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Ich versuchte ruhig zu bleiben, meine Atmung nicht zu beschleunigen und das Zittern meiner Hände zu unterdrücken. Meine Augen verfingen sich immer und immer wieder mit denen von Samuel, welche mich mit solch einem Missmut betrachteten, dass ich Angstzustände bekam. Würde er vor den anderen etwas sagen, gar sich rächen wollen?

Den gesamten Abend wurde ich das ungute Gefühl nicht los, dass wir miteinander reden mussten. Unser letztes aufeinander treffen war mittlerweile gut zwei Jahre her, doch war es nicht sonderlich fröhlich für ihn verlaufen, da er mit mehreren Rippenbrüchen, einer gebrochenen Nase und einer schweren Gehirnerschütterung ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Meinetwegen.

Die Erinnerung daran, dass ich einen Menschen beinah zu Tode geprügelt hatte, ließ die Galle meine Speiseröhre hinauf kommen und mich schwer schlucken.

Ich schlug die Decke von meinen Beinen, welche Ben uns vor einigen Stunden drüber gelegt hatte, stand auf und kratzte mich verhalten am Nacken: „Ich gehe mir die Füße vertreten.", verkündete ich für meine Verhältnisse recht zurückhaltend, ehe ich tat was ich zuvor noch gesagt hatte und in Richtung See ging, welcher nicht alt zu weit weg sein durfte, immerhin konnte man das Plätschern klar und deutlich hören.

„Ich komme mit.", erklang die Stimme, die ich am wenigsten hören wollte nach einem gewissen zögern und meine Muskulatur verspannte sich. Der breitgebaute Kerl mit den tätowierten Armen, welcher wegen mir fast verstorben war, erhob sich ebenfalls, schlug den imaginären Staub von seinen ausgewaschenen Jeans und schritt leichtfüßig auf mich zu.

Mein Blick huschte hinüber zu Damien, welchem diese Situation ganz und gar nicht zu passen schien. Sein so schon markanter Kiefer spannte sich an, seine Augenbrauen zogen sich zusammen und seine stechend blauen Augen blitzten zornig auf. Zu gerne hätte ich gewusst, was er dachte, wenn er mich und Samuel zusammen sah.

Ohne auf eine weitere Antwort von den verbleibenden Anwesenden zu warten zog mich der genannte mit sich, nicht grob, dennoch bestimmend: „Ich denke, wir sollten reden.", seufzte er ermüdet als wir an dem See ankamen, welcher lediglich durch den Mond beschienen wurde.

Grillen zirpten, ein heftiger Windstoß traf auf mich und mein Körper erzitterte: „Es tut mir leid.", sagte ich nach einiger Zeit des Schweigens mit gebrochener Stimme. Meine Knie fingen ebenso an zu zittern und schwerfällig ließ ich mich neben den braunäugigen ins knöchelhohe Gras gleiten.

Eine Mischung aus Schnauben und Lachen drang aus der Kehle meines Sitznachbarn und mit einem sachten Hieb in meine Rippen sah er zu mir hinab, wieder war ich kleiner als mein Gegenüber: „Macht nichts, ich denke es war mehr mein Stolz der verletzt war."

Die beschwichtigenden Worte aus seinem Mund zu hören beruhigte mich, dennoch wurde ich das Gefühl nicht los, dass hinter diesem Gespräch noch mehr steckte als wir uns eingestehen wollten.

„Du und Damien also?", erkundigte sich Samuel mit einem kecken Grinsen auf den Lippen und fragend zog ich meine Brauen empor. Was auch immer zwischen mir und der Sahneschnitte war, es konnte gar nicht so offensichtlich sein, dass es selbst seine Freunde merkten.

„Ich weiß nicht, was du meinst.", entgegnete ich stumpf, pustete mir einige Strähnen meines braunen Haares aus dem Gesicht und verschränkte die Arme vor der Brust, da es doch kälter war als anfangs gedacht. Verdammt, schon jetzt vermisste ich die Decke und die unauffällige Körpernähe zu Damien, welcher den ganzen Abend an meiner Seite gestanden hatte.

„Sei nicht so naiv, Bay. Der Junge hat einen Narren an dich gefressen, das weiß ich nicht nur, weil er ständig von dir redet, sondern auch, weil sein Zorn gerade eben für sich gesprochen hat. Ihm passt es nicht, dass ich hier mit dir sitze und er bei den anderen ist.", nachdenklich krauste sich meine Stirn und die Grashalme zwischen meinen Fingern schien augenblicklich viel interessanter zu sein als zuvor. Stimmte es, was Samuel da sagte, war Damien eifersüchtig?

Mein Kopf fing wie so oft an zu dröhnen und entschlossen schüttelte ich den Kopf: „Was auch immer zwischen mir und ihm ist, es ist weder von Bedeutung noch etwas, dass in Zukunft zu etwas festen werden könnte. Ich bin nicht in der Lage jemanden an mich heran zu lassen und er ist für mich wie ein verschlossenes Buch mit sieben Siegeln."

Den Dreck von meinem Hintern schlagend stand ich auf, es war ein schönes Gefühl zu wissen, dass die Fronten zwischen Samuel und mir geglättet waren, doch ging mir dieses Thema zu weit unter die Haut, dass ich es einfach mit einem mir fremden Jungen bereden konnte.

Schweigen regierte als wir uns den Weg durch den Wald bahnten um wieder zu seinen Freunden zu gelangen: „Kämpfst du noch?", durchbrach erneut der braunhaarige diese Stille und ließ mich schockiert inne halten. Mit allem hatte ich gerechnet, doch das er gleich so direkt war was meine und auch seine Vergangenheit anging, war mehr als nur ein wenig überraschend für mich.

Mit einem gequälten Ausdruck auf dem Gesicht nickte ich. Jeder Mensch trug Lasten mit sich, meine war das Kämpfen. Es war für mich wie eine Sucht welche ich nicht unterbinden konnte, es war mein Lebenssinn in dieser beschissenen Welt in der ich niemanden hatte.


Not the truthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt