Kapitel 15

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Kates view.

Ich muss die Klassenarbeiten korrigieren, doch egal wie sehr ich mich auch bemühe, meine Gedanken entgleisen immer wieder zu ihr.
Ich lasse den roten Fineliner aus meiner Hand fallen und stehe auf.

So geht das nicht weiter, ich muss irgendwas machen, aufhören an sie zu denken. Mein Blick gleitet zum Telefon, rechts neben der Tür auf den kleinen, matt schwarzen Schrank.

Nein. Ich kann niemandem davon erzählen, noch nicht mal meiner besten Freundin. Aber was soll ich nur tun? Ich fühle mich ratlos und vollends verzweifelt. Ich habe meine Schülerin nun zum zweitem mal geküsst und ein Teil von mir, möchte am liebsten nie damit aufhören.

Ein Teil in mir verzehrt sich nach ihr, möchte sie kennenlernen, jeden noch so finstersten Winkel von ihr. Für sie da sein, Zeit mit ihr verbringen, ihr Nahe sein. Vielleicht liegt es an meinem nervigen Beschützerinstinkt, überlege ich missmutig und schüttele den Kopf. Wie​ konnte ich es nur zu einem weiteren Kuss kommen lassen. Wie zur Hölle war das passiert?

Ich kenne sie noch nicht einmal richtig, aber zwischen uns ist etwas. Mit aller Kraft versuche ich mich dagegen zu wehren, doch es geht einfach nicht. Ich bin machtlos, als würde ich versuchen einer Strömung zu entkommen.

Ohne das ich es will, steigen mir Tränen in die Augen. Ich bin die Erwachsene, ich muss mich unter Kontrolle haben. Hastig greife ich nach meiner Jacke, ich muss eine Runde raus an die frische Luft. Warum muss bloß alles so kompliziert sein?

Ich unterdrücke die vor Verzweiflung aufsteigenden Tränen und öffne die Tür. Dort steht jemand, der gerade überrascht zusammen zuckt und mich verwundert anblickt. ,,Ich wollte gerade klingeln.", sagte sie und lässt ihre Hand, die noch vor dem altem Messingknopf schwebt, langsam wieder sinken.

Sie runzelt die Stirn und sieht mich besorgt an. ,,Aber Kate, was ist denn los?" Nun kann ich nicht anders, ich falle ihr um den Hals und lasse meinen Tränen freien lauf.

Wenig später sitze ich auf meiner Couch und Miriam hält mir eine Tasse Tee hin, welche ich dankbar annehme. Sie setzt sich neben mich und ich gebe mich geschlagen, als sie mich nun erneut mit besorgter Miene fragt, was denn passiert seie.

Ich weiß noch vor wenigen Minuten hatte ich entschlossen meiner besten Freundin nichts zu erzählen, doch sie erwischt mich wie immer im richtigen Moment.

,,Ich hatte ein seltsames Gefühl und da dachte ich sehe ich mal vorbei.", hatte sie nach einer langen Umarmung erklärt, während sie mich auf die Couch bugsiert und den Wasserkocher angeschaltet hatte. Miriam und ihre verdammte Intuition.

Ich schüttele den Kopf, unschlüssig ob ich es ihr erzählen soll. Sie ist meine beste Freundin, bestimmt wird sie wissen was ich tun kann, um diesem Elend hier ein Ende zu setzen. ,,Sie ist meine Schülerin."

Erst versteht sie nicht. ,,Meinst du-", setzt sie an und liest in meinem Gesicht. Dann weiten ihre Augen sich, damit hatte selbst sie nicht gerechnet.

Auf ihr fordern hin erzähle ich ihr alles. Von unserem erstem Blickaustausch über unsere Zettelchen und unserem Treffen. Davon, dass ich sie nie für eine Schülerin gehalten hätte, bis hin zu unserem Kuss auf der Toilette heute Mittag.

Als ich fertig bin fühle ich mich besser, es tut gut es endlich jemandem zu erzählen. Hilfesuchend blicke ich in das vertraute Gesicht meiner jahrelangen Freundin.

Sie seufzt gefolgt von einem:,,Heilige Scheiße." Ich trinke einen Schluck von meinem mittlerweile nur noch lauwarmen Tee, das kann sie laut sagen. ,,Was soll ich denn jetzt machen, Miri?", frage ich und vergrabe ratlos die Hände in den Haaren.

,,Seit Jahren wünsche ich mir für dich, du würdest dich mal wieder verlieben und glücklich sein. Aber du ziehst komplizierte Dinge ja quasi magisch an. Ich weiß auch nicht was ich dir sagen soll... Es ist nur ein Jahr, kannst du dich solange von ihr fernhalten?"

Ein Jahr, dann würde sie die Schule wieder verlassen.

,,Ich kann ja schlecht fragen, ob jemand anderes die Klasse übernehmen kann, weil ich meine Schülerin ausversehen geküsst habe und dieser jetzt aus dem Weg gehen muss. Außerdem wäre das ziemlich egoistisch, schließlich steht die Klasse kurz vor dem Abitur. Aber muss sie vergessen, Miri. Was kann ich machen, um diese Gefühle los zu werden?"

Miriam sieht mich mit einem mitleidig und zugleich wissenden Blick an, bevor sie Dinge zu sagen beginnt, die ich eigentlich gar nicht hören will.

Gefühls Chaos  (teacherxstudent)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt