Die Zwischenprüfung 1 (überarbeitet)

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Anders, als ich erwartet hatte, fand die Zwischenprüfung nicht früh morgens statt, sondern erst, als es bereits dämmerte.

Auf dem Weg zur Lichtung war mir kotzübel vor Nervosität und ich sah nur aus dem Fenster des Autos.
Der Raucher und Ben, welcher auf der Rückbank saß, waren auch still, was meine Angespanntheit nur noch vergrößerte.

Wir fuhren wie immer die Straße entlang und bogen rechts ab.
Die nächste  Seitenstraße links und dann ca. zwanzig Minuten auf der selben Straße  die ganze Zeit am Rand des Waldes.
Dann scharf rechts und durch den bewachsenen Weg in den Wald hinein. 

Obwohl ich für gewöhnlich immer sehr froh war, wenn die Fahrt zu Ende war, da ich Autofahren im Allgemeinen nicht besonders mochte, wäre ich heute lieber noch nicht so schnell angekommen.

Auf der Lichtung erwartete uns Steve. Er lächelte mich schon von weitem freundlich an, was mich ein bisschen beruhigte.

Zur Begrüßung gaben sich der Raucher und Steve lediglich einen kalten Händedruck und Ben und Steve sahen sich nicht einmal an.

Sie sind wahrscheinlich alle nur nervös meinetwegen, das färbt wohl ab.

Nach einem, mir ewig vorkommendem Moment der Stille, in dem nur der Wind und das Rascheln des Laubes auf dem Waldboden zu hören waren, ergriff Steve das Wort:
"So Olivia, dann komm mal mit, wir erledigen den schriftlichen Teil in meinem Haus."
Als Ben und der Raucher uns zum Haus folgen wollten fügte Steve schnell noch hinzu:
"Ben und Luca, ihr wartet hier. Wir treffen uns in genau drei Stunden hier wieder."

Drei Stunden?! Was will er mich denn alles fragen???

Doch anstatt meinen Gedanken laut auszusprechen folgte ich Steve wortlos über die Lichtung zu seinem Haus.
Ich drehte mich noch ein letztes Mal zu Ben und dem Raucher um, bevor sie aus meinem Blickfeld verschwanden.
Ben hatte mich angelächelt und angedeutet, mir die Daumen zu drücken.
Der Raucher hatte jedoch nur konzentriert auf einen Punkt in der Ferne an mir vorbeigeschaut.

Was hab ich schon erwartet?! Dass er mich anlächelt? Das wird ganz bestimmt nicht passieren...

Bereits beim Betreten von Steves Haus stieg mir ein angenehmer Geruch von Parfum in die Nase.
Der Geruch war nicht besonders stark, aber ich konnte deutlich die fruchtige Note riechen.
Mir kam es so vor, als hätte ich den Geruch schon einmal bei Steve gerochen, aber dachte nicht länger darüber nach, weil Steve, der kurz in seinem Büro verschwunden war nun mit einem Stapel Blättern wiederkam.

Ich wurde bleich, als ich sah, wie viele Zettel es waren und schluckte.
"Nicht so viel wie es aussieht.", versicherte er mir und ich zwang mich zu lächeln.
Er hatte es zwar gut gemeint, aber das half mir in den Moment auch nicht.
Es erinnerte mich an meine Schulzeit, da das ein typischer Spruch von Lehrern war. Keinen Satz hatte ich in der Schulzeit öfter gehört als diesen- oder andere Ausführungen des Satzes wie: "Die Arbeit ist total leicht."
Jedes Mal wollte ich daraufhin sagen:
"Ja na klar ist die Arbeit für sie leicht: Sie haben ja mehrere Jahre diesen Scheiß studiert! Wenn Sie Ihre eigene Arbeit nicht leicht finden würden wäre das ja auch ganz schön traurig!"

Stattdessen bin ich jedes Mal still geblieben, so wie auch jetzt.
Steve drückte mir die Zettel in die Hand und ich folgte ihm in einen der Räume, die ich während der Zeit, die ich bei ihm verbracht hatte noch nicht betreten hatte.

Wie sich herausstellte war es eine Art zweites Büro.
In der Mitte des Raumes stand ein mächtiger Schreibtisch aus dunkelem Holz hinter dem ich auf einem roten Lederstuhl platznahm.

Steve händigte mir nur noch einen Kugelschreiber aus, wünschte mir gutes Gelingen und lies mich dann alleine.

Ich platzierte mit zitternen Händen die Blätter vor mir und las mir die erste Aufgabe durch:
Beschreibe die Zusammensetzung eines bestimmten Standartgewehres der Bundeswehr.

Äh.... ungenauer geht es auch nicht!

Bevor ich schon an der ersten Aufgabe verzweifelte las ich mir erstmal die restlichen Aufgaben auf der Seite durch und bemerkte auch eine Ergänzung zu Aufgabe eins kleingedruckt ganz unten auf der Seite:

Tipp: Seit 1997 Standart und Nachfolger des G3

Okay... das habe ich gelernt.... äh... war das nicht...

Ich überlegte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich beschloss die Aufgabe erstmal zu überspringen.
Total ernüchtert wegen meines Versagens bearbeitete ich die nächsten Seiten.
Das meiste waren Multiple Choice Aufgaben.

Z.B. Die wichtigste Qualifikation eines Scharfschützen.

Nach kurzem Überlegen konnte ich die meisten Aussagen beantworten.
Auch, wenn ich für die letzten länger überlegen musste, hatte ich schließlich zu jeder Aussage eine Antwort angekreuzt und bearbeitete den nächsten Teil der Prüfung.

Davon abgesehen, dass ich so sehr zitterte, dass meine Schrift der eines Jungen in der 7. Klasse ähnelte, war die erste Seite dieses Teils ziemlich leicht wie auch die drei folgenden.

Doch als es bei dem nächsten Abschnitt um das Beurteilen bestimmter Situationen ging dauerte es lange, mich für eine Antwort zu entscheiden, da sie Fragen etwa so gestellt waren:
Dein Auftrag ist es, einen Terroristen zu töten und er läuft in eine Grundschule während der Unterrichtszeit.
Schule mit Terrorist und Kindern sprengen oder nicht?

Bei Seite sieben verspürte ich zum ersten Mal das Bedürfnis mienen Kopf vor Verzweiflung auf den Tisch zu schlagen.
Als ich Seite 14 von insgesamt 25 bewältigt hatte und mich in einer Phase befand, in der mir die Antworten und auch das Schreiben gut von der Hand ging beschloss ich mich wieder einmal mit Nummer eins zu beschäftigen und mir fiehl tatsächlich ein, welches Gewehr gemeint war:

Sturmgewehr G36 und das hat noch gleich wie viele Einzelteile...?! Sagen wir Zehn.... also 1.Mündungsfeuerdämpfer 2.Rohr 3.Hanschutz 4.Gehäuse ... ne Moment ich habe den Tragebügel vergessen...

"Kommst du gut klar?"
Blitzschnell schreckte ich auf. Ich hatte nicht bemerkt, wie Steve das Zimmer betreten hatte.
Er stellte mir ein Glas Wasser hin und ich nahm es dankend an.
"Ich wollte dich nochmal an die Zeit erinnern,", sagte er bevor er wieder ging: "Du hast noch ca. eine Dreiviertelstunde."
Was?
Ich verschluckte mich an dem Wasser und musste husten.
Nur noch so wenig Zeit für zehn Seiten?!

Dark Destiny?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt