Little bit of everything

500 17 1
                                    

Ich war zum Parkhaus gerannt und saß keine Minute in meinem Wagen, da begann ich schon wie ein wütender Teenager auf das schwarze Lenkrad einzuhämmern.
Ich liebte Kaffee.
Am besten mit einem Schuss Milch.
Aber nur, wenn er heiß war.
Aufgewärmt überließ ich ihn lieber anderen Menschen.
Menschen, die ihn besser herunterspülen konnten, wenn er nur noch lauwarm war.
Und genau so war es mit Emma.
Dieser ewige Körperkontakt, die ständigen Küsse und ihre Nähe lösten etwas in mir aus. Das war selbstverständlich. Niemand würde bei so viel Kontakt und Zuneigung gar nichts fühlen. Das war nicht möglich.
Aber das brachte mich dazu, ein Gefühl des Wohlbefindens zu entwickeln.
Ich genoss ihre Nähe, ihre Berührungen auf meiner Haut, ihre Küsse.
Ich startete den Motor des BMWs und ließ ihn laut aufheulen, stöpselte mein Handy an das Ladekabel und freute mich über Keith Urbans Stimme, die an mein Ohr drang.
Schneller als erlaubt raste ich aus dem Parkhaus, über die Autobahn, auf die Landstraße nach Munkkiniemi.
Während ich „Little bit of everything" in Dauerschleife hörte und laut mitsang, rauschten Bäume, in einer Allee angeordnet, an mir vorbei, ebenso wie die unzähligen Felder, die im Sommer wieder von Bauern bestellt wurden.
Kurz vor dem Stadtkern, piepte meine Tankanzeige und forderte mich auf, unverzüglich zu tanken.
Ich fuhr auf meine Stammtankstelle im Ortskern zu, drehte die Lautstärke herab und ließ die Zapfsäulen ihren Job machen. Als der Zapfhahn laut klackte, um mir zu signalisieren, dass der Tank komplett aufgefüllt war, fingerte ich mein Portemonnaie aus dem Seitenfach der Fahrertür. Ich öffnete den Druckknopf des Münzfaches, um meine Kreditkarte herauszuholen. Dabei fiel mir Emmas Kette mit dem Kofferanhänger in die Hände.
Die gesamte Fahrt über hatte ich keinen Gedanken an Emma vergeudet und hatte es geschafft, sie verdrängen zu können.
Aber jetzt war sie wieder allgegenwärtig.
Wütend zog ich die Kette heraus und warf sie verknotet in den hinteren Bereich des Wagens.
Warum sollte ich sie auch weiter mit mir herumtragen?
Sollte sie dort anlaufen und von den Leuten der Autoreinigung geklaut werden, wenn ich es das nächste Mal zur Reinigung brachte.
Bei jeder meiner Bettgeschichten war ich Herr der Lage gewesen.
Ich war auf meine Kosten gekommen, sie auch, ich verschwand.
Jedes Mal.
Selbst am Anfang der Beziehung mit Vivianne lief es nicht anders.
Selbst bei Mirja.
Aber nicht bei Emma.
Diese Nähe auf meiner Couch war nur dadurch entstanden, weil wir uns so gut und relativ lange kannten.
Wir pflegten eine Freundschaft, die ich zu keiner meiner Bettgeschichte hatte.
Das hatte vor allem geistige Gründe.
Sie war vermutlich meine beste Freundin.
Meine beste Freundin, mit der ich wahnsinnig gerne Sex hatte, weil er einfach gut war.
Glücklicherweise hatte sie mir nicht übel genommen, dass ich „dumm fickt gut" gesagt hatte.
Das traf auf sie auch zu.
Aber sie hatte Gehirn.
Eine eigene Meinung.
Einen eigenen Kopf.
Nicht so wie Mirja oder Vivianne, die mir beide nach dem Mund geredet hatten.
Ausnahmen bestätigten in diesem Fall vielleicht die Regeln?
Ich bezahlte das gezapfte Benzin an der Kasse und ließ mich anschließend wieder in den Sitz meines Autos fallen.
Kaum war der Motor gestartet, ertönte Keith Urbans Stimme erneut, lenkte mich dieses Mal aber nicht ab.
Durch den abendlichen Stadtverkehr kam ich nur relativ langsam voran und konnte irgendwann nicht mehr gegen den Gedanken ankämpfen, Emma dauerhaft um mich herum zu haben. Wie wäre es, wenn sie immer da wäre? Wenn sie morgens neben mir aufwachen würde? Immer? Ich stieß einen Seufzer aus und schüttelte den Kopf.
Keine Chance.
Soweit hatte ich damals nicht gedacht; soweit sollte ich jetzt nicht mal ansatzweise denken.
Wir waren zwar beiden in den vergangenen Jahren reifer und erwachsener geworden; vor allem letzteres traf auf Emma zu. Sie reflektierte mehr, sah ihre Fehler schneller ein und war lockerer. Trotzdem war sie zwischenzeitlich etwas abgedriftet. Ich nahm es mit Humor; auch, weil mir nichts anderes übrig blieb. Ich hatte sie innerhalb von wenigen Stunden dazu bringen können, sich bei mir zu entschuldigen. Das wäre noch vor zwei Jahren undenkbar gewesen.
Aber ich kannte Emma viel zu lange und zu gut.
Und es gab zu viele Dinge, die ich an ihr hasste; Dinge, mit denen ich auf Dauer nicht leben konnte.
Mein Hintermann hupte und riss mich aus diesem absurden Gedankenkonstrukt.
Ich war kein Teenager mehr und musste mir derartige Szenarien nicht mehr zurechtlegen. Abgesehen davon war es vollkommen schwachsinnig, in diese ganze Affäre mehr hineinzuinterpretieren.
Wir kannten uns, hatten Sex. Ende.
Zu Hause angekommen, hing ich meine Jacke lieblos an die Garderobe und warf den Inhalt meiner Hosentaschen unachtsam auf den Wohnzimmertisch, auf dem Kisu saß und den Kopf zur Seite neigte.
„Was?", fuhr ich sie an und verscheuchte sie damit.
Ich raufte mir die Haare, ließ mich entnervt auf die Couch fallen und kickte die Sportschuhe von meinen Füßen.
Als ich den Geruch von Lotus ausmachte, raste ich zur Balkontür und riss sie hastig auf.
Obwohl sie schon längst weg war, hing der Geruch Emmas unaufdringlichen Bodysprays überall in dem Haus.
Ich sog die kalte Luft in meine Lungen auf und stiefelte anschließend auf Socken in die Küche, um mir einen Kaffee zu machen.
Auf dem Esstisch in der Küche lag die Muschel, die Emma in Barcelona vor meiner Tür hatte liegen lassen. Emma hatte sie an die Blumenvase mit den roten Rosen vor Mirja gelehnt.
Warum?
Zaghaft strich ich über die Maserung der Muschel, umschloss sie dann mit meiner Faust und holte eine der schwarzen Tassen aus meinem Hängeschrank.
Ich wollte das nicht.
Es gab einen Grund, warum ich mich für diese Art von Lebensstil entschieden hatte.
Warum ich es vorzog, meine Bekanntschaften auf das Bett zu reduzieren, anstatt Frauen an mich ran zu lassen.
Sie.
Sie allein war der Grund dafür.
Sie hätte damals nicht dicht machen dürfen.
Denn dann hätte es Jan vielleicht nicht gegeben.
Und ich wäre nicht derjenige gewesen, der sich durch die Betten Helsinkis vögelte.
Wäre nicht der Mann, der die Gesellschaft von Mirja auf eine komische Art und Weise schätzte, weil ich es schaffte, sie einigermaßen auf Abstand zu halten.
Aber ich war derjenige, der sich eingestehen musste, dass da was zwischen Emma und mir war.
Etwas, was ich in Zukunft unterbinden musste.
Ich kannte sie.
Zu gut, als dass ich wusste, dass es für irgendetwas anderes als Sex ausreichte.
Ich wollte ein bisschen. Ein bisschen von allem. Vielleicht.
Sex ja. Mit Emma? Nein.
Nicht mehr.
Kontakt?
Auf keinen Fall.
Behutsam legte ich die Muschel auf den Boden der Tasse und reckte mich, um sie in die hinterste Ecke des Küchenschranks zu stellen, als das Handy im Wohnzimmer klingelte.
An dem Klingelton erkannte ich den Anrufer.
Mirja.
Und Emma?
Emma war weg.
Aus den Augen, aus dem Sinn.

Just friends?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt