„Wieso bist du bei ihm geblieben?", fragte ich gerade heraus, als mein Onkel sowie meine kleine Cousine die Küche verlassen hatten, Amanda. Diese schien keineswegs über meine direkte Frage verwundert, denn sie lächelte mir matt entgegen und räumte den letzten sauberen Teller aus der Spülmaschine in den Schrank.
„Wieso hätte ich ihn verlassen sollen?", stellte sie eine Gegenfrage, die ich absolut nicht nachvollziehen konnte. Meine Zähne bohrten sich in meine Unterlippe und ein merkwürdiges Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. Worauf wollte sie hinaus?
„Er hat dich betrogen.", verwirrt zogen sich meine Brauen kraus während ich beobachten durfte, wie meine Tante leicht anfing zu lachen und sich die Hände am Geschirrtuch rieb um die letzten Tropfen Wasser von ihrer Haut zu entfernen.
Es war Samstagnachmittag, Olivia hatte mich gebeten ihr bei den Hausaufgaben zu helfen und Amanda hatte darauf bestanden, dass ich schon früher kommen müsse um mit der gesamten Truppe zu Mittag zu essen. Welch eine Freude, wenn man bedachte, dass ich Sean nicht mehr in die Augen sehen konnte.
„Ich wollte ihn verlassen, war eigentlich schon weggegangen. Aber eines Nachmittags war ich ganz allein im Haus. Ich habe angefangen mir all die Fotos anzusehen. Von Olivia, ihm und mir. Wir waren eine Familie, Bay. Und in diesem Augenblick hab ich erkannt, dass das für mich immer das wichtigste auf der Welt sein würde. Ich konnte nicht von zu Hause weg gehen.", ihre Stimme klang belegt während die wunderschöne Brünette mir gegenüber näher trat und meine Hände in ihre nahm. Sie waren warm und geborgen, während meine sich wie Eiszapfen anfühlten.
„Also hast du einfach die Augen verschlossen, ja?", ein Schnauben entkam meiner Kehle und mit dem Kopf schüttelnd sah ich zur Seite. Sie konnte ihrem Mann doch nicht einfach verzeihen, er war ihr mit einer anderen Frau fremd gegangen.
Amanda seufzte, legte Zeige-und Mittelfinger unter mein Kinn und dirigierte meinen Kopf wieder in ihre Richtung, sodass ich nicht anders konnte als ihr in die moosgrünen Augen zu blicken: „Nein. Ich habe mich dafür entschieden bei ihm zu bleiben, wegen all der Dinge, die er richtig gemacht hat. Und ihn nicht zu verlassen wegen dieser einen Sache die er falsch gemacht hat.", sprachlos öffneten und schlossen sich meine Lippen.
Aus dieser Sicht der Dinge hatte ich das ganze Szenario gar nicht betrachtet. Ich hatte nur gesehen, was ich sehen wollte, das Sean ein verlogener Betrüger war, der seine Frau betrogen hatte, dabei hatte er nur einen simplen Fehler gemacht und sich über kurze Zeit einer anderen Frau begnügt.
„Hast du keine Angst, dass er es wieder tut?", entkam mir die Frage schneller als sie durchdacht war und das Gesicht meiner Tante wurde aschfahl. Sie neigte den Kopf.
„Doch. Jeden Tag aufs Neue.", sie atmete tief ein, setzte ihr übliches Lächeln auf und strich mir wie eine liebende Mutter über die Wange, „Aber ich liebe diesen Mann und weiß, dass er genauso empfindet. Sean und ich haben uns früh kennen und lieben gelernt, Bay. Nach so langer Zeit in Zweisamkeit kehrt irgendwann der Alltag ins Leben, man vergisst die Kleinigkeiten zu schätzen und sich jeden Tag ein wenig Liebe zu spenden. Mein Mann ist nicht fremd gegangen, weil er mich nicht mehr liebte, sondern, weil ihm die Abwechslung fehlte."
„Und Layla hat ihm diese geboten.", vollendete ich ihre kleine Rede und musste mit der aufkommenden Übelkeit kämpfen. Wenn Amanda nicht so stark gewesen wäre um meinem Onkel zu verzeihen, würde meine Mutter für das Scheitern einer Ehe verantwortlich sein.
„Richtig, aber lass uns jetzt nicht weiter in der Vergangenheit herumstochern. Ich habe noch Kuchen im Vorratsraum stehen, der darauf wartet, gegessen zu werden.", verkündet die Ballettlehrerin für kleine Gören feierlich und löste sich aus unserem recht nahem Beisammensein.
Auch wenn ich noch viele Fragen hatte, ließ ich diese gedanklich fallen und konzentrierte mich lieber auf die Tatsache, dass meine Tante mit meinem Onkel glücklich schien. Die beiden liebten sich, trotz Zerreißproben und Hindernissen. Ob es bei mir und Damien auch so sein würde?
Mittlerweile war ich zwar schon ganze zwei Wochen wieder aus dem Krankenhaus heraus, doch wirklichen Kontakt zu meinem irgendwie immer noch aber irgendwie auch nicht mehr Freund hatte ich kaum, auch wenn ich ihn zu gerne gewollt hätte.
Es war fast so, als würde er mich meiden, als hätte ich in seinen Augen die Pest, wobei er derjenige gewesen war, der nachts in mein Krankenzimmer gekommen ist. Niedergeschlagen von der Sehnsucht nach seinen Umarmungen und seiner Nähe nahm ich das Kuchenstück, das Amanda mir reichte, entgegen.
*Zitate aus dem Film Für immer Liebe enthalten
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Not the truth
Storie d'amore»Du hast uns über Monate hinweg angelogen.« »Was hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon zu verlieren? Ich hatte keine Familie, mein Selbstwertgefühl war für den Arsch und ich konnte einem Mädchen helfen, dass es nötiger hatte als ich in der Gesellschaf...