Grinsen war gut

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Ich winkte Leni provokant zu und legte Emma eine Hand auf die Schulter, bevor ich mich an ihr vorbeischob und zu den restlichen Partygästen ins Wohnzimmer ging, während Leni Emma in die Küche zerrte.
„Good evening", sagte ich, steckte die Sonnenbrille an meinen Kragen und begutachtete die Runde, bestehend aus einem Skelett, einem Mönch, einem Fußballer und Ed Sheeran, der eine Kindergitarre um den Hals trug.
„Alter, was machst du denn hier?", unterbrach Ed das angeregte Gespräch, dessen Thema ich nicht verfolgt hatte, sprang auf, drückte mich und klopfte mir freundschaftlich auf den Rücken.
„Hei Ed", grinste ich und schüttelte nochmal seine Hand.
„Krass. Wir haben uns ewig nicht gesehen."
„Happy birthday", entgegnete ich, als ich 1 und 1 zusammenzählte und bemerkte, dass es Emmas Bruder war, mit dem ich sprach. Ich persönlich fand, dass er eher ein Ron Weasley als ein Ed Sheeran war. Aber vielleicht dachte er auch von mir, dass eine Verkleidung zum Bauarbeiter besser zu mir gepasst hätte.
„Danke", grinste er schelmisch, „wie kannst du dir das nur merken?"
„I try my best", lächelte ich.
„Jungs", Daniel klopfte mir nochmal auf den Rücken, „das ist Samu."
Der Mönch nickte mir zu und hob sowohl grinsend, als auch grüßend die Hand.
„Julian kennst du ja", instruierte Daniel mich, „das sind Marius und Jan."
„Was willst du hier?", fuhr Jan mich sofort an, als er aufstand und mir seine Patschehande entgegen streckte.
„Same procedure as every year", meinte ich nüchtern und schüttelte ihm mit einem festen Händedruck die Hand.
Lappen.
„Ich kann mich nicht erinnern, dass du die letztes Jahr hier gewesen bist."
„Maybe Emma was with me", zwinkerte ich und schlug bei Marius und Julian ein.
Jan war sichtlich verunsichert. Vermutlich dachte sein Erbsenhirn gerade darüber nach, wo er seine Freundin letztes Jahr an ihrem Geburtstag gelassen hatte.
„Das kann nicht sein", sagte er nach einer kurzen Pause, „da war ich mit Emma zusammen."
„Hm, wenn du glaubst", ich rollte die Augen, nahm das Bier, das Daniel für mich geöffnet hatte, entgegen und trank einen großen Schluck.
„Oder?", fragte Jan in die Runde.
„Keine Ahnung, Bruder", Marius zuckte mit den Schultern und ließ sich mit der Bierflasche in der Hand in die Kissen sinken.
Den wollte Emmas beste Freundin heiraten?
Seine monotone Stimme unterstützte nur noch das Bild, was ich von ihm hatte.
Als wäre er nicht so ganz die hellste Kerze auf der Torte.
Auch Julian zog die Schultern hoch und aß dann etwas von den Rauchmandeln, die auf dem Tisch standen.
„Wie war deine Tour?", fragte Daniel interessierte und rutschte, damit ich mich zwischen ihn und seinen Mann setzen konnte, „ich hab nicht alles verfolgt, aber das, was ich gesehen hab, war gut."
„Ey Daniel?", Jan wandte sich direkt an ihn und beugte sich vor, „wo war Emma letztes Jahr?"
„Ich weiß es nicht, Hase", seufzte Emmas Zwillingsbruder, schielte kurz an mir vorbei und nahm dann wieder Augenkontakt zu mir auf, „waren die Zahlen gut?"
„Ich kann nicht sagen no", lachte ich, „woher du weißt von die Tour?"
„Ey, alter Mann", Jan streckte das Kinn auffordernd in meine Richtung, „was willst du hier eigentlich?"
„Jan", ermahnte Julian ihn.
„Was ist deine problem?", ich wendete mich dem homophoben Krawattenträger zu, stemmte die Ellenbogen auf die Knie und faltete die Hände.
„Du bist mein Problem."
„Jan", schaltete Daniel sich ein, „komm mal runter.
„Was willst du hier, Greis?"
„Celebrating eine birthday and you?", stichelte ich gelassen.
Hatte da etwa jemand Lunte gerochen und musste sein Revier markieren?
„Celebrating eine birthday", äffte er mich mit piepsiger Stimme nach, „kannst du kein Deutsch?"
„Kannst du Finnisch?", warf Marius ein und ernte prompt einen Todesblick von Jan.
„Ich hab deine Tour auf jeden Fall verfolgt", tippte Daniel mir auf die Schulter und lenkte von Jan ab, „was denkst du denn?"
„Are you eine Groupie now?", grinste ich.
„Ich glaube, das überlasse ich lieber den Leuten, die das besser können als ich", flüsterte er und deutete mit der Bierflasche am Mund auf den offenen Eingang des Wohnzimmers.
Emma hatte ein Tablett mit dem Fingerfood in der Hand, während Leni an ihr vorbeisauste, um Pappteller auf den Esstisch zu legen.
„Samu", sie warf mir einen bösen Blick zu und nickte.
„Marlen" nickte ich ebenfalls und schaute Emma an, die unsicher grinste.
„Kann ich was helfen, Schatz?", das Skelett sprang auf, als wäre nichts gewesen, grinste wie ein Honigkuchenpferd, legte seine Griffel um Emmas Hüfte und küsste ihre Wange.
Lackaffe.
Sowas widerliches.
Es wunderte mich, dass er nicht gefragt hatte, seit wann ich schon da war. Hätte er es getan, hätte ich Emma zuliebe gelogen. Aber am liebsten hätte ich ihm die Wahrheit unter die Nase gerieben. Dass ich vor ihm da war, eine wunderschöne Nacht mit ihr verbracht hatte und es mich wahnsinnig machte, wenn sie immer und immer wieder die Stelle unter meinem Kehlkopf küsste.
Ich hoffte, dass ich Emma nun eindeutig genug signalisiert hatte, dass ich nächste Woche nicht irgendwo in einem fremden Bett in Helsinki aufwachen wollte. Eine Garantie für irgendetwas gab es nicht. Schon gar nicht bei Emma und mir. Düsseldorf, der Kuss am Taxi, mein vorzeitiges Auftauchen, über das sie sich unglaublich gefreut hatte, die Kette, die ich ihr mit neuem Anhänger zurückgab und nicht zu vergessen der Sex, der anders war als die Male davor. Ich war mir sicher, was ich wollte. Schon bevor ich den Wagen vor der Tür geparkt hatte.
„Du kannst 'ne Vase für die Blumen holen", meinte sie, ohne ihn anzusehen und zeigte mit der flachen Hand auf den Strauß Rosen, der unliebevoll auf dem Tisch lag.
Emma hasste nichts mehr als Rosen.
Das wusste ich sogar.
Warum wusste er das nicht?
Sowas wusste man doch von der Frau, die man liebte.
Wieder küsste Jan ihre Wange, nickte zustimmend und verschwand dann mit dem Blumenstrauß in der Küche.
Emma lächelte mich etwas verloren an.
Sie liebte diesen Kerl nicht. Auf keinen Fall. Das sah ein Blinder. Ob sie jemals sowas wie Liebe für ihn empfunden hatte, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
„Das hat nichts mit Liebe zu tun", hatte sie bei dem Konzert in der Zeche gesagt. Hatten sich ihre Gefühle für ihn danach wieder geändert? Schließlich spekulierte sie schon auf eine Trennung, als wir noch bei mir in Munkkiniemi darüber sprachen, dass es noch neun Monate dauert, bis Leni unter die Haube kam. Mittlerweile waren es nur noch knapp zwei. Die Zeit dazwischen hatte sie gut gemeistert. Vielleicht lag das aber auch daran, dass Jan für irgendetwas nach Österreich gefahren war. Ich wusste es nicht. Die Information, dass er nicht da war, reichte mir. Sollte er bleiben, wo die Sonne nicht schien.
„Samu?",Emma stellte das Essen auf den Esszimmertisch und strich ihren Rock glatt.
„Hm?", sofort entknitterte ich meine Stirn.
„Kannst du gute Musik raussuchen?"
„Er singt bei einer finnischen Popband", Leni war wieder hereingekommen und pfefferte das Besteck auf den Tisch, „was erwartest du da?"
„Oh", lachte ich honorierend, „why so fucking bitchy, Leni?"
„Weil du 'n Arsch bist", grinste Leni falsch, winkte Julian, Marius und Daniel zu sich und verschwand mit ihnen wieder in der Küche.
„Tut mir leid", Emma zuckte entschuldigend mit den Schultern.
Ich stand auf, ging auf sie zu und strich ihr über die Oberarme.
Sie umschloss meine Handgelenke mit ihren Händen.
„Alles ok? Was hat sie gesagt in die kitchen?"
„Später", wisperte sie, schenkte mir ein Lächeln und zeigte auf die Anlage, „würdest du?"
„Sure", grinste ich sie an, steckte mein Handy in die Dockingstation auf dem Regal und startete eine Playlist mit Liedern aus den 90ern.


Je später es wurde, desto voller wurde Emmas kleine Wohnung und desto seltener bekam ich sie zu Gesicht. Aber wenn ich sie sah, musste ich grinsen. Sie stackste auf ihren Lackschuhen durch die Wohnung und schien sich immer wieder zu vergewissern, ob ich immer noch da war. Sobald sie den Flur entlang ging, suchten ihre Augen das Sofa ab. Dann lächelte sie mir zu und ging weiter. Sie begrüßte, führte Pflichtgespräch mit jedem der verkleideten Gäste, ohne gestresst oder unfreundlich zu wirken und nahm sich für jeden Einzelnen ausreichend Zeit. Die Stimmung war sehr locker. Alle aßen und tranken, tanzten und grölten bei Songs wie „Everybody" von den Backstreet Boys hysterisch mit. Ich hielt mich den Abend über an Daniel und Julian, die mich beide nicht so sehr hassten wie Leni. Immer, wenn sich unsere Blicke trafen, schien sich mich damit töten zu wollen. Aber ich war cool und nickte ihr immer wieder freundlich zu. Ich brauchte dieses alberne Getue nicht. Ich war da, weil Emma wollte, dass ich es war. Nicht, um Marlen irgendwie zu provozieren. Jan nahm ich auch nur nebenbei wahr. Er war ständig auf der Suche nach Emma, schüttelte wie ein Vertreter die Hände der Gäste und strafte mich mit Ignoranz.
Wow.
Toll.
Ich war begeistert von diesem Verhalten. Ich führte dieses Gehabe auf seinen kleinen Schwanz in seinem hässlichen Kostüm zurück.
Anders konnte ich mir diesen Affentanz nicht erklären.
Ich saß mit Julian auf der Couch, hörte mittlerweile die Hits von 1998 bis 1999 und unterhielt mich über Autos, als Jan sich neben mich setzte und mir provokant gegen den Oberarm stieß.
„What?"
„What?", äffte er wieder, „du bist ja immer noch hier."
„Ich gehe, wenn Emma sagt I have to."
„I have to", machte er sich lustig, „dein Deutsch ist beschissen, Freundchen."
„Dein Finnisch auch."
„Die Sprache braucht auch kein Mensch."
„5 Millionen people in Finnland schon", klugscheißerte ich.
„Whatever", meinte Jan und klopfte mir auf die Schulter, „ich bin nur hier, um dir zu sagen, dass du aufhören sollst, Emma anzustarren, wenn du sie in diesem Durcheinander siehst. Sie findet das unangenehm."
„Yes?", ich musste ein Lachen unterdrücken.
„Ja. Sie will dich nicht verletzen. Du weißt ja sicher, wie sie ist", meinte er arrogant.
„Aha", entgegnete ich, drehte mich Julian wieder zu und wollte gerade wieder von meinem erstes Cabrio erzählen, als Jan mich wieder antippte.
„Was?", genervt drehte ich mich um.
„Hör auf, sie anglotzen, ok? Sie steht nicht auf alte Männer. Komm damit klar."
Ich lächelte müde, entschuldigte mich bei Julian, stand auf, fingerte die Zigarettenschachtel aus meiner Hosentasche, schob mich durch die Menschen im Flur und stieß mit Emma zusammen, als ich aus der Wohnung trat.
„Ich hab dich lange nicht in voller Größe gesehen", grinste sie erfreut und zog mich auf die Treppe, vorbei an ihren ebenfalls rauchenden Arbeitskollegen und Freunden.
Ich steckte mir die Zigarette in den Mundwinkel, zündete sie an, setzte mich breitbeinig auf die Stufe neben Emma und hielt ihr die Zigarette hin.
Sie zog kurz daran, gab sie mir wieder zurück und strich sich über die Unterschenkel.
„Alles ok?", grinste sie schief, was wegen ihrer Kontaktlinsen gruselig aussah.
„Sure, you?"
„Ich wäre gern öfter bei dir. Aber ich hab das Gefühl, dass für jeden, der geht, sofort zwei neue kommt."
„Es ist deine birthday", ich zog an der Zigarette, „dein Tag."
Emma atmete erleichtert aus und stemmte den Kopf in die Hände.
„Lov, kommst du mal bitte?", Daniel stand plötzlich aufgeregt in der offenen Wohnungstür und wippte von dem linken auf das rechte Bein.
„Was ist?", Emma hob den Kopf und starrte ihren Zwilling leidend an, „ist wieder was kaputt gegangen? Oder muss ich was aufwischen? Wenn ja, dann sag Leni, sie soll das wegmachen."
„Sie kann nicht", Daniel klopfte nervös auf seine Kindergitarre, „weil sie diejenige wäre, von der man was wegmachen müsste."
Emma sprang auf.
„Kotze?"
„Noch nicht. Sie sitzt auf der Toilette."
„Hat sie 'n Eimer?"
Daniel zuckte mit den Schulter.
„Das würde ich ihr wünschen."
„Wir sehen uns gleich, ja?", Emma sah mich erwartungsvoll an.
„Take your time", grinste ich und rauchte auf, während Emma und Daniel in dem Gewusel im Inneren verschwanden.


Als ich wieder zurück in die Wohnung ging, kam Jan mir entgegen.
„Der Aufwand lohnt sich für dich nicht im Geringsten, alter Mann", sagte er und stieß mir im Vorbeigehen fest gegen die Schulter.
Pisser.
Aber ich blieb cool. Obwohl ich ihm für seine dummen Sprüche gerne die Nase gebrochen hätte.
Gerade wollte ich mich wieder zu Julian auf die Couch im Wohnzimmer setzen, als Emma aus dem Badezimmer eilte, mich erblickte und süß lächelte. Das war eine Genugtuung für mich. Weil sie mich angrinste. Und nicht diesen Lappen von Mann, der auf Konzerten unglaublich hässliche Krawatten trug. Sowieso hatte ich Emma den Abend über wenig mit Jan gesehen, was mich innerlich jubeln ließ. So hatte er keine Möglichkeit, sie ständig anzufassen.
„Wie ist Leni?", fragte ich.
„Geht. Sie hat 'n bisschen zu viel getrunken. Ich hab ihr einen Waschlappen gegeben und bring sie gleich ins Bett. Aber ich brauch noch 'n Eimer", sie ging in die Küche, riss den Schrank unter der Spüle auf, wühlte sich durch verschiedene Flaschen Reiniger und raste dann wieder an mir vorbei.
Ich ging hinterher und lehnte am Türrahmen der offenen Badezimmertür.
Das Häufchen Elend, alias Leni, saß auf der Toilette. Ihr Gesicht war kreidebleich, das Make-Up vollkommen zerstört und ihre Haare glichen einem alten Besen aus einem Kellerloch.
„Was will er hier?", lallte sie Emma an, die ihr erneut den Waschlappen tränkte, „er soll gehen!"
„Jaja", Emma wirkte genervt, „bleib kurz hier sitzen, ok?"
„Aber nur", hickste ihre beste Freundin und hielt sich die Hand vor den Mund, „wenn er geht."
„Sei nicht albern und benimm dich", sie drehte sich zu mir, „kannst du gucken, dass sie nicht kotzt? Du musst auch nicht mit ihr reden. Nur gucken."
„Sure", nickte ich.
„Dankeschön", Emma schmunzelte, nahm den Putzeimer und ging damit vermutlich ins Schlafzimmer.
„Was willst du hier eigentlich? Keiner will dich hier sehen", stammelte Leni, als Emma außer Hörweite war.
„Emma invited mich", wieder grinste ich in mich hinein.
Den ganzen Abend über musste ich mir dieses Gequatsche anhören. Langsam aber sicher störte es mich nicht mehr. Aber die Platte war immer die Gleiche.
Es langweilte mich.
„Als ob sie dich eingeladen hätte, Samu. Sie braucht dich nicht", sie stieß auf und presste die Hand vor den Mund.
„Toilet!", ich ging schnell zu ihr, half ihr hoch, hob den Toilettendeckel an und platzierte sie über der Schüssel.
Einige Male würgte sie.
„Kommt nichts", winselte sie leidend und hustete.
„That sounds good", meinte ich und fixierte meine Schuhe, „aber ist better now?"
„Ich weiß nicht", schluchzte sie, legte die Arme stützend auf den Toilettendeckel und presste die Stirn daran, „ich will das nicht."
„You can believe me, dass ich das auch nicht will."
„Ich kann mir auch besseres vorstellen, als hier mit dir zu sein", nuschelte sie.
„Me too."
„Meine Fresse bist du", wieder stieß Marlen auf.
„Yes?"
„Arrogant."
Ohne noch etwas zu sagen, verließ ich das Badezimmer und ging in das Schlafzimmer. Und hoffte, Emma hier anzutreffen.
Glücklicherweise stand sie gerade auf dem Bett und schloss das Fenster.
„Sie ist out of diese Leben", lachte ich und hielt ihr meine Hand hin, an der sich sofort festkrallte und vom Bett stieg.
„Echt?"
Ich nickte.
„Dann sag ich Marius, er soll mit ihr nach Hause fahren", erörterte Emma und hielt immer noch meine Hand, „dann muss ich keine Angst haben, dass sie mein Bett vollkotzt."
„Das ist gut", ich verhakte unsere Finger miteinander und streichelte mit dem Daumen über ihren Handrücken, „sie ist drunk. Es kann nur werden besser."
„Ja", grinste sie und schaute auf unsere Hände.
„Schatz?", hörte ich Jan laut rufen.
Sofort blies Emma die Wangen wie ein Laubfrosch auf, warf den Kopf in den Nacken und sah genervt zur Decke.
„Schatz?", dieses Mal war es lauter und um einiges näher.
Als Jan das Schlafzimmer betrat, ging er schnurstracks auf Emma zu, legte den Arm um sie und küsste ihre Schläfe.
Erst da ließ sie meine Hand los.
Hatte er nicht gesehen, dass er zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt gekommen war?
Warum löste er sich nicht einfach in Luft auf?
„Warum sagst du denn nichts, Süße?", abermals küsste das Skelett ihre Schläfe und funkelte mich böse an.
Ich grinste nur. Weil mir langsam aber sicher nichts anderes mehr einfiel.
Grinsen war gut.
„Darf ich mal?", Emma starrte zu Boden, nahm Jans Arm von ihrer Schulter und verließ das Schlafzimmer.
Ich wollte hinterher gehen, aber Jan hielt mich am Arm fest.
„Ich hab wirklich keine Ahnung, was du hier machst, Freundchen. Sie ist nicht mehr in dich verliebt und du bist hier nicht willkommen. Also nimm deine Jacke und sieh zu, dass du Land gewinnst."
„Wenn nicht?", ich presste die Lippen vor Erheiterung zusammen, „was ist, if I stay?"
„Fordere mich nicht heraus, Opa", er ließ mich los und klopfte mir auf die Brust, „sonst reiß ich dir die Eier ab und werfe sie bis nach Helsinki."
„Can I get a blowjob first?", lachte ich, presste die Zunge an die Innenseite meiner Wange und war dabei, meinen Gürtel zu öffnen.
„Vorsichtig", er tippte mir auf die Brust, „lass deine Finger bei dir und dir passiert nichts."
„I thought you know that."
„Was?", fuhr er mich an.
„How to do a blowjob."
„Pass auf, was du sagst. Ehrlich", drohte Jan.
„Du warst doch eine altar boy, not?", ich öffnete den Knopf meiner Hose, „you should remember diese practice."
„Treib es nicht auf die Spitze, Freundchen."
„You don't want?", ich streckte ihm mein Becken entgegen.
„Verpiss dich einfach von hier."
Das war zu viel für mich.
Mir schossen vor Lachen die Tränen in die Augen.
Ich knöpfte die Hose wieder zu, verschloss meinen Gürtel, klopfte Jan mitleidig auf die Schulter und ließ ihn im Schlafzimmer stehen.
Vielleicht hatte er wirklich einen kleinen Schwanz.
Vielleicht hatte ihn seine Mutter auch einfach nie richtig geliebt. Oder zu wenig.
Vielleicht war sie aber auch zu streng mit ihm. Und deswegen hatte er kein Selbstbewusstsein und riss sein vorlautes Mundwerk hier auf.
Vielleicht holte er sich immer noch heimlich unter der Bettdecke einen runter und betete anschließend drei Ave Maria, weil seine Mama schon damals gesagt hat, dass er davon erblinden würde.
Vielleicht war er der Typ Mann –oder Lappen-, der nach dem Sex sofort duschen ging und sich dann um seine Frisur kümmerte.
Ich mochte es ganz gerne, wenn Emma das tat. Durch meine Haare fahren, sie nach hinten streichen und die Haarspitzen im Nacken zwischen den Fingern eindrehen.
Keine Ahnung, warum Jan –auch da- so spießig war.
Als ich aus dem Schlafzimmer kam, verschwand Emma gerade im Badezimmer.
Sofort machte ich einen Schlenker, riss die Tür auf, schloss sie hinter mir und drehte den Schlüssel im Schloss herum.
„Ist sie weg?", fragte ich und legte Emma, die am Waschbecken stand und sich die Hände wusch, die Hände auf die Schultern.
„Marius hat sie gerade die Treppen hochgeschleift, ja", nickte sie und sah mich durch den Spiegel an.
Ich tippte auf ihren Schultern herum und begann, sanft ihren Nacken zu massieren. Sofort stemmte sie die Hände auf das Waschbecken und legte den Kopf auf die Brust.
„Let yourself go", flüsterte ich an ihrem Ohr und hauchte einen Kuss dahinter.
Sie verschränkte die Unterarme auf dem Waschbecken und legte den Kopf darauf ab.
„Ok", nuschelte sie und bewegte ihre Schultern in meine Richtung, „mach ich."
Einen Moment lang war es ganz still.
Emma schwieg, ließ sich von mir massieren, hob dann den Kopf und schaute müde in den Spiegel, bevor sie ihren Nacken nach rechts und links knacken ließ. Sie drehte sich zu mir um, umfasste meine Hand mit ihren und fuhr die Adern auf dem Handrücken mit den Fingerspitzen nach.
„Zauberhände", sagte sie leise, „was willst du dafür?"
„Well", ich hob ihren Kopf an und sah in ihre tiefschwarzen Augen, „ich finde knutschten und cookies ganz geil."
„Kekse hab ich leider nicht."
„I know", zwinkerte ich.
Sie ließ meine Hand los, musterte mich und umschloss mein Gesicht mit ihren kleinen Händen. Behutsam strich Emma mit den Daumen über meinen stoppeligen Bart und legte eine verirrte Haarsträhne, die zwischen meinen Augen hing, zur Seite.
Auch das mochte ich.
Ich streichelte mit den Fingern über ihr weiß-gemaltes Gesicht, fixierte ihre Lippen und strich über diese. Emmas Mundwinkel zuckten.
„You're looking creepy mit deine lenses", merkte ich an und fuhr die geschwungenen Konturen ihrer immer noch blutroten Lippen nach.
„Vielleicht musst du einfach die Augen zu machen", grinste sie.
„Maybe du musst machen deine Auge zu", erwiderte ich.
Emma korrigierte ihre Haltung, kniff die Augen zusammen und ließ ihre Hände über meinen Hals gleiten.
„Besser?"
„Less creepy", lachte ich und küsste sie ungefragt.
Emma schlang ihre Arme um meinen Nacken und zwirbelte die Haarspitzen an meinem Nacken ein.
Ich umfasste ihre Taille, ließ meine Hände unter ihrer Bluse verschwinden, zog sie dichter und saugte sanft an ihrer Unterlippe.
Fordernd stieß sie mit ihrer Zunge an meine, intensivierte den Kuss, wurde leidenschaftlicher und löste sich dann von mir, ohne die Augen zu öffnen.
„Ich will den Moment nicht zerstören, wenn ich jetzt die Augen auf mache", meinte Emma und legte Hände auf meine Brust.
„Machst du nicht", ich schloss die Augen, „ich habe zu."
„Ok", lachte sie und erschuf eine kurze Pause, „sehen wir uns im Wohnzimmer?"
„Sure", nickte ich und ließ meine Hände zurück an ihre Taille wandern.
„Gut", flüsterte sie nah an meinem Ohr und hauchte mir dann einen unschuldigen Kuss auf die Lippen, „ich freu mich."
Ich hörte noch, wie sie den Schlüssel im Schloss umdrehte und die Tür leise hinter sich schloss.

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