51. Kapitel

828 46 2
                                    

Titel des Liedes: What Happened To Perfect
Original gesungen: Lukas Graham
Das Lied passt vom Lyrics nicht zum ganzen Kapitel und insgesamt nicht ganz zum Thema, aber ich finde es dennoch passend <3 Und übrigens versuche ich jetzt auch immer mehr die Beziehungen zu festigen, sodass man mehr nachempfinden und sich besser einfühlen kann.
------

Zum mindestens hundertsten Mal rannte der freundliche Tom auf mich zu. Ich wich nun beim ersten Mal, beim zweiten Mal und noch bei ein paar weiteren Angriffen mit den Messern aus. Doch dann ließ er das Messer in der Hand durch die Luft zischen, ich wollte ausweichen, stolperte und knallte gegen die Wand. Schnaufend sank ich an ihr herunter. »Pause.« Mein Ton duldete keinen Widerspruch. Tom hatte sich bei den weiteren Kämpfen nicht merkwürdig verhalten, geschweige denn seine Augen schwarz werden lassen, dennoch war ich ihm gegenüber nicht  vertrauenswürdiger geworden. Er verheimlichte etwas. Es war klar, dass er mir nicht all seine Geheimnisse sofort anvertraute, das tat keine normale Person. Besser war es, wenn ich überhaupt noch Zeit dazu hatte, es hinter seinem Rücken herauszufinden. Er war gefährlich. Aber in meiner Welt war das sowieso jeder, auf seine eigene, ganz bestimmte Weise. »Wir sollten morgen weitermachen. Bis dahin überdenke nochmal deine Strategien beim Kämpfen, hast es dringend nötig.« Tom ging mit vollem Egoschub und einem Grinsen aus dem Raum. Erst jetzt fiel mir auf, dass er... geheilt war. Er humpelte nicht mehr und auch beim Kämpfen hatte er keine Probleme gehabt, doch er schien vor unserm ersten Kampf noch verletzt. Ich musste nicht nur meine Strategie verbessern. Meine Aufmerksamkeit war auch nicht gerade gut ausgeprägt. Anscheinend veränderte Tom's anderes Ich nicht nur seine Augen sondern auch noch seinen Heilvorgang. Ich hörte ihn die Treppen hochgehen und machte mich auf den Weg in die Küche, um zu essen, denn mir fiel auf wie mein Magen laut vor sich hin brummte. Ich hatte seit Stunden nichts gegessen... ich war vielleicht ein Werwolf, aber den Essensbedarf beeinflusste es nicht. Ich entschied mich einfach, den letzten Stunden entsprechend heute, etwas Gesundes zu mir zu nehmen. Ich griff mir Gurken, Salat und Tomaten aus dem Kühlschrank, legte sie mitsamt eines Schneidebrettes auf die Theke neben den Kühlschrank und wollte gerade noch Saucen suchen, als Raphael eintrat. Ich drehte mich um und sah einem verschreckten Raphael ins Gesicht. Er betrachtete das Gemüse vor mir und verzog angewidert das Gesicht.
»Gesundes... Essen.« Er machte Würggeräusche und ich musste lachen. »Willst du das wirklich zu dir nehmen? Ich mein, gerade nach so einem Tag verdienst du was... besseres.«
»Keine Angst, ich werd's schon irgendwie überleben, « erwiderte ich mutig grinsend, mich dem Essen wieder zuwendend. Raphael, der vorher nur neben der Tür gestanden hatte, lief zu mir, schob mich mit einem kleinen Ruck weg und stellte die Sachen innerhalb von Sekunden per Werwolfkräfte zurück in den Kühlschrank. "Ey" war das Einzige, was ich währenddessen nur dazu sagen konnte.
»Es ist besser für dich und jetzt setz dich an den Tisch, ich mach dir jetzt was richtiges zu essen.« Er klang ernst, so als würde Gemüse tödlich sein, doch ich konnte nur grinsen und ließ es einfach zu. Ich hatte keine Lust zu diskutieren. So setzte ich mich an den Tisch , beobachtete wie Raphael Zutaten vor sich stellte und anfing zu schnibbeln. Bei weiterem Beobachten fiel mir auf, dass er mir einen Hamburger machte und da es schon langsam anfing gut zu riechen, konnte ich nichts dazu sagen. Er schien abgelenkt durch seine jetzige Aufgabe und ich wettete, dass war es, was er gesucht hatte. Ich konnte mir nicht wirklich ganz vorstellen, wie es sein musste, herauszufinden, dass ein Mensch, dem man nahe stand und den man liebt, einen verraten hätte und die geliebte Person eine Verrückte auf der falschen Seite war. Natürlich hatte ich mich auch von meiner Tante verraten gefühlt, dadurch, dass sie mich so lang belogen hatte. Was diesen Teil anging, verstand ich ihn. Aber wie es dann auch noch sein musste, die wahre Seite in der geliebten Person zu sehen... Mein Mitleid ging weiter als meine Vorstellungskraft.
»Bitte hör auf damit.« Mein Blick der vorher auf dem Küchenboden gelegen hatte, schnellte nach oben und seine caramelfarbenen Augen blickten mir traurig entgegen. »Ich bin es leid von meinem Rudel so angesehen zu werden und ihre Gedanken über ihr Mitleid zu hören. Bitte tu es ihnen nicht gleich.« Schuldbewusst mied ich seinen Blick und er stellte vor mir einen Teller mit einem saftigen, großen Burger hin. Dem Wolf in mir lief das Wasser zusammen. Ich stürzte mich hungrig drauf und verschwendete nicht einmal einen Gedanken an irgendwelchen Anstand beim Essen. Es war mir egal, was man von mir dachte. Außerdem verhinderte das ein unangenehmes Gespräch mit Raphael. Zumindest tat es das für ein paar Minuten. Hungrig wie der große, böse Wolf aus Grimm's Märchen hatte ich das Fleisch verschlungen. Ein verstörender Vergleich, wie mir bei näherem Nachdenken auffiel. Aber was sollte ich daran ändern? Nun da mein Teller leer war, musste ich wieder der Realität Aufmerksamkeit schenken. Die Realität bestand gerade aus Raphael, meiner Küche und einer Stimmung, die mir nicht gefiel. Er hatte sich gegenüber von mir gesetzt und hatte mich lächelnd beobachtet. »Danke,« brachte ich mit einem unangenehmen, zwingenden Lächeln heraus. Nun da er wusste, dass ich wieder ansprechbar war und meine Gedanken umherrasten, erwartete er schon eine Frage von mir, mit der ich rausplatzte: »Juliana ist in deinen Gedanken, oder?« Er lächelte traurig und seine Augen schienen von der traurigen Dunkelheit seines Herzens eingenommen zu sein. »Ja.« »Und ist sie in deinem Herzen?«
»Das wird sie immer sein, ich kann daran nichts ändern. Sie war immer da. Sie war immer ein Teil meines Lebens. Selbst bevor wir uns ineinander verliebten«, er stützte seine Ellbogen auf den Tisch und legte seinen Kopf in seine Hände, »falls es überhaupt Liebe für sie war.« Ich beugte mich vor, drückte seine Schultern und seinen Kopf leicht vor und zwang ihn mich anzusehen. »Ich weiß, dass es Liebe für sie war und es immer noch so ist.« Sein gebrochener Blick traf auf meinen. »Woher? Wie kannst du das wissen? Du hast am Tage der Offenbarung deiner Fähigkeiten nur ein paar Stunden mit ihr verbracht.«
»Das spielt...« Ich stoppte im Satz, denn ein Gedanke erfasste mich. Ich musste an letzte Nacht denken. An Keadon und mich. Nicht speziell an unseren milliardsten Beinahe-Kuss, obwohl der mir natürlich dabei wieder in Erinnerung kam. Aber es ging jetzt nicht um mich und meine verworrenen, verdammten Gefühle sondern um Raphael. Und ich wollte ihm eine Erinnerung oder eher ein Gespräch zeigen, welches er nicht mitbekommen hatte. Ich wollte versuchen, dasselbe wie gestern Nacht zu machen. Ich wollte jemand anderen meine Erinnerung erleben lassen.
»Raphael, lass mich dir etwas zeigen.«
Er sah mich fragend an und ich hoffte inständig, es würde funktionieren, denn sein Anblick bereitete mir erstaunlicherweise Schmerzen. Es war nicht so, dass ich nicht Mitleid mit Leuten mit unverdienten Schicksalen hätte, doch Raphael bedeutete mir etwas. Selbst wenn ich nicht alles über ihn wusste und er nicht über mich, spürte ich doch unsere Verbindung. Ich hoffte einfach nur, dass unsere Freundschaft die dunklen Mauern, die sich um ihn errichteten, zerstören konnten.

Wolves Of The Curse (Slow Updates)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt