57. Kapitel

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Der Lichtschein der Café-Lampen fiel auf uns herab, als es langsam dunkel wurde. Es war Ende Herbst und die Sonne verabschiedete sich schneller von uns. Jedoch Lauria und ich bemerkten es kaum. Wir waren in die Art von Gesprächen vertieft, die ich seit Ewigkeiten nicht mehr hatte. Und im Unterbewusstsein fühlte ich die Sehnsucht, die ich danach hatte. Kommunikation war keiner meiner größten Sorgen in den letzten Wochen gewesen, doch momentan war sie meine Rettung. Es waren die Gespräche, die so interessant waren, dass man nicht will, dass der Tag zu Ende geht und mit ihm das Gespräch. Und noch war das nicht so.
Gerade waren wir beim Thema Kindheit angelangt und obwohl ich jetzt meine Eltern erwähnte, tat es nicht so weh, wie es es sonst tat. Es schien, als ob, seit dem Moment, an dem ich eine Bandage um meine Hand bekommen hatte, gleichzeitig auch eine auf meinem Herzen gelandet war, die es zusammenhielt und mich beinahe sorgenlos machte. Ich war nie die Art von Menschen gewesen, die oft lange, emotionale Reden gab oder hörte, aber hier war ich nun und ich kostete es voll aus.
»Meine Mutter Meredith, mein Vater, Juliana und ich, wir hatten lange eine unbeschwerte Phase in unserem Familienleben. Wir hatten unser eigenes Baumhaus. Juliana und ich übernachteten dort fast jede Nacht im Sommer und redeten über das unendliche Universum, als wir kleiner waren.«
Ein Schimmern in ihren Augen malte mir ein Bild vor Augen. Kleinere Versionen von Juliana und ihr, wie sie hinauf in die Sterne schauten, Hände hielten und sich so unbesiegbar, wie Kinder es nun mal taten, fühlten. Der Gedanke an diese friedliche Zeit erwärmte mein Herz, auch wenn ich wusste, dass gleich die schwierige Phase ihres Lebens dran war.
So wie vorausgesagt, wurde Laurias Miene finsterer und sie sah einen Moment runter, bevor sie begann: »Ich glaub es war der Tag von Moms Beerdigung, an dem Juliana und ich uns einfach nicht mehr... verstanden. Wir hatten beide verschiedene Arten, ihren Tod zu verarbeiten. Und keine von beiden beinhaltete den Zusammenhalt der Familie. Und mein Vater hatte die Kraft, nach Moms Autounfall, nicht mehr, um uns beide zusammenzuraufen.« Sie machte eine Pause. Ihre Stirn runzelte sich und ihr Blick war starr auf die Tasse Kakao vor ihr gerichtet.
»Ich kenn's nur zu gut, Lauria. Sie mögen vielleicht nicht meine biologischen Eltern gewesen sein, aber sie waren und werden immer »Mom und Dad« für mich sein.« Ich nahm ihre Hand und drückte sie. Auch wenn ich es nicht mochte, so offen zu sein, verdiente Lauria das.
Lauria schaute hoch und lächelte, sichtlich berührt von meinen Worten.
»Ihr Tod ist zwar unvergesslich aber so wie uns Dramafilme das immer reinwürgen wollen: über sie zu trauern wäre umsonst, wir sollten uns über die Zeit freuen, in der wir sie hatten.«
Lauria nickte, ihr Lächeln würde ein wenig breiter bei meinen letzten Worten. »Es tut mir - «
»Was ist unsere Vereinbarung?« unterbrach ich sie mit mahnendem Finger.
Ihr Lächeln wurde zu einem Grinsen und sie schloss den offen gebliebenen Mund.
»Gut, wir sollten nun langsam mal los«, sagte ich nach einem Blick nach draußen. Ich drückte Laurias Hand noch einmal und stand auf um Bezahlen zu gehen.
Während meine Karte die Abrechnung bekam, sah ich kurz zu Lauria. Sie sah nach draußen. Ein plötzlicher Regen prasselte gegen die Scheiben und Lauria beobachtete ihn schmunzelnd. Ich hatte ihr bei unserem ersten Treffen einfach keine richtige Chance gegeben. Sie war echt nett. Die paar Stunden, die wir verbracht hatten, kamen mir wie Sekunden vor und ich hoffte nur, wir würde diese erhellende Stimmung beibehalten können. Sie schien das zu sein, was ich gerade brauchte: eine Freundin.
Der Mann hinter der Theke räusperte sich und ich zog meine Karte aus dem Bezahl-Ding, dessen Name ich vergessen zu haben schien.
Lauria erhob sich, als ich zu unserem Tisch lief und zusammen verließen wir das Café.
»Haben wir nun endlich den Wolf in dir gebändigt?« witzelte ich.
»Auf jeden Fall.«

