Am Flughafen angekommen, lief Eve geradewegs auf den Firstclass Schalter zu. Ihr Koffer war um ein vielfaches schwerer geworden, als sie sich eigentlich vorgenommen hatte. Immerhin sah der Plan ursprünglich vor, ihr leeres Reisegepäck in Miami mit teuren Markenklamotten zu befüllen. Für die natürlich ebenfalls ihr Ex aufkommen sollte. Leider hatte sie es aber beim Packen doch nicht übers Herz gebracht einige ihrer Lieblingsteile zu Hause zurückzulassen, weswegen sie sich jetzt mühsam zum Check-in schleppte. Natürlich besaß dieser blöde Koffer eigentlich Rollen, aber die mussten ja gerade jetzt streiken und sich keinen Millimeter bewegen lassen. Die seitliche Wand im Eingangsbereich des Flughafengebäudes war verspiegelt und ihr eigener Anblick jagte ihr einen Schrecken ein. So abgekämpft wie sie aussah und wie ihr die Haare über die Stirn hingen, machte sie wirklich einen armseligen Eindruck. Für gewöhnlich fand sie ihr Spiegelbild ganz hübsch, auch wenn der Verrat ihres Ex' ihr Selbstbewusstsein gewiss minderte. Trotzdem mochte sie ihr dunkelbraunes Haar, obwohl es nicht das geringste Volumen hatte. Ihre blauen Augen hatte sie wahrscheinlich dem Mitteleuropäischen Einschlag ihrer Mutter zu verdanken, denn an den spanischen Genen ihres Dads, konnte es ganz bestimmt nicht liegen. Ihr Körper glich ebenfalls nicht unbedingt dem einer Latina. Klar, sie hatte ein paar Kurven, aber bei weitem nicht so ausgeprägte, wie sie es sich gewünscht hätte. Im Großen und Ganzen entsprach sie also nicht unbedingt dem, was man heutzutage als Topmodel bezeichnete, jedoch war sie auch nicht hässlich. Immer noch hatte sie den Blick auf den Spiegel gerichtet und strich sich die Strähne hinter das Ohr, welche an ihrer Stirn klebte. Als sie es dann endlich geschafft hatte, bei der Gepäckaufgabe anzukommen, atmete sie erleichtert auf. Gerade hob sie schwungvoll ihren Koffer, um ihn auf das Band zu hieven, als ganz überraschend ein Mann vor sie in die Reihe sprang. Mit voller Wucht traf sie ihn, mit ihrem Reisegepäck, an der Hüfte, woraufhin er zusammenzuckte, geräuschvoll schnaubte und sie böse anfunkelte.
Was zum Teufel ... ? Das war doch seine eigene Schuld! Wollte er etwa, dass sie sich entschuldigte, nachdem er sich einfach vorgedrängt hatte? In ihren Gedanken bildeten sich die wildesten Flüche, die sie ihm an den Kopf werfen wollte, doch dann entschied sie sich dafür, ihn einfach mit Blicken zu bekämpfen. Das war ein vollkommen untypisches Verhalten für sie, ging ihr heißblütiges Temperament doch für gewöhnlich ganz leicht mit ihr durch. Normalerweise machte sie sich erst gar nicht die Mühe sich selbst zurückzuhalten, doch dieses Mal wollte sie ihn einfach nur mit den Augen töten. Ebenso wütend wie er, starrte sie ihm in sein Gesicht. Es war ein außerordentlich nettes Gesicht. Sie konnte nicht erkennen, ob seine Augen grün oder blau waren. Seine dunklen Haare sollten wahrscheinlich eher nach hinten gekämmt sein, aber eine längere Strähne hatte sich nach vorne verirrt und hing ihm über die Nase. Ohne ihn zu kennen wusste sie, dass er ganz bestimmt einer von der Männersorte „Arschloch" war. Genau der Typ, in den sie sich wohl früher noch verliebt hätte. Arrogant und eingebildet. Ob er wohl wusste, dass er dank seiner zerzausten Frisur, im Moment bei weitem nicht so perfekt war, wie er ganz offensichtlich dachte zu sein? Eve würde sich auf jeden Fall alle Mühe geben, das nicht zu vergessen. Diese markanten Gesichtsknochen konnten sie bestimmt nicht genug beeindrucken, um darüber hinwegzutäuschen, dass er sich gerade wie ein Vollidiot aufgeführt hatte. Beinahe hätte sie ihren Starrkampf aufgeben und die Augen verdreht. Solchen Männern hatte sie ein für alle Mal abgeschworen und auch wenn er anscheinend dachte, dass er sich benehmen konnte wie auch immer er wollte, nur weil er verdammt heiß war, hatte er sich, was Eve anbelangte, geschnitten. Wie lange starrte sie ihm jetzt wohl schon in die Augen? Vier, Fünf Sekunden? Erst als sich die Mitarbeiterin der Fluglinie räusperte, die hinter ihm an dem Pult stand, wandte er sich von Eve ab. Für einen kurzen Moment dachte sie nochmals darüber nach, ob sie vielleicht doch noch ihren Platz, in der Reihe vor ihm, beanspruchen sollte. Aber sie hatte ohnehin genug Zeit bis zu ihrem Flug. Außerdem würde sie diesen Kerl nach dem Einchecken wohl nie wieder sehen, warum sollte sie sich also noch weiterhin über ihn aufregen? Als er jedoch nach mehreren Minuten seinen Koffer immer noch nicht am Gepäckband abgestellt hatte, wurde sie langsam ungeduldig. Wie lange konnte es schon dauern, einen dämlichen Flug einzuchecken? Zum Glück riss sie ihr Handy aus ihren Gedanken, bevor sie etwas Unüberlegtes tun konnte. Auf dem Display erschien der Name ihrer besten Freundin Emma. Schnell beantwortete sie den Anruf. „Na, was geht?", flötete Eve in ihr Telefon. Ihre Freundin hörte sich irgendwie außer Atem an. „Oh mein Gott, ich bin so froh, dass ich dich noch erwische. Für einen Moment dachte ich, du wärst schon in der Luft. Dabei wollte ich dir unbedingt noch persönlich einen guten Flug wünschen. Läuft denn so weit alles nach Plan?"
Eve grinste. Das war doch die perfekte Frage um Mr. Arrogant ein wenig aus der Bahn zu werfen. Etwas lauter als unbedingt notwendig, antwortete sie: „Diese Reise ist mindestens genauso beschissen wie der Grund, warum ich sie überhaupt antreten muss. Zu Beginn lässt sich mein verfickter Koffer nicht mehr ziehen ...", für den Bruchteil einer Sekunde überlegte sie, ob sie wohl zu vulgär sprach, dafür, dass sie sich in der Öffentlichkeit befand, aber sie verwarf den Gedanken sofort, denn sie kannte hier bestimmt niemanden, und es entsprach nicht ihrer Natur sich zurückzuhalten nur um anderen zu gefallen. „... Du kannst mir glauben, dieses Scheißteil ist wirklich verdammt schwer. Es hat mich alle Mühe gekostet das Gepäck hier hereinzuschleppen." Verachtend schnaubte sie. „Und als wäre das nicht schon genug, drängt sich dann so ein rücksichtsloses Arschloch vor mich in die Reihe, als ich es gerade beinahe geschafft hätte, mein Gepäck auf das Band zu heben." Sie stöhnte theatralisch auf und fügte dann belustigt hinzu: „Doch glücklicherweise hat mein Koffer ihn dabei ziemlich unsanft gestreift, hoffentlich trägt er einen großen blauen Fleck davon." Eigentlich hatte sie erwartet, dass er sich jeden Moment umdrehen und sie abermals böse anfunkeln würde, aber er stand immer noch zu dem Personal gerichtet am Schalter. Vielleicht verstand er ihre Sprache auch gar nicht. Das machte sie jedoch gleich noch wütender. Er sollte es gefälligst hören, wenn sie sich die Mühe gab, ihm all diese Dinge an den Kopf zu werfen. Beinahe hätte sie ihn laut angeschrien, konnte sich aber gerade noch stoppen. Wegen eines Wutausbruchs möglicherweise vom Flughafen verwiesen zu werden, war nicht unbedingt das was sie, auf diesem ohnehin schon schrecklichen Trip, erleben wollte. Deshalb atmete sie zwei Mal tief durch und schenkte dann wieder ihrer Freundin ihre Aufmerksamkeit.
„Er steht vor dir?", fragte ihre beste Freundin wissend. Überflüssigerweise nickte sie und sagte gleichzeitig: „Ja."
„Gut, dann lege ich jetzt auf, damit du dich nicht noch in Schwierigkeiten bringst."
„Ciao, Emma", säuselte Eve in dem süßesten Ton, den sie zustande brachte.
Mr. Arrogant drehte sich genau in dem Moment zu ihr um, als sie den Anruf wegdrückte. Zu ihrer Verwunderung grinste er nun leicht. Anstatt an ihr vorbeizugehen, blieb er direkt neben ihr stehen, so dass sie nun in entgegengesetzte Richtungen blickten. Seine Schulter berührte ihre leicht, während er den Arm vor ihrem Bauch ausstreckte und nach ihrem Koffer griff. Ganz nahe führte er seine Lippen an ihr Ohr heran, bevor er flüsterte: „So rücksichtslos ist das Arschloch gar nicht." Damit hievte er ihr Gepäckstück auf das Band und eilte dann schnellen Schrittes davon.
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Seelentattoos
RomanceAls Evelyn am Flughafen auf Daniel trifft, wirkt er auf sie genau wie der Typ Mann auf den sie sich nie wieder einlassen will. Mit all den Tattoos und seiner arroganten Art, macht er ihr bereits bei ihrer ersten Begegnung klar, dass er ganz genau we...