Kapitel 51

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Vollkommen durchgeschwitzt kam Daniel bei der Sporthalle an. Bereits vor der Umkleidekabine hatte er sich das Shirt abgestreift. Jetzt trat er durch die Tür und ließ sich sofort daneben auf die Bank nieder. Seine Glieder schmerzten. Trotz der Anstrengung des langen Laufes, den er hinter sich hatte, hatte er das Gefühl, dass diese Trägheit, die er verspürte, jedoch eher von den vergangenen Ereignissen stammte, als von der sportlichen Betätigung. „Was ist denn in dich gefahren?", begrüßte ihn James. „Schlechte Nachrichten", murrte er, fügte aber sogleich hinzu, „um ehrlich zu sein, sind es wohl eher gute Nachrichten." Er öffnete seine Straßenschuhe und ging dann auf seinen Spind zu. „Das ist einfach alles so verwirrend", wisperte er. Sein Teamkollege musterte ihn