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Mein Kopf dröhnte, mein Magen rebellierte und alles in mir sträubte sich gleich auf die Freunde von Damien und Ben zu treffen. Das besagte Wochenende hatte begonnen an welchem wir Zelten wollten und extra für diesen Anlass hatten die Jungs sich den verrosteten VW Bus von Logan ausgeliehen.

Blondchen lud gerade die Schlafsäcke sowie sie Kisten mit Getränken aus währenddessen ich an der schäbigen Klapperkiste lehnte und mich ein wenig umsah. Viel gab es nicht zu sehen, immerhin waren wir in einem Wald, dennoch konnte ich einige Vögel ausmachen wie sie auf den hohen Baumkronen ruhten und unser Tun beobachteten.

„Soll ich wirklich nicht helfen?", erkundigte ich mich als ich das verdächtige Keuchen von Ben vernahm. Ihm waren die Kisten auf Dauer zu schwer, dennoch war er zu stur um sich von einem Mädchen helfen zu lassen, dabei war ich um so vieles stärker als ich aussah.

Da er erneut mit dem Kopf schüttelte schnaubte ich lediglich und zog die Ärmel meines Pullovers über die Hände, sodass meine Arme verdeckt waren und mich eine angenehme Wärme umgab. Wenn ich in der Wohnung meines Vaters war konnte ich Shirts ohne längere Ärmel tragen, immerhin kannte Damien das Bild welches meine Unterarme boten, doch in der Öffentlichkeit war es mir noch immer unangenehm.

„Wie viele Freunde von euch sind mit dabei?", fragte ich in die Stille hinein, da mir mehr als nur ein wenig langweilig war. Ich war gerne in der Natur, damals immer mit Meister Han, solange ich eine Beschäftigung hatte und nicht nur dumm herum stand. Verdammt, sah ich so schwächlich aus?

Aus meinen Gedanken wurde ich erst gerissen als sich eine gewisse Person räusperte und mir auffordernd die Hand entgegen streckte. Mein Blick haftete an dieser und wieder frage ich mich, was dieses Verhalten bezwecken sollte. Erst suchte er meine Nähe, aber sobald sich jemand zu uns drehte schien es so, als sei ich ihm vollkommen fremd.

Trotz dessen, dass sich ein bestimmter Teil in mir weigerte auf seine Spielchen einzugehen, ergriff ich seine Hand und verschränkte unsere Finger miteinander. Sein Daumen zeichneten imaginäre Kreise auf meiner blassen Haut während zwischen uns ein Schweigen herrschte, welches ich gerne gebrochen hätte, doch fehlten mir die Worte dazu.

Die Äste und Blätter von den Bäumen knisterten unter unseren Schritten, aus der Ferne waren Stimmen zu vernehmen und angesichts der Tatsache, dass ich in wenigen Sekunden die Freunde von zwei Knackärschen kennen lernen würde, packte mich die Nervosität.

„Sie werden mich hassen.", nuschelte ich leise vor mich her, verstärkte den Griff um die Hand von dem schwarzhaarigen und atmete ein letztes Mal durch, ehe ich mich durch ein Gebüsch drängte und auf einer mit Blumen bewachsenen Wiese angelangte.

„Werden sie nicht.", beschwichtige mein Begleiter mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen, ließ mich los wie ich es schon erwartet hatte und ging voran zu seinen Freunden, welche uns allem Anschein nach schon sehnsüchtig erwartet hatten. Ganz klar, ich war das fünfte Rad am Wagen.

Die Jungs schlugen einander ein und erst bei näherem Betrachten der Situation fiel mir auf, dass ich das einzige Mädchen umgeben von insgesamt fünf heranwachsenden Männern war. In was war ich da nur wieder hinein geraten?

„Jungs, das ist Bay, sozusagen unser Schützling.", bei der letzten Bemerkung von Ben stieß ich ihm meinen Ellenbogen fest in die Rippen. Zu gerne hätte ich ihm davon erzählt, dass ich illegale Kämpfe betrieb und bei diesen meist gewann, doch wenn ich dies tun würde, so müsste ich ihn in meine gesamte Vergangenheit einweihen und dies war nicht der Plan für die kommende Zeit.

Ein Asiate trat vor und reichte mir seine Hand: „Ryo.", stellte er sich einsilbig vor und stumm nickte ich, mein Name wurde ja bereits erwähnt von dem Spaten neben mir. Der Nächste von den drei Fremden trat hervor und begrüßte mich ebenso redegewandt wie sein Vorgänger: „Evan."

Der blond fast schon weißhaarige Kerl welcher mich um gut zwei Köpfe übertrumpfte trat beiseite und gewährte mir so Sicht auf den dritten und letzten im Bunde. Mein Gesicht wurde aschfahl und ich merkte wie mir die Galle hoch kam.

Ich blinzelte einige Male, hoffte ich hätte mich getäuscht, doch der Junge vor mir blieb unverändert und schien mich ebenfalls wieder zu erkennen. Seine Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie, seine dunklen Augen funkelten missmutig auf und seine Haltung verspannte sich, genauso die meine.

„Samuel.", bei dem Klang seiner harschen Stimme zuckte ich unmerklich zusammen. Verdammter Mist, wieso musste gerade mich meine Vergangenheit einholen?

Erst schickte mir der Hausmeister meines ehemaligen Internates der gleichzeitig mein Trainer in Sachen Nahkampf war ein fragwürdiges Paket, wobei ich ihm nie habe meine neue Adresse zu kommen lassen, dann wollten alle aus mir Informationen hinaus quetschen, die sie nichts angingen, und nun stand ich vor einem Kerl, den ich nie wieder sehen wollte.


Not the truthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt