Ich hatte jeden meiner Schritte genau voraus geplant, wusste, was ich wann sagen wollte, und wie ich es sagen wollte, doch gerade als ich die Glastür zur Werkstatt aufstieß, mit dem Gedanken, mein Leben habe endlich die richtigen Fugen gefunden, war mein Kopf wie leer gefegt.
Ein monströser Kloß bildete sich in meinem Hals, Galle stieg mir die Speiseröhre hinauf und alles um mich rum begann sich zu drehen. Mein Blick fixierte das rothaarige Mädchen. Das Mädchen, das ich nie wieder sehen wollte, mit dem ich eine Vereinbarung getroffen hatte.
Als würde die Tatsache nicht genügen, dass Sophie hier stand und mich aus ihren braunen Augen aus ansah, war auch noch die gesamte restliche Truppe versammelt, sodass ich dachte, ich wäre in der Pannenshow. Soviel zu; Mein Leben habe endlich die richtigen Fugen gefunden.
„Bay, hallo.", begrüßte mich meine ehemalige Zimmergenossin vom Internat mit einem schwachen Lächeln, trat einen Schritt auf mich zu, doch ich wich zurück. Missgunst musste mir im Gesicht gestanden haben, denn ihre porzellanartige Gestallt fuhr zusammen.
„Bay-", setzte sie an, zu erklären, was sie hier täte, doch ich schüttelte den Kopf und unterbrach sie in einem eisigen Ton, den ich seit Wochen nicht mehr benutzt hatte. Die Anwesenheit der anderen jagte mir eine panische Angst ein und kalter Schweiß brach auf meiner Stirn aus.
„Wir müssen reden. Jetzt. Draußen.", als ich die wenigen Worte sprach, zitterte meine Stimme so verräterisch, dass selbst ein Blinder gemerkt hätte, dass ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand. Zur Hölle, wieso tauchte diese Göre genau dann auf, wenn mein Leben gerade Berg auf ging?
Dean warf mir einen Blick zu, der alles sagte, alles wusste und auch wenn Sophie es noch nicht mit einer Silbe erwähnt hatte wusste ich, dass sie geplaudert hatte, dass sie all meine Lügen zu Nichte gemacht hatte. Solch eine Verräterin, dabei ging es die ganze Zeit nur um ihren verhätschelten Hintern.
Als wir aus der Werkstatt traten, umfasste mich augenblicklich der kalte Luftzug und ich wünschte mir, nie hier her gekommen zu sein. Sei es jetzt gerade in diesem Moment oder vor einigen Monaten, wo mein ehemaliger Stiefvater mich hat hier ausgeliefert als sei ich ein Paket.
„Du machst alles kaputt!", sagte ich den ersten klaren Gedanken gerade heraus, der mir in den Sinn kam. Sophie betrachtete mich mit solch einer Reue in den dunklen Augen, das mein Herz ein Hüpfer machte und ich am liebsten die tröstende Rolle der Freundin übernommen hätte. Doch ich musste hart bleiben, sie spüren lassen, dass es ein Fehler war, hier her zu kommen.
„Ich wollte nicht mehr Lügen, Bay. Mir ist klar geworden, dass du in den letzten sieben Monaten mehr Last auf dir getragen hast, als ich in den siebzehn Jahren meines Lebens. Es tut mir leid, hörst du? Es tut mir leid, dass ich dich als Sündenbock benutzt habe, dass ich dich die Schuld auf sich nehmen lassen habe. Wenn du mich hasst, würde ich es sogar verstehen. Ich habe mich wie ein verzogenes Püppchen benommen und alles dafür getan, um in den gewünschten Rahmen meiner Eltern zu passen. Gott, ich verachte mich selbst!", schimpfte die rothaarige gegen Ende verachtend und schnaubte, ehe sie den Blick vom Boden hob und mir direkt in die grünen sah.
Tränen bildeten sich in meinen Augen. Ich dachte an die Albträume, welche ich dank ihrer Taten hatte, an die verachtenden Blicke der anderen Mitschüler und der Lehrer, weil sie alle davon ausgegangen waren, dass es die böse allein gelassene Bay war, die das Feuer entfacht hat.
Doch genauso, wie ich Sophie die Schuld an der ganzen Situation gab, bekannte ich auch meine Fehler. Ich hatte mich selbst zum Sündenbock gemacht, indem ich mich nicht gewehrt hatte, indem ich still schweigend zugestimmt hatte, mich fertig machen zu lassen. Ich hatte die gesamten Qualen auf mich genommen, um einem Mädchen zu helfen, das diese Hilfe bitter nötig hatte. Sie wäre ohne mich aufgeschmissen gewesen.
„Geh.", zischte ich ruhiger als erwartet und ballte meine Fäuste vor Wut. Wut auf mich selbst, Wut auf Sophia sowie Wut auf alles und jeden in meiner Umgebung. Die Wut war mein Ventil, Frust, Trauer und alle anderen angestauten Empfindungen freien Lauf zu lassen. Doch ich wollte mir nicht die Blöße geben und aus der Haut fahren, es würde nur peinlich für mich enden.
„Ich sagte; GEH!", kreischte ich in einer ohrenbetäubenden Stimmlage, dass ich mich selbst an Holly Kingston erinnerte, das Mädchen, welches zu meiner Anfangszeit hier mit Abstand die netteste war, die ich dennoch abgewiesen hatte, weil sie mir zu mädchenhaft war. Ich Miststück.
Bevor Sophie aus meinem Blickfeld trat und ich in Tränen ausbrach lächelte sie mich ein letztes Mal traurig an und sagte die Worte, die alle Dämme in mir zum Einsturz brachten: „Es tut mir so unendlich leid, Bay."
Schlechte Zeiten ziehen für Bay auf..
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Not the truth
Romance»Du hast uns über Monate hinweg angelogen.« »Was hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon zu verlieren? Ich hatte keine Familie, mein Selbstwertgefühl war für den Arsch und ich konnte einem Mädchen helfen, dass es nötiger hatte als ich in der Gesellschaf...