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Als ich das Industriegebiet erreichte sprang ich von meinem Board ab und sah mich suchend um. In einer der dunklen Ecken sah ich einen Mann der stark nach Security aussah weshalb ich mich geradewegs auf ihn zubewegte und erst stehen blieb als uns noch wenige Meter trennten.

Fragwürdig runzelte er die Stirn und checkte mich von unten bis oben aus ehe er die Schultern straffte und mich argwöhnisch betrachtete: „Püppchen, das ist kein Ort für dich.", aus seiner Stimme war der Hohn nicht zu verkennen und abermals an diesem Tag schnaubte ich.

„Wo ist der nächste Kampf, Hulk?", zugegebenermaßen mochte ich es andere Menschen zu provozieren weshalb ich es mir einfach nicht verkneifen konnte ihm einen neuen Spitznamen zu geben.

Der breitschultrige Kerl vor mir baute sich auf und zischte in einem bedrohlichen Ton: „Hör zu Kleine, dies ist keine Gegend für dich. Geh und spiel wieder mit deinen Puppen."

Mir eine Strähne aus dem Gesicht pustend trat ich näher an den braungebrannten Latino. Kurz schien er verwirrt zu sein, doch fing er sich schnell wieder und lachte auf: „Willst du mir Angst machen, Kleine? Du bist doch nur ein Mädchen."

Wütend über seine sexistische Aussage vergas ich vollkommen, dass ich aufhören wollte andere zu verprügeln und hatte innerhalb weniger Millisekunden meine Fußsohle in seinem so schon hässlichen Gesicht. Ein Keuchen entkam ihm ehe er sich seine blutende Nase hielt.

„Ich frag noch einmal; Wo ist der nächste Kampf?", hart schluckend öffnete er die Tür hinter sich und trat zur Seite. In seinen Augen schimmerte Angst genauso wie Respekt auf was mich lächeln ließ.

Ich stellte meine Tasche und das Skateboard neben ihm ab und deutete ihm darauf aufzupassen. Mit rasendem Herzen trat ich anschließend in den gräulichen Gang. Meine Schritte hallten an den Wänden wieder was meine Kopfschmerzen nur noch mehr verstärkte, doch ich ignorierte es und stieß die hinterste Tür auf aus welcher ein lautes Stimmengewirr drangen.

Stickige Luft kam mir entgegen und der Duft von Rauch und Schweiß stieg mir in die Nase welche ich kurz darauf rümpfte. Es war ein abscheulicher Gestank in diesem engen Raum gefüllt mit dutzenden Männern, doch schwieg ich und scannte ihn weiter nach einem bestimmten ab.

Als ich diesen fand ging ich auf ihm zu und nahm ihm seine Liste ab: „Hey.", murmelte ich als Begrüßung ehe ich wieder meinen Blick aufrichtete und den perplexen Mann ende fünfzig ansah. Fragend hob ich die Augenbrauen.

„Ist etwas?", fragte ich unschuldig lächelnd, doch der ältere Mann schüttelte nur den Kopf und zeigte mit seinem Finger auf die Bank wo die anderen Kämpfer saßen.

Vor längerer Zeit, um genau zu sein kurz vor dem Brand im Internat, hatte ich mir geschworen aufzuhören, normal zu werden und mich auch dementsprechend zu verhalten, nur lag mir dies nicht so da mir der Reiz und das Adrenalin fehlten.

„Was macht ein kleines Mädchen wie du hier?", spottete ein breitgebauter Kerl neben mir und funkelte mich durch seine grünen Augen herablassend an. Ich ignorierte ihn und beobachtete, wie der Mann bei welchem ich mich angemeldet hatte in den Boxring kletterte.

Er machte seine Ansage und nach und nach traten gegeneinander die einzelnen Kämpfer an. Es war mir unangenehm ihnen dabei zuzusehen, wie sie verprügelt wurden, doch blieb mir nichts anderen übrig wenn ich heute Nacht noch eine heiße Dusche und ein warmes Bett wollte.

Truth und Devil.", als ich meinen ausgedachten Namen hörte erhob ich mich von der unbequemen Bank und stolzierte leichtfüßig hinüber zum Ring in welchen ich ohne weitere Probleme stieg. Man hörte einige Pfiffe, Buh-Rufe und Klatschgeräusche welche ich allerdings ignorierte da mein Gegner ebenfalls den Ring erreicht hatte.

Es war ein Junge, etwas älter als ich mit schwarzen Haaren und blau-grünen Augen. Er runzelte die Stirn als er mich sah, legte anschließend aber ein charmantes Lächeln auf und sagte in einem arroganten Ton: „Dich mach ich ja mit links fertig."

Das Startsignal ertönte und der Typ vor mir machte den ersten Fehler indem er mich gleich Angriff. Ich wich geschickt aus, holte mit meinem Ellenbogen aus und rahmte ihm diesen in die Seite. Ein Keuchen entkam seiner Kehle und hasserfüllt blickte er mich an ehe er erneut auf mich losging.

Als der Kampf endete musste ich leicht grinsen. Im Gegensatz zu ihm hatte ich lediglich einen kleinen Kinnhaken abbekommen, er dagegen sah demoliert und fast schon krankenhausreif aus. Ich zwinkerte ihm ein letztes Mal zu ehe er aus dem Ring transportiert wurde um verarztet zu werden.

Der Mann welcher die Wetten abschloss kam zu mir und hielt meinen Arm in die Höhe: „Gewinner oder in diesem Fall Gewinnerin: Truth."

Mir wurde ein Haufen an Geld in die Hand gedrückt welches die anderen Anwesenden auf mich gewettet hatten und nickend verabschiedete ich mich. So schnell wie es nur ging wollte ich von hier weg, denn um ehrlich zu sein plagte mich ein schlechtes Gewissen.

Wieder hatte ich einen Menschen verletzt, wieder hatte ich einen Menschen verprügelt und wieder hatte ich das Gefühl von Macht verspürt.

Not the truthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt