Und da war der Finne plötzlich wieder

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Ich hatte es wirklich getan.
Ich hatte mich auf ein Doppeldate-Wochenende mit meiner besten Freundin, ihrem und meinem Freund in Kopenhagen eingelassen.
Leider fand ich diese Pärchen-Sache im Nachhinein gar nicht mehr so blöd. Insgeheim natürlich nur.
Ich verbrachte nahezu jeden meiner Abende mit Jan. Außer, er hatte Nachtschicht. Dann kam er am nächsten Morgen mit Brötchen vorbei und ging schlafen, während ich mich auf den Weg in die Redaktion machte. Sowieso fühlte es sich so an, als würde er bei mir wohnen. Und das gab mir auf eine komische Art und Weise ein Gefühl von Sicherheit.
Wir kochten zusammen oder bestellten etwas zu Essen, schauten DVDs, gingen spazieren, auf den Weihnachtsmarkt und fuhren gemeinsam Schlittschuh in der Gysenberghalle. Es war ein tolles Gefühl, ihn um mich herum zu haben.
Und Samu?
Samu war weg.
Zumindest fast.
Das, was Jan und ich hatten, war etwas ganz anderes als das, was Samu und mich vor zwei Jahren miteinander verbunden hatte. Bevor ich abends neben Jan eingeschlafen war, erwischte ich mich des Öfteren dabei, wie ich an die Zeit mit meinem damaligen Lieblingsfinnen zurück dachte. Nicht nur an das Wochenende, welches wir gemeinsam verbracht hatten, sondern auch die Zeit davor. Die Wochen in Düsseldorf, die Hochzeit meines Bruders Daniel, mein Auslandssemester in Antofagasta und die kleinen Streitereien, die wir immer wieder hatten. Rückblickend war das Ganze ziemlich kindisch und so gar nicht erwachsen gewesen. Dennoch fragte ich mich, warum alles so gekommen war. Ich reflektierte mein Verhalten wieder und wieder und kam zu dem Entschluss, dass ich nicht alleine schuld an dieser Misere gewesen war.
Es tat nicht mehr weh, wenn ich doch mal wieder an das Interview und somit an ihn denken musste.
Dank Jan.
Und vermutlich auch Leni, die mich einer Konfrontationstherapie ausgesetzt hatte.
Wenn Samu in meinem Kopf war, dann wirklich nur kurz. Um ihn mit Jan zu vergleichen und festzustellen, dass Jan jemand war, der durchaus Potential hatte, länger an meiner Seite bleiben zu können.
Es war in Ordnung, dass der finnische Sänger mich nicht gewollt hatte.
Ich wollte ihn auch nicht zurück.
Wozu auch?
Jan hatte eine wunderbare Art an sich und brachte allein schon optische Vorzüge mit sich. Nicht, dass ich oberflächlich gewesen war, aber Samu würde bei einem körperlichen Vergleich haushoch verlieren.
Jan war jünger, sportlicher und auch charakterlich ein Mann zum Pferde stehlen. Er hatte Humor, gepaart mit dem nötigen Sarkasmus, Charme, der mich oft seufzen ließ und er zeigte der Öffentlichkeit gerne, zu wem er gehörte, wenn wir in der Stadt von Menschen angesehen wurden.


Wir hatten uns für das Wochenende in Dänemark einen Ford Kuga gemietet, um auch die etwas weiter entfernteren Attraktionen rund um Kopenhagen anschauen zu können. Wir starteten im Westen, in Frederiksberg, besuchten dort den Zoo und arbeiteten uns von dort aus weiter in den Norden nach Nørrebro, Østerbro und wieder zurück in den Stadtkern.
Den restlichen Samstag verbrachten wir mit einem Spazier- und Shoppinggang durch Strøget, einer der längsten Fußgängerzonen Europas. Auch hier gab es Sehenswürdigkeiten, die wir nicht ausließen. Die Heiligengeist-Kirche, der Dom zu Kopenhagen und den Storchenspringbrunnen. Leni füllte ihre Tasche mit dänischem Lakritz und Kleidung von Vero Moda, während Marius, Jan und ich uns durch die Sportläden der Ladenstraße kämpften. Ich nutzte die Chance, um mir neue Sneaker, einen grauen Hoodie und neue Leggings zu kaufen; Marius und Jan ergatterten jeweils ein paar Fußballschuhe und Baselayer, damit das Trikot in der nächsten Saison keine Falten warf und die feinen Herren beim Training nicht froren.
Als wir abends im Hotel ankamen, verabredeten wir uns noch für das Frühstück am Sonntagmorgen, bevor Leni und Marius sich sehr schnell auf ihr Zimmer verzogen hatten.
„Ist alles in Ordnung?", fragte Jan, als er aus dem Badezimmer kam.
„Ja, warum?", wollte ich wissen und fummelte die Stecker aus meinen Ohrlöchern.
Er legte seine Hände auf meine Oberarme und küsste meinen Nacken.
„Fühlst du dich unwohl?"
„Sollte ich?"
„Natürlich nicht, aber du wirkst unbegeistert von diesem Trip. Als wärst du hier, weil du musst."
„Ich hab nie was von Doppeldates gehalten", gab ich zu und drehte mich zu ihm um, „aber seitdem du da bist, ist das was anderes."
„Aha?", Jan legte die Stirn in Falten und grinste wie ein Honigkuchenpferd.
„Marius hat immer versucht, mich mit irgendjemandem zu verkuppeln oder mich zumindest mit dem Thema Männer aus der Reserve zu locken, wenn ich mal mit den Turteltauben unterwegs war."
„Schlimm, oder?"
„Du empfindest das auch so?", überrascht riss ich die Augen weit auf.
„Ja", er nickte überschwänglich, „dieses langgezogene „Schaaaahaaaatz" find ich am schlimmsten. Als hätten sie keine Vornamen mehr."
„Gott sei Dank denkst du auch so", ich küsste Jans Wange und deutete auf das mit dunkelblauer Bettwäsche bezogene Bett.
„Hat Marius gesagt, warum er dich verkuppeln wollte?", hinterfragte er, robbte unter die Bettdecke und streckte seinen Arm einladend aus.
„Nein."
„Warst du lange Single? Vor mir?"
„Etwas mehr als zwei Jahre."
„Und dazwischen gab es keinen?"
„Niemanden", ich schüttelte den Kopf, „nein."
Und da war der Finne plötzlich wieder.
Wir hatten nie über eine Beziehung gesprochen. Wann hätten wir das auch tun sollen? In den 72 Stunden, die wir gemeinsam gehabt hatten?
Meine Aussage bezog sich ganz allein auf Tomás.
„Vielleicht wollte er nur helfen?", er legte seinen rechten Arm auf meine Schulter, als ich mich an ihn gekuschelt hatte.
„Aber ich brauchte die Hilfe nicht. Mir ging es gut und ich war gerne Single."
„So ist es aber auch ok, oder?"
„Um einiges", griente ich und strich mit der flachen Hand über seine frisch rasierte Brust.
„Soll ich mal gucken, was Peter Pan macht?", flüsterte Jan leise und küsste meinen Scheitel.
Das hatte ich schon ewig nicht mehr gehört.
Um genau zu sein: Das letzte Mal vor mehr als zwei Jahren.
Das hatte Samu zu mir gesagt, bevor wir das erste Mal miteinander geschlafen hatten.
„Was?", ich blinzelte einige Male unkontrolliert.
„Peter Pan? Dein Tattoo?"
„Der ist im Nimmerland und schläft schon", antwortete ich mehr als durcheinander und drehte mich augenblicklich auf die andere Seite um das Licht zu löschen und innerhalb der nächsten 1,2 Millisekunden einzuschlafen.


„Das Rührei ist der Wahnsinn!", stieß Jan begeistert hervor, als wir am nächsten Morgen mit unseren besten Freunden in dem kleinen Speisesaal frühstückten.
„Du hast das deiner Freundin noch nicht probiert", meinte Leni und zwinkerte mir zu, „danach willst du nichts anderes mehr essen. Nie wieder."
„Morgen?", Jan wippte mit den Augenbrauen und tippelte mit den Fingern über den Tisch zu mir herüber.
„Wenn du Rührei auch abends isst, dann kann ich das vielleicht einrichten", entgegnete ich und streichelte über seine Handfläche. Er spielte mit meinen Fingern und verhakte sie mit seinen, während Leni fast erleichtert aufseufzte.
„Gibt es eigentlich Neuigkeiten bezüglich deiner Reise?", richtete sie die Frage direkt an mich, „du wolltest doch nochmal nachfragen, ob du wirklich nach Berlin musst."
„Keine Chance", ich biss in mein Körnerbrötchen, „Januar steht so fest wie das Amen in der Kirche."
„Das ist dann so sicher wie der Tod, oder?", witzelte Marius.
Leni warf ihm einen tadelnden Blick zu.
„Das ist ihre „Strafe" für Samu, Pupsi. Sei nicht so böse."
„Wie?", Jan sah Leni entsetzt an, „wegen dem Alten fährt sie eine Woche da hin?"
Leni nickte.
„Das hast du mir nicht erzählt", sagte er, streichelte mit dem Daumen Druck ausübend über meine Hand und suchte Augenkontakt.
„Weil das nicht erwähnenswert war. Es ist nur ein Job."
„Den du wegen dem Greis aus der Sauna hast", ergänzte Jan.
„Samu war mit euch in der Sauna?", hinterfragte Leni.
„Er war in der Sauna und wir waren im Solebecken", unterrichtete ich sie.
„Du kennst den auch?", Jan schaute irritiert zwischen meiner besten Freundin und mir hin und her.
„Ja klar. Hat Emma dir nicht erzählt, dass Sa..."
„...dass Samu und ich bei Universal zusammen gearbeitet haben", ich trat ihr unter dem Tisch gegen das Schienbein und sah sie durchdringend an, „ja. Doch, habe ich."
„Und woher kennt Leni ihn dann? Sie war ja sicherlich nicht dabei", wendete Jan ein.
„Ich hab ihr das natürlich erzählt. Ist ja nicht oft so, dass man als Praktikantin von der Kaffeeköchin zur Künstlerbetreuerin wird", versuchte ich so beiläufig wie möglich zu formulieren.
„Verstehe", schmunzelte er und widmete sich wieder dem Rührei.


Wir saßen bereits im Flieger, als Leni Jan fordernd auf die Schulter tippte.
„Können wir vielleicht die Plätze tauschen? Ich muss mit Emma noch über das Weihnachtsgeschenk für Marius sprechen", wisperte sie.
„Klar", sofort schnallte er sich wieder ab und drückte mir einen Kuss auf, „wir sehen uns in 90 Minuten."
Ich grinste ihn an und wusste genau, dass Marlen sicherlich nicht über irgendwelche Geschenke für Marius mit mir reden wollte.
Ich hatte Samu verschwiegen.
Deswegen musste sie den Platz neben mir beanspruchen.
„So, Madame", sie ließ sich auf dem Sitz neben mir nieder, „warum weiß er nichts von eurem Wochenende?"
„Welches Wochenende?", ich stemmte nachdenklich den Kopf auf die geballte Faust.
„Versuch nicht, dich da raus zu reden. Es geht um Samu."
„Es gibt nichts zu wissen."
„Was ist sein letzter Stand?"
„Tomás."
„Und warum?"
„Wieso mischst du dich ein, Leni?", ich stierte genervt aus dem Fenster hinaus auf das Rollfeld.
„Weil ich deine beste Freundin bin?"
„Ja und?", entsetzt sah ich sie an.
„Ich bin schockiert, ehrlich", sie schnallte sich an und überschlug die Beine, „das ist das gleiche Spiel wie vor zwei Jahren mit Tomás. Du hast Samu schon wieder in der Hinterhand."
„Bitte was?"
„Erklär mir, warum du Jan nichts davon erzählt hast", tadelte sie etwas lauter.
„Red noch lauter, damit jeder hier mitbekommt, dass du dich in meine Beziehung einmischst", kritisierte ich und klatschte lautlos in die Hände.
„Trefft ihr euch heimlich?", sagte sie verschwörerisch.
„Hast du Verfolgungswahn? Mich hat noch nie ein Mann so sehr verletzt. Und du denkst, ich würde ihn hinter Jans Rücken treffen? Du bist doch krank", ich drehte mich kopfschüttelnd weg und starrte wieder aus dem Flugzeugfenster.
Leni lehnte sich zu mir herüber.
„Eigentlich ist es mir wirklich egal, was du in deiner Freizeit tust. Aber Gnade dir Gott, wenn du Jan betrügst", ermahnte sie mich mit erhobenem Finger.
„Weil du vor Marius durch die Betten gehüpft bist wie Bettwanzen in einem billigen Motel?", stichelte ich, „halt dich einfach aus meinen Angelegenheiten raus."
„Pass auf was du sagst", sagte sie lauter.
„Drohst du mir?", jetzt drehte ich mich wieder zu ihr um.
„Nein. Ich verspreche dir was", lächelte sie künstlich, „tu einmal in deinem Leben das Richtige."
„Ich weiß, was richtig ist."
„Gut, dann kannst du Jan ja sagen, dass es nach Tomás noch jemanden gab."
„Warum ist das denn erwähnenswert? Das ändert doch nichts an meinen Gefühlen für ihn."
„Du verstehst es nicht, oder?", ihr Ton wurde rauer, „wenn Jan nach Samu googelt, findet er das Bild von eurer Shoppingtour."
„Auf welcher der vielen Seiten? 200?"
„Ich denke, dass das nicht ganz so weit hinten zu finden sein wird. Was soll Jan dann denken?"
„Ich hab ihm doch gesagt, dass ich die Band betreut hab. Da kann es schon passieren, dass man auch mal außerhalb der Arbeitszeiten etwas zusammen unternimmt."
„Aber nicht nur mit dem Leadsänger, Emma."
„Boah Leni", meckerte ich, „es ist mein Leben und meine Beziehung. Ich bekomm das hin, ok?"
„Wenn du meinst", unbeteiligt hielt sie die Hände in die Luft, „aber sei ehrlich zu Jan. Der hat das nicht verdient."
„Dieses Wochenende in Finnland spielt überhaupt keine Rolle in unserer Beziehung. Null. Es ist nicht wichtig, ihm davon zu erzählen."
„Wenn du meinst", sagte sie wieder und schnallte sich ab, „ich schick dir deinen Liebling dann mal wieder. Ich weiß nicht, ob ich die 90 Minuten Flug neben dir aushalten würde, ohne dich nochmal zu tadeln."
„Du kannst dein Glück morgen früh wieder bei deinen Schülern versuchen."
„Tu ich auch", sie stand auf, um den Platz wieder mit Jan zu tauschen.
„Schön!", eingeschnappt hielt ich die Luft an und wartete, bis er wieder neben mir saß und sich anschnallte.
„Bekommen wir das gleiche zu Weihnachten?", fragte er und griff nach meiner Hand.
„Nein."
„Dann sag mir, was Marius bekommt."
„'N USB-Staubsauger für seine Laptoptastatur."
„Verarsch mich nicht."
„Wenn er lieb ist, kann er sich vielleicht über Sex freuen", meinte ich, legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen.
„Und du bist dir sicher, dass wir nicht das gleiche Geschenk bekommen?"
Ich kniff die Augen zusammen und schielte zu Jan herüber, der mich frech anlächelte.
Und wieder wurde mir klar, was für ein Glück ich hatte, ihn getroffen zu haben.
Ich schlug ihm auf den Oberschenkel und beugte mich für einen intensiven Kuss zu ihm herüber.
„Ganz sicher", äußerte ich anschließend und umklammerte seine Finger mit meinen.
Und wieder weg.

Just friends?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt