Mit dir

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„Come on!", schrie Samu mir aus dem Inneren entgegen, „ich will in diese sauna!"
Ich stampfte den Schnee von den Schuhen und klopfte meine Jacke ab, bevor ich in den kleinen Vorraum des Iglus trat und die Eingangstür hinter mir schloss.
Lappland war kalt.
Wahnsinnig kalt.
Das Außenthermometer zeigte -21 Grad an, als ich die dicke Winterjacke an den hölzernen Garderobenhaken hing, mich vor Kälte kurz schüttelte, aus den Boots stieg und die Tür zum dem Wohnbereich öffnete.
Auf der rechten Seite lag das Badezimmer und die kleine Sauna, die Samu direkt beim Betreten des Holzhauses unter die Lupe genommen und für gut befunden hatte. Sofort meinte er, dass wir sie nach der Schlittenfahrt und dem Essen ausprobieren müssten.
Ging man durch den kleinen Flur, befand sich links ein großes Bett, über dem auf beiden Bettseiten kleine Wandlampen angebracht waren. Wenn man von hier aus aus dem Fenster sah, konnte man den verschneiten Wald und die Lichter des Haupthauses sehen. Rechts von einer der Schlafmöglichkeiten stand eine weiße Küchenzeile mit Spüle, zwei Kochplatten und Kühlschrank, obwohl der –im Winter zumindest- nicht nötig gewesen war. Vor Kopf war eine gemütliche Sitzecke mit roten Bezügen eingerichtet, davor stand ein sechseckiger Holztisch. Unmittelbar –vielleicht mit einem Meter Abstand- vor dem Bett stand ebenfalls ein Tisch, wie er für Raststätten üblich war. Auch aus Holz. Von dort aus konnte man direkt in den spannenden Teil –das Glasiglu- gehen. Auch dort stand ein Bett, welches so positioniert war, dass man im Liegen in den Himmel schauen, jedoch niemand durch das kuppelige Glasdach in das Innere hineinsehen konnte.
Ich tippelte auf meinen Wollsocken leise in den Wohnbereich und schlang meine Arme von hinten um Samus Hals, der vor dem Kamin.
„Das finde ich irgendwie heiß", sagte ich und küsste seine durchgewuschelten Haare.
„Mann hat gemacht Feuer, uga uga", presste er hervor und streichelte mit der Hand, die keine Holzscheitel in den Kamin legte, über meine Hände.
„Ich wusste nicht, dass der Wind hier so unendlich kalt ist."
„That's normal fur Lappland. Du merkst nicht die Kalte, weil here ist nicht windy. But wenn du hast eine snowstorm du musst schnell gehen in eine house, weil sonst du hast eine problem mit deine face", erklärte Samu, „your lashes, lips and nose dann ist eine Eisklotz."
„Das hab ich gemerkt", ich setzte mich fröstelnd neben ihn und zog die Beine vor die Brust, „hier muss man mit Anziehsachen ins Bett."
„No", schüttelte er den Kopf und zwinkerte, „after die sauna and die other things we will do, du wirst sagen, dass du nie wieder deine clothes willst."
„Aber normalerweise?", zwinkerte ich zurück.
„I sleep without my pants. Next to you. Everytime."
„Das ist gut", grinste ich Samu an, woraufhin er mir die Zunge herausstreckte, „aber ist dir das so nicht zu kalt? Eigentlich?"
Er zog eine Schnute und schien nachzudenken.
„No", antwortete er nach der kurzen Pause, „you know, dass ich gehe bei zero degrees raus ohne my jacket. But ich liebe diese temperature und it feels like home. Sure, wir haben keine igloo mit diese view but hey. In Helsinki es ist auch cold sometimes."
„Ich mag es auch", lächelte ich, „sehr."
Samu setzte sich mir gegenüber in den Schneidersitz, beugte sich nach vorne und umfasste meinen Nacken. Nur zu gern ließ ich mich zu diesem Kuss hinreißen und lehnte mich ihm augenblicklich entgegen.
„Thank you fur diese holidays. Now ich bin schon relaxed. No phones, no business. Just you and me."
„Das war der Plan", ich küsste ihn nochmal und grinste, weil sich ein plötzliches Kino in meinem Kopf ausgebreitet hatte.
„What are you thinking about?", Samu zog fragend die Augenbrauen zusammen.
„Wenn Google neue Aufnahmen für Google Earth machen würde und du würdest mit dem nackten Po in dem Iglu da vorne liegen", ich deutete mit dem Kopf hinter mich, „das fänd ich lustig."
„Yes?"
„Ein bisschen schon, ja."
„Would be funnier, wenn sie bekommen eine shot from your ass."
„Warum?"
„Weil es ist eine nice ass und nicht so many people haben gesehen like mine."
„Du hast auch einen schönen Po", argumentierte ich dagegen, „deiner könnte es genauso gut sein. Darüber würden sich viele freuen."
„Willst du now verkaufen deine boyfriend an Google?", er legte den Kopf schief.
„Nicht alles. Nur den Po", meinte ich ironisch, „andere Körperteile möchte ich gerne für mich alleine haben. Die Haare zum Beispiel."
„Bitch", lachte er und tippte sich an die Schläfe, „maybe deine Kopf ist too cold geworden outside. Geh in die sauna."
„Ist die schon warm?"
„Sure", Samu nickte, „was my first action after ich bin rein. Go in, ich komme in eine few minutes."
Ich holte mir einen weiteren Kuss ab, stand auf, nahm eines der Handtücher vom Bett und begann schon auf dem Weg in die Sauna, mich aus meinen 100 Lagen Anziehsachen zu schälen. Als ich meine Haare zusammengebunden und mir ein Handtuch umgeschlungen hatte, schob ich die Kleidungsstücke mit dem Fuß auf einen Haufen zusammen und schaute Samu dabei zu, wie er das Feuer am Kamin anzündete.
„Samu?"
Er hob den Kopf und sah mich erwartend an.
„Für kein Geld der Welt", lächelte ich und öffnete die Holztür der Sauna.


Keine fünf Minuten später kam Samu mir nach, ließ vor mir das Handtuch von seinen Hüften gleiten und nahm auf der Bank unter mir Platz.
Als er den Kopf in die Hände stemmte, begann ich, mit leichtem Druck mit den Daumen rechts und links an seiner Wirbelsäule entlang zu fahren. Samu brummte zufrieden und beugte sich noch etwas weiter nach vorne. Ich löste den Knoten meines Handtuchs vor der Brust und knetete mit geballten Fäusten die Stelle unter seinen Schulterblättern. Nicht allzu fest, weil ich kein Öl dabei hatte.
„Bist du naked?"
„Ich weiß nicht", antwortete ich und strich über seinen Trapezmuskel, „vielleicht."
„So yes?"
„Maybe."
Er richtete sich auf, erhaschte einen kurzen Blick nach hinten zu mir, sah –bevor er mir in die Augen schaute- auf meinen nackten Busen. Danach drehte er sich mit einem Lächeln auf den Lippen wieder um und griff nach meinen Händen an seinem Nacken und zog mich an diesen näher an ihn heran.
„Dann können wir now reden über business", Samu streichelte mit den Fingerspitzen über die Unterarme.
„Ich dachte, wir haben frei?", absichtlich presste ich mit meinen Brüsten fest an ihn.
„Yes. Business mit die guys. I mean unsere."
„Was willst du mir unterbreiten? Zwei Stunden, zwanzig Euro?", neckte ich ihn und strich über seine Brust.
„Two hours, ten euros?", verhandelte er.
„Fünfzehn."
„No way."
„Dann kommen wir nicht ins Geschäft, tut mir leid", ich wollte meine Hände wegziehen, aber er hielt mich fest.
„Ich rede von die richtige business, Lady."
„Oh", ich fühlte mich ertappt, „es ging nicht um sex?"
„Es ist nicht always sex", wieder streichelte Samu über die feinen Haare auf meinem Arm, „oft. But now es ist work."
„Und wieso in der Sauna?"
„Tradition", er schielte zu mir nach hinten, „ich habe gesprochen mit Osmo yesterday."
„Hmhm", stimmte ich abwartend zu und legte den Kopf auf meinem Arm ab.
„First: We have eine concert an die 28. December. Es ist eine kleine club und bist very welcome to join this event."
„Nur du und Osmo?", fragte ich interessiert nach, „was spielt ihr dann? Ist das was Offizielles?"
„Maybe Rikka. Es ist for charity."
„Ich komm sehr gerne mit, wenn du mich dabei haben willst."
„Sure!", posaunte Samu laut, „always!"
„Dann gerne", grinste ich vor mich hin und hatte plötzlich einen sehr prägnanten Satz im Kopf, den Samu zu mir gesagt hatte, bevor wir wieder so vertraut miteinander geworden waren.
Dein Platz ist nicht im Publikum. Ich will dein Gesicht nicht in der ersten Reihe sehen. Das ist der Platz für die richtigen Fans.
„Hello?", ich hatte ihm nicht zugehört, „did you like the idea?"
„Bitte?"
„Hell", er klopfte auf den Platz neben sich, „komm zu mir."
Samu hielt mir die Hand hin, damit ich mir auf dem Weg nicht den Hals brach, ging die Stufe mit Bravour hinab, zog das Handtuch von meinem Platz, breitete es aus und setzte mich neben ihn.
„Again?", fragte er und legte eine Hand auf meinen Oberschenkel.
„Bitte", nickte ich lächelnd und legte meine Hand auf seine.
„You need eine job und maybe ich habe was fur ein paar months. Es ist nicht for immer, but es ist ok. Eigentlich ich or Mikko machen die job, aber maybe du kannst nehmen."
„Ich kann weder gut rechnen noch singen."
„Mikko ist very bad in both things too. You know him. Er ist more die boy fur alles. And wenn du willst du kannst auch sein", er machte eine kurze Pause und strich sich die Haare nach hinten, „my girl but Niilas girl for die organizationstuff. Das sind alle die things, die du gemacht hast fur uns in Dusseldorf; but now for Niila."
Schlecht war das Angebot auf keinen Fall. Dadurch, dass ich die Jungs begleitet hatte, war dieses ganzen Planen und Organisieren gar kein Problem für mich und Niila war bei weitem nicht so bekannt wie Sunrise Avenue. Und ich konnte von Helsinki aus arbeiten.
Ich müsste vorerst nicht zurück, mir irgendeinen 400€-Job beim Arbeitsamt besorgen, den ich nicht machen wollte.
Und ich konnte bei Samu sein.
„Du bekommst auch money", lachte er tief, „du sollst nicht machen nur for me or Mikko or Niila or damit du hast something to do. Es ist important for me and Niila, dass there is always a person for him. Sometimes I said, dass ich komme, but dann ich konnte nicht, weil something war mit die Band or I did something for the german TV."
„Ich machs", gab ich schnell von mir.
Darüber musste ich nicht nachdenken.
Was hielt mich in Deutschland?
Nichts und niemand.
Hier war der Mann, der ich liebte.
Und das war alles, was für mich zählte.
„That's my girl", er küsste meine Wange und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Wir saßen noch einige Minuten schweigend nebeneinander und schwitzten um die Wette. Mein Körper konnte und wollte sich nicht an dieses Ritual gewöhnen. Samu konnte in einer Sauna schlafen, aber ich begann nach wenigen Sekunden so sehr zu schwitzen an, dass mich eine halbe Stunde ausgetrocknet hätte wie eine Sultanine.
Ich verließ einige Minuten vor Samu die Sauna, wickelte mich in frisches Handtuch und wollte in das Badezimmer gehen, als er mich plötzlich von hinten an den Hüften packte, mich durch den kleinen Flur schleifte und die Tür zu dem Vorraum aufriss.
„Du musst nehmen eine cold shower", hörte ich ihn an meinem Ohr grinsen.
„Vergiss das", flehte ich.
„No", Samu umklammerte mich fester, trug mich sogar schrittweise und zog die Eingangstür der Holzhütte auf.
Es war nicht kalt. Aber die Vorstellung, dass ich gleich in einem der Schneeberge rund um den Eingang herum fallen würde, ließ mich erschaudern.
„Bitte nicht."
„Du musst machen once in your life."
„Aber nicht jetzt", entschied ich, „morgen. Oder übermorgen. Vielleicht in zwei Jahren."
„No."
Samu war immer noch hinter mir und presste sich jetzt fester an mich.
„Ich will echt nicht."
„Trust me, ok?", flüsterte er.
„Du lässt uns fallen, oder?"
„Trust me."
„Tust du?"
„Vertrau mich."
„Mach ich."
„Dann close your eyes."
Ich kniff die Augen fest zusammen und bemerkte Samu tief ein und ausatmen.
„Fallen wir?"
„Together", flüsterte er sanft in mein Ohr, bevor ich den kalten Schnee auf meiner Haut spürte und kurz quietschte.


Der Kamin hatte den kompletten Raum erwärmt, weshalb es mir möglich war, nur in Boxershorts mit der Gitarre auf dem Schoß auf dem Bett in dem Bereich der Glaskuppel zu sitzen. Ich wartete darauf, dass Emma endlich aus dem Badezimmer kam. Sie war nach dem Bad im Schnee ins Badezimmer gerannt, weil sie die Kälte auf ihrer Haut nicht ertragen konnte. Sie musste duschen. Das tat sie aber bereits über eine halbe Stunde. So entschloss ich mich, einige alte Lieder wieder aus meinem Repertoire zu kramen und hier und da vielleicht sogar etwas zu verändern und sie dann neu aufzunehmen.
Als ich die Tür des Badezimmers hörte, drehte ich mich um und sah Emma mit hohem Zopf und einem meiner Sweatshirtpullover, der ihr fasst bis zu den Knien ging, auf mich zukommen.
So liebte ich sie am meisten.
Schlafzimmerblick, kein Make-Up, nur sie.
In einem meiner Pullover, der ihr viel zu groß war.
„Hei", Emma lehnte sich von hinten an mich und verteilte Küsse in meinem Nacken.
„Du bekommst deine christmas present nicht", lachte ich und ließ die Hände über die Saiten meiner Gibson fliegen, „du kannst kussen as much as du willst."
„Das mach ich sowieso", ich hörte das Grinsen in ihrer Stimme, als sie die Abstände zwischen den Küssen verkürzte.
„Come on now this is all we have and we need to make it right", flüsterte ich leise vor mich hin und wechselte den Akkord zur Probe, „we just need to stay this brave I know we can make it."
Emma schlang ihre Beine rechts und links um mich, schmiegte ihre Hände an meinen nackten Bauch und legte ihren Kopf auf meinen Schulterblättern ab.
„Come on now this is all we want I know it deep inside. I can feel my heart just beating for you and for me. And it's all gonna make us crazy I know it. And it's all gonna be a bit strange. I will eat you alive, kiss you to clouds, tell you „i love you" till you say „stop". You're gonna get the stars and the moon. Th..."
„That's all", fiel sie mir leise ins Wort und ergänzte so den fehlenden Text, „das ist alles."
Ich ließ nochmal die einige Akkorde erklingen, bis ich immer leiser wurde und letztendlich ganz verstummte.
„Yes", ich lehnte die Gitarre an die mir gegenüberliegende Wand drehte mich zu Emma um, „that's all."
Ihre Hände glitten von meiner Brust, über meine Seiten. Noch einen kurzen Kuss senkte sie auf meinen Rücken, bevor sie sich vom Bett erhob und vor mir stand.
„Ich muss dir was zeigen", grinste sie und legte ihre Hände auf meine Schultern.
„Yeah?", fragte ich und zog sie an ihrer Hüfte zu mir, bevor ich ihren Bauch durch den Pullover küsste.
Sie wich mit einem breiten Grinsen auf den Lippen einen Schritt von mir zurück, fasste an den Saum des Pullovers und zog ihn über den Kopf.
Drunter trug Emma ein weißes Negligé mit weißer Spitze am Dekolleté.
„Was ist das fur eine sexy thing?", wollte ich wissen und machte große Augen.
„Ich hab das noch nie angehabt", meinte sie und zupfte an den Trägern herum, „das ist das, was Leni mir damals geschenkt hat. Ich wusste nicht, ob ich es schaffe, es in meine Tasche zu schummeln. Das ist auch irgendwie ein komisches Gefühl. Ich hab es dann aber doch mitgenommen, weil ich es eigentlich ganz hübsch finde."
Mir wurde heiß.
Und das nicht, weil der Kamin in der Ecke an war.
„You can leave you head on, lady", grinste ich, legte meine Hände auf ihren Po und holte sie zu mir zurück.
„Ist das schräg?", Emma legte ihre Hände um mein Gesicht und strich liebevoll die Strähnen nach hinten.
„No", ich schüttelte leicht mit dem Kopf, damit sie mich bloß nicht wieder losließ, „die psychobitch hat eine gute Geschmeck. You're looking really really really good. But I like it more, wenn du hast an nothing."
„Ich schick es der Gestörten auf jeden Fall nicht zurück", grinste Emma, beugte sich zu mir herunter und lehnte ihre Stirn an meine.
„Ich bin glucklich", wisperte ich ihr entgegen und schloss die Augen, „hab ich gesagt das schon?"
„Nein, hast du nicht", ich hörte dass Schmunzeln in ihrer Stimme.
Dieses unbeschreibliche Gefühl hatte ich eine ganze Zeit lang niemanden gegenüber mehr empfunden.
Diese Herzenswärme, die Emma mir entgegen brachte, war einmalig und katapultierte mich direkt in eine andere Sphäre. Ein einziger Gedanke an diese Frau versüßte mir in vielerlei Hinsicht meinen langweiligen Arbeitstag.
Lange hatte ich mich mit Frauen der schlimmsten Sorte abgegeben, weil ich dachte, dass ich Emma nicht in meinem Leben brauchen würde.
Ein Fehler.
Sie wusste, wo meine Lieblingseisdiele war, dass ich gut kochen konnte, wenn ich Lust dazu hatte, dass ich eher der Meer- als Pooltyp war, wer mein musikalisches Vorbild war, seitdem ich klein war, wen ich bewunderte und dass ich bei Monopoly das Spielbrett vom Tisch fegte, wenn ich nicht im Besitz der vier Bahnhöfe sein konnte.
Wir begegneten uns auf Augenhöhe und respektierten einander.
Ich vertraute ihr blind.
Sie war da.
Immer.
Und ich liebte sie.
Unfuckingfassbar.
„Dann ich sage now again", ich streckte meinen Kopf zu ihr, „ich bin happy."
„Ich auch", ich spürte ihren Atem auf meinem Gesicht.
„Mit dir", fügte ich hinzu und zog sie näher zu mir an das Bett.

Just friends?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt