte, hielt mich diese auf. Chiara wank mich zu sich und etwas wiederwillig trottete ich zu ihr: „Liebes, der ist für dich. Kam heute früh.", sprach sie, ohne mich auch nur ein einziges Mal anzusehen und streckte mir einen Umschlag entgegen.

Meine Augen glitten über die Anschrift und den Absender, ehe mir der Atem stockte und ich innerhalb von wenigen Minuten den Umschlag samt Inhalt zerriss und in klitzekleine Fetzten verwandelte. Ben sah mich mit zusammengezogenen Brauen an, doch statt ihm auf seine unausgesprochene Frage, was denn los sei, zu antworten, umgriff ich die Medikamententüte in meiner einen und die Schnipsel in meiner anderen Hand nur fester und stürmte aus der Werkstatt hinaus.

Was sie sich dabei, mir einfach zu schreiben?

Not the truthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt