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Ich war wach, hörte und verstand alles, konnte aber keine Antwort geben, da sich mein Körper wie gelähmt anfüllte in dem viel zu großen Bett. Wenn ich in der Wohnung von meinem Vater gewesen wäre, so hätte ich jetzt wahrscheinlich neben Damien gelegen, die Zeit mit ihm genossen und vergessen, was für ein schrecklicher Mensch ich doch bin.

Selbstzweifel, Verachtung mir selbst gegenüber und eine unglaubliche Leere machte sich in mir breit, ließ mein Herz schwer unterhalb meines Brustkorbes schlagen. Lügnerin.

Allein die Erkenntnis, dass mein Erzeuger, welchen ich erst seit wenigen Monaten kannte, meine Fassade durchschaut hat und mich nun verhöhnte genügte, um mich in der Erde vergraben gehen zu wollen. Kurz wünschte ich mir, ich wäre bei den Kämpfen draufgegangen.

Die Zimmertür wurde leise geöffnet, Schritte waren zu vernehmen und dann spürte ich eine Anwesenheit neben meinem Krankenbett, die ich in den letzten Wochen lieben gelernt hatte. Nur wusste ich nicht, ob ich Damien noch meinen festen Freund schimpfen durfte oder nicht.

Es musste schon weit über Mitternacht hinaus sein, denn ins Zimmer fiel nur der Schein des Mondes, weshalb es mich wunderte, dass die Sahneschnitte hier war. Die Besucherzeit endete um zweiundzwanzig Uhr. Was tat er also hier?

Ich wollte gerade ansetzten, meinen Mund zu öffnen und zu versuchen zu sprechen, da spürte ich schon eine warme Hand über meiner, welche meine kühlen Finger umgriff und die Leere in meinem Körper mit Geborgenheit füllte. So kitschig dies auch klang.

Damien zog sich einen der Stühle vom Rand des Zimmers ans Bett und zog mit seinen langen, schlanken Fingerkuppen sanfte Kreise über meine blasse Haut: „Oh Bay, was bist du nur für eine Chaotin.", murmelte er, presste seine vollen Lippen auf meinen Handrücken und entfernte sein Gesicht dann wieder von meinem zierlichen Körper, der in diesem Bett total unterging.

In dem Moment wurde mir klar, dass er denken musste, dass ich schlief. Mein irgendwie noch immer aber irgendwie auch nicht mehr Freund war alles, doch kein Typ der sentimentalen sowie vielen Worte. Der Adonis neben mir ließ lieber Taten für sich sprechen.

Er seufzte: „Ich wollte mit dir Schluss machen, weil ich so wütend auf dich war, doch dann musste ich daran denken, dass du die einzige Person bist, die mich glücklich macht. Bay, du machst mich wirklich glücklich, also werde endlich gesund und lass die Ärzte wissen, dass du Besuch empfangen möchtest. Ich kann mich nicht immer nachts in dieses Gebäude und an dem Personal vorbei schleichen. Ich bin nicht Superman.", ohne seine Gesichtszüge sehen zu können wusste ich, dass er schmunzelte. Wir beide wussten, dass ich Superhelden klasse fand.

Ich war gerade in die dritte Klasse gekommen, da entdeckte ich im hintersten Regal der Schulbibliothek die verschiedensten Comics und die coolsten Superhelden überhaupt. Ich wurde zu einem regelrechten Junkie was Comichefte anging.

Mit aller Kraft und Konzentration die ich aufbringen konnte tat ich es ihm gleich und strich so wie er mir über seine erhitzte Haut. Zwar fuhren Milliarden Schmerzimpulse durch meinen Körper, doch den Schmerz war es mir Wert um Damien ein einziges Mal wieder nahe zu sein. Immerhin lag ich schon mehrere Tage in dieser Bruchbude und hatte keinerlei Besuch genehmigt.

Die Angst, angeschrien und erneut den verachtenden Blicken meiner Freunde entgegen sehen zu müssen, war zu groß gewesen. Doch jetzt hier, war es schön, eine Person bei sich zu haben, die einem Liebe und keinerlei Verachtung für Vergangenes entgegen brachte.

„Du machst mich auch glücklich.", krächzte ich mit gebrochener Stimme, während ein Husten sich meine Kehle hinauf kämpfte. Meine Glieder taten vom Liegen weh, mein Rachen brannte vom wenigen Sprechen mit den Ärzten und mein Kopf dröhnte von der stets herrschenden Stille.

Gerne hätte ich mich bewegt, mir die Beine vertreten, doch war eines von denen in eine dicke Schicht Gips einbetoniert worden, genauso mein Nacken und linker Arm. Wie mein Gesicht nach dem Kampf ausgesehen haben muss will ich lieber gar nicht wissen, immerhin sprachen die offensichtlichen Verletzungen für sich. Da wollte ich die Feinheiten gar nicht erst sehen.

„Du bist wach?", fragte Damien mit gedämpfter Tonlage und umgriff meine Hand fester, legte nun auch noch seine freie hinzu. Ich schnappte nach Atem bevor ich nach der winzigen Fernbedienung tastete und das Bett hinauf fuhr. Ein Wimmern entfuhr meinen Lippen, als sich mein Rücken durchstreckte und meine Muskulatur begann zu protestieren. Zur Hölle, hätte ich nicht einfach krepieren können?

„Mehr oder weniger.", stieß ich hervor, kniff die Augen fest zusammen und erleuchtete das kahle Zimmer mit dem gelblichen Licht der Nachtischlampe. Zu viel Bewegung, eindeutig.

Meinen Oberkörper zu Damien drehend spürte ich auf einmal Arme um mich, Lippen an meiner Stirn und etwas feuchtes, dass auf meine Wange tropfte und diese hinunter lief. Wollige Wärme machte sich in meiner Magengegend bemerkbar, Gänsehaut breitete sich auf mir aus und ließ die feinen Härchen empor stehen.

„Mach so einen Scheiß nie wieder, hörst du?", sprach Damien in einem Ton mit mir, der mehr sagte als tausend Worte. Es gab viele Arten seine Liebe zur Schau zu stellen, viele Worte, die nicht immer mit Ich liebe Dich zusammen hangen. Ein einfaches Fahr vorsichtig oder Pass auf dich auf genügte. In diesem Fall waren die Wörter nicht ganz so romantisch, dennoch mehr als effektiv.



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