Sobald wir mein Haus betreten hatten, packten wir all das Gekaufte aus. Ich hatte völlig über die neusten Probleme in meinem Leben vergessen, bis ich den Karton mit meinen Akten in der Ecke hinter dem Tisch sah. Das Obst in meiner Hand vergas ich dabei ganz. Erst als Lauria sich neben mich stellte und meinem Blick folgte, regte sich mein Verstand wieder.
Ich ging zur Theke und stellte die Orangen in den Obstkorb. Lauria kam mir nach und als ich mich umdrehte, stand sie vor mir. Ihre bittende Frage ins Gesicht geschrieben, sagte sie: »Erinnere dich an unsere Abmachung.«
Ich seufzte, lief zum Tisch und hob den Karton auf. Meine ersten Erfahrungen mit dem Ding regten bei mir Unbehagen. Lauria setzte sich nun hin, jedoch ich bevorzug es, stehenzubleiben.
Dann begann ich mit meiner Erklärung: »Es wurde gestern vor meiner Tür abgestellt, ich bin nicht sicher, wer es getan haben könnte. So viele mögliche Leute: mein Vater, Juliana, dieses Labor, wo Raphael und ich waren. Aber der Inhalt geht über mich. Vermutlich meine Adoptiveltern, haben Akte über mich geführt, wann ich von Werwölfen erfuhr und von ihnen ausgewählte Momente beschrieben, auch wenn ich kein Muster erkannt habe, gibt es sicherlich eins. Ich weiß nur nicht, ob ich mich jetzt damit herumschlagen will.« Lauria hatte, während ich gesprochen hatte, die oberste rausgeholt und geöffnet.
Jetzt sah sie konzentriert auf das Papier, blätterte alle paar Minuten und schien das vor ihr zu studieren. Ich beobachtete sie nur still. Ratlos, was ich sagen oder machen sollte.
Was brachten mir diese Informationen? Wie sollten sie mir helfen? Falls das überhaupt ihr Zweck war. Ich konnte mir eigentlich niemanden vorstellen, der es mir aus guten Absichten geschickt hatte.
»Taya, das ist echt seltsam. Wieso sollte man dir das schicken?« Lauria sah mich besorgt an.
Ich zuckte mit den Schultern. «Ich weiß es nicht. Es scheint nicht so, als ob es aus guten Gründen hierher kam. Vielleicht schickt das COS um mich verrückt zu machen.«
Lauria presste ihre Lippen aufeinander, ihre Stirn war gekraust, so als ob sie konzentriert rätselte, was es damit auf sich hatte.
»Tom hat sie mit meiner Hilfe ergattern können«, sprach plötzlich eine Stimme hinter mir. »Wir wollten dir Bescheid sagen, aber wir scheinen dich immer zu verpassen.«
Gerade als ich dabei war zu erkennen, wem die Stimme gehörte, sagte Lauria: »Hey, Dad.«

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 28, 2019 ⏰

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