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Es klopfte an der Tür, die Klinke wurde hinunter gedrückt und das große Stück Holz aufgeschoben. Ich legte die Zeitschrift in meinen Händen zur Seite, schluckte den Kloß in meinem Hals hinab und straffte meine Schultern, soweit dies mit der Halskrause möglich war.

„Hey.", flüsterte Dean in die betäubende Stille des Gottverdammten Krankenzimmers und räusperte sich. Das Gesicht meines Vaters war aschfahl, dunkle Ringe zierten seine Augen und allgemein schien es so, als würde ihn jeder Schritt die Energie aus den Knochen ziehen.

„Hey.", entgegnete ich ebenso leise wie er und merkte, wie mir auf der Stirn der kalte Angstschweiß ausbrach. Ich rechnete mit einer Schimpftirade, einen Vortrag über Ehrlichkeit und einer vor Wut pochenden Schläfe, doch das einzige was Dean tat, war sich auf einen der Stühle zu setzten und zu schweigen. Zur Hölle nochmal, er schwieg und starrte mich aus meinen eigenen Augen hinaus an.

Mein Herz hämmerte mir bis zum Anschlag, mein Hals wurde mit jedem weiteren Schlucken trockener und meine Augen brannten von den nicht kommenden, aber so nötigen Tränen. Zu gerne hätte ich angefangen zu weinen wie ein kleines Kind, doch ging da die Rechnung mit meinem Körper nicht auf.

„Kurz hab ich gedacht, du seist wie deine Mutter.", sagte mein Erzeuger mit einem Donnern des Zornes in seiner Stimme, der sich aber nicht gegen mich richtete. Erstaunt über seine Gefasstheit und der Tatsache, dass er von meiner Mutter begann, sah ich ihn aus großen Augen an.

„Layla hat mir erst den Himmel auf Erden und dann die Hölle gezeigt. Ich hab es dir nicht erzählt, weil ich dachte, es würde dich anekeln solch Dinge zu hören, doch deine Mutter hat mich geradewegs mit meinem eigenen Bruder betrogen. Ihn hinter meinem Rücken gevögelt, mir aber die heile Welt vorgespielt. Sie hat mich Wochenlang belogen und betrogen.", eine Gänsehaut überzog meinen Körper. Sean hatte eine Affäre mit meiner Mutter, während beide verheiratet waren?

Galle stieg mir die Speiseröhre empor. Nicht Sean, nicht mein lustiger und immer gut gelaunter Onkel, welcher seine Frau und seine Tochter über alles liebte. Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein.

Tränen traten mir zum ersten Mal seit Tagen in die Augen und eine Mischung aus Luft holen, Wimmern und Schluchzen drang aus meiner Kehle. Auch wenn ich es nie zu jemanden gesagt hatte, so war Sean in den vergangenen Wochen immer mein Vorbild gewesen, mein Lichtblick, dass es auch intakte Familien gab und nicht nur solch verkorkste wie meine.

„Es war wie bei dir. Nicht Layla, sondern Sean war zu mir gekommen und hatte mir die Wahrheit gesagt, mir erzählt, was für ein Verräter er ist. Ich war, als Sophie in der Werkstatt auftauchte, wie in einer Rückblende und hab vor Zorn nicht gesehen, dass du es aus einem anderen Grund als deine Mutter getan hast.", die geschwungenen Lippen meines Vaters pressten sich zu einer schmalen Linie, während er sich von seinem Platz erhob und auf meine Bettkante setzte.

Ich verfolgte jeder seine Bewegungen, achtete auf seine Haltung und konzentrierte mich auf die Wörter, die er aussprach: „Aber-", setzte ich an um mich selbst hinunter zu reden, meine Fehler einzugestehen, doch würde ich von Dean mit einem strengen Blick zum Schweigen gebracht.

„Layla hat mich betrogen, weil sie mich nicht mehr liebte oder vielleicht auch nie geliebt hat. Mit ihren Lügen hat sie versucht ihren eigenen Hintern zu retten, weiterhin die Vorteile ihres Lebens auszukosten indem sie bei einem Kerl blieb, der ihr die Welt zu Füßen legte. Du dagegen hast gelogen, um einer anderen Person zu helfen, sie zu schützen.", der gewachsene Mann vor mir griff nach meiner Hand, sah mir mit wässrigen Augen entgegen und setzte ein schlechtes statt rechtes Lächeln auf seine Lippen.

„Wahrscheinlich hätte ich dir zuhören sollen, bevor ich dich verurteile. Ich war ein Vollidiot und hoffe, du kannst mir irgendwann verzeihen, Bay.", fassungslos, mit leicht geöffneten Mund sah ich meinen Erzeuger an, welcher jedes seiner Worte ernst meinte. Dabei hatte ich doch gelogen, alle hinters Licht geführt und den Mist gebaut.

Ich räusperte mich, versuchte nicht noch sentimentaler zu werden und pustete mir eine meiner braunen Strähnen aus dem Gesicht: „Könnten wir es bitte darauf beruhen lassen, es einfach vergessen?", hörte ich meine eigene gebrochene Stimme fragen.

„Natürlich, wenn du das so willst.", versicherte mir mein gegenüber und schloss mich sanft in seine Arme, um mir ja keine Schmerzen zuzufügen. Verdammt seien die Verbände, Gipse und meine eigene Dummheit mich immer wieder in Mist zu stürzen.



Not the truthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt