Verlassener Palast

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3. Advents Special
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"Wer ist das?"
"Meine Familie. Meine Frau Miriam und mein Sohn Billy. Er ist acht."
Es war eine Ewigkeit still, bevor Ben weitersprach:
"Ich nehme die ganzen Aufträge nicht zum Spaß an... ich habe eine Familie, die ich versorgen muss."
"Aber wie bist du überhaupt zu diesem....Beruf gekommen? Ich meine da war bestimmt keine Anzeige für in der Zeitung. Oder!?"
"Nein natürlich nicht.", er lächelte schief, aber wurde dann wieder ernst:

"Es war, als ich erfahren habe, dass Miriam schwanger war und Panik bekam, da ich momentan arbeitslos war. Bei der Army hatte ich knapp einen Monat vorher eine unehrenhafte Entlassung wegen wiederholtem Missachten von Befehlen gehabt.
Achso, falls du es nicht wusstest: Ich war Scharfschütze.

Nach meiner Entlassung rief mich Luca an und machte mir ein Jobangebot mit ziemlich guter Bezahlung, aber dieser mysteriöse Anruf von einem Fremden kam mir suspekt vor und ich lehnte ab.
Als ich später allerdings so verzweifelt war, rief ich zurück... und so bin ich hier gelandet."

„Und wie oft siehst du deine Familie?"
„Ein paar Mal pro Jahr. Nicht oft genug, um eine Bindung zu meinem Sohn aufzubauen, aber gerade so viel, dass er sich an mich erinnert...er denkt ich arbeite beim Militär."
„Denkt deine Frau das auch?"
„Nein, sie weiß es."

Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte oder wie ich auf die Informationen von Ben reagieren sollte, also lehnte ich mich stumm zu ihm rüber und umarmte ihn.
So saßen wir dort einige Minuten.

Ben löste sich anschließend aus der Umarmung und räusperte sich, bevor er sich für die Geheimnistuerei und außerdem die karge Einrichtung meiner momentanen Bleibe entschuldigte.
„Ich muss jetzt wieder los, aber komme heute Abend nochmal nach dir sehen. Brauchst du noch irgendwas?"
Da mir in dem Moment nichts einfiel, verneinte ich und Ben ging.

Ich war alleine.
Eine knappe halbe Stunde nach dem Verschwinden Bens bereute ich es, nicht nach Büchern gefragt zu haben.
Als ich dies notieren wollte, fiel mir außerdem ein, dass ich auch nach einem Block und Stiften verlangen sollte.

Um mir die Zeit bis zu seiner Rückkehr zu
vertreiben, verließ ich das kleine Zimmer und erkundete den Ballsaal, sowie die zahlreichen anliegenden Räume, die -wie das kleine Zimmer- durch halb versteckte Türen zugänglich waren.

Es gab (neben einer verschlossenen Tür) einen Raum mit Toiletten, eine große Restaurantküche und eine Garderobe -natürlich alles ein wenig verstaubt und in der Aura eines verlassenen Palastes erscheinend-.
Mir fiel jedoch auf, dass der Ballsaal neben den heruntergekommenen Räumen nur noch glänzender und prunkvoller wirkte.
Von Staub oder Geistern keine Spur.

Ich packte meine Klamotten und Hygieneartikel aus der Sporttasche aus und sortierte erstere in die zuvor leere Komode. Anschließend ließ ich mich auf die Matratze fallen und starrte Löcher in die Luft.
Je länger ich dort lag, desto mehr machte sich Unwohlsein in mir breit.

Erst jetzt fing ich an über die vergangenen Monate nachzudenken und über Steve.
Ich hatte Angst; das musste ich mir spätestens dann eingestehen, als ich fast einen Herzinfarkt bekam, als Ben plötzlich die Tür öffnete.

"Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken... Nächstes Mal klopfe ich, ich hab nur gerade keine Hand frei."
Damit hatte er recht.
Ben war so vollgepackt, dass ich mich wunderte, dass er so in den Fahrstuhl gepasst hat.
Schnell nahm ich ihm eine Decke, zwei Handtücher, eine große Einkaufstüte und einen kleinen Holzkoffer ab und legte alles auf das Sofa.

Nachdem er sich bedankt hatte, wies er mich an, die Einkaufstüte auszupacken, während er seinerseits eine Uhr (mithilfe eines mitgebrachten Schraubenschlüssels) an der Wand über dem Sofa anbrachte.
Ben gab sich größte Mühe, den Raum für mich gemütlich zu gestalten, er brachte sogar die kleine Heizung zum laufen.
Das beste, was er mitgebracht hatte, war jedoch ein Laptop und die ersten beiden Star Wars Trilogien.
Auch wenn diese Filme unter normalen Umständen vielleicht nicht meine erste Wahl gewesen wären, freute ich mich unglaublich über diese Alternative zu bedrückender Stille und Einsamkeit.

Laut der frisch angebrachten Uhr blieb Ben bis halb zwölf Uhr Nachts und er versprach im Laufe des nächsten Tages wieder vorbeizuschauen.
Wir hatten zusammen eine Liste gemacht für Sachen, die er demnächst besorgen wollte:
Duftkerzen (gegen den Baustellengeruch)
Eine Lichterkette und/oder Stehlampe (für angenehmeres Licht)
Bücher
Einen Zeichenblock
Den Film "The Notebook"
Putzlappen usw (um die Küche und die Toiletten von Staub zu befreien)
Und ESSEN

Zwar hatte Ben bereits eine Packung Müsliriegel, Chips, Studentenfutter, Wasser und eine Banane mitgebracht, aber dieses Festmal ließ noch einige Wünsche offen.

In wenigen Tagen gewöhnte ich mich an die Räumlichkeiten und auch ein wenig an das viele Alleinsein.
Trotzdem freute ich mich immer wie verrückt, wenn es an der Tür klopfte und Ben hereintrat.

Dark Destiny?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt