Kapitel 43

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PoV Lukas

Lustlos räumte ich meine Klamotten in den Kleiderschrank und verstaute meinen Koffer unter dem Bett. Kyle hatte mich eben total angefahren, dass er mir ja nichts getan hatte und nicht wüsste warum ich mich so benahm. Wie würde er wohl reagieren, wenn er rausbekam, dass ich etwas für ihn empfand?
Würde er mich auslachen? Sauer sein? Oder wäre es ihm einfach gleichgültig?
Ich presste die Lippen zusammen und verdrängte jeglichen Gedanken dieser Art. Es würde immerhin nie dazu kommen. Seufzend verließ ich das Zimmer und lief einmal um die Hütte herum. Hier fing auch schon direkt der Wald an und nach ein paar Metern kam man an einen kleinen Bach.
Ich setzte mich auf einen großen Stein und zog mein Handy aus der Tasche. Sofort wählte ich Dustins Nummer.
"Hey Lukas." begrüßte er mich fröhlich und ich musste lächeln.
"Hey. Wie geht's dir?"
"Sehr gut." Immernoch klang er total glücklich, als wäre gerade sein Lebenstraum in Erfüllung gegangen.
"Hast du irgendwas genommen?" lachte ich und ich hob eine Augenbraue, auch wenn er es nicht sehen konnte.
"Ne. Aber hab den ganzen Tag mit Tim verbracht. Er hat mich für heute Abend auch ins Restaurant eingeladen! Das wird bestimmt toll. Ich glaub' er will mit mir ins Bett
und-" Ich unterbrach ihn.
"Okay, okay. So genau wollte ich das jetzt auch nicht wissen." Ich hörte Dustin am anderen Ende des Telefons lachen.
"Warum rufst du an Lukas? Bestimmt nicht nur, um nach mir zu fragen." Es war erstaunlich wie schnell er wieder ernst werden konnte.
"Stimmt." gab ich leise zu.
"Was ist los?"
"Wir waren gerade mal drei Minuten alleine und schon haben wir uns angemault. Ich schaff' das keine komplette Woche." Ich redete leise, da ich nicht wollte das Kyle mich hörte, falls er das Fenster auf hatte oder so.
"Ach Lukas. Vielleicht solltet ihr euch einfach mal aussprechen? Du musst ja nicht direkt von deinen Gefühlen reden, sondern ihm zum Beispiel erst mal sagen, dass du Bi bist. Das weiß er noch nicht oder?"
"Ne. Aber ich weiß nicht was das bringen soll." Ich knirschte mit den Zähnen.
"Lass das. Du machst deine Zähne kaputt." meckerte Dustins und ich musste grinsen. Das hatte er früher auch immer getan, wenn ich knirschte.
"Sorry. Ich denke, reden ist nicht so die Option. Das hilft mir auch nicht. Ich halts in seiner Nähe nicht aus. Er macht mich wahnsinnig."
Ich hörte Dustin seufzen.
"Ich hab noch nie so komplizierte Personen wie euch beide gesehen. Also echt. Lukas, wenn du nicht mit ihm reden willst, kann ich dir nicht helfen. Tut mir leid. Ich verstehe, dass die Situation schwer für dich ist. Du musst dich komplett umstellen und umdenken. Aber das was du jetzt machst, nämlich alles in dich rein fressen, macht alles nur noch schlimmer. Vielleicht nicht im Moment, aber definitiv auf Dauer." Ich musste schlucken und räusperte mich. Dustin hatte nicht ganz unrecht, aber ich konnte es einfach nicht. Immerhin wusste ich das Kyle nichts für mich empfand. Das hatte er schon gesagt, also sah ich keinen Grund darin ihm zu erzählen, dass ich Gefühle für ihn hatte.
"Ich leg jetzt auf Dustin." gab ich leise von mir und trat einen Stein in den rauschenden Bach.
"Okay. Tu' was du für am besten hältst. Bis dann." Ich legte auf und steckte das Handy zurück in die Tasche. Eine Weile beobachtet ich noch den Bach. Aber ewig konnte ich auch nicht hier sitzen bleiben, also erhob ich mich und klopfte meine Hose ab, an der Blätter hingen.
Ich ging zurück in die Hütte und ignorierte Kyle, der gerade in einem der Sessel saß und mich komisch ansah. Während ich mich auf den zweiten Sessel sinken ließ, ließ Kyle mich nicht aus den Augen. Was dachte er wohl gerade?
Ich schnappte mir mein Handy um ein wenig ins Internet zu gehen als:
"Können wir mal reden?" Ich seufzte und legte genervt das Handy weg. Ich wollte nicht mit Kyle reden. Er würde mich nur wieder verletzen, wenn auch nicht absichtlich.
"Na schön. Was ist?" Ich war selber ein wenig erschrocken, wie monoton und teilnahmslos meine Stimme klang.
"Du weißt ganz genau was ist. Wir können überhaupt nicht mehr reden. Ich meine, dicke Freunde waren wir nie, aber wir kamen miteinander klar. Du bist immer direkt genervt oder angepisst wenn ich was sage. Warum? Sag mir doch einfach was ich getan habe." Am Ende wurde Kyles Stimme fast flehend und ich schluckte schwer. Eigentlich hatte ich nicht gedacht, dass es Kyle so beschäftigen würde wenn ich so mit ihm umsprang. Da hatte ich mich wohl geirrt.
Aber die Wahrheit konnte ich ihm trotzdem nicht sagen. Zumindest nicht die komplette.
"Die Situation ist im Moment einfach nicht so leicht für mich. Ich meine, das was ich immer geglaubt habe, stimmt gar nicht. Ja du hörst richtig. Ich habe mit Tim drüber gesprochen. Wir sind uns einig, dass ich wohl Bisexuell bin, auch wenn es mir anders lieber wäre. Ich muss damit erstmal klar kommen, wie du dir vorstellen kannst. Also lass es erst mal gut sein, okay?" zickte ich ihn an und ohne auf seine Antwort zu warten, stand ich auf und verließ die Hütte.

Herz oder Kopf?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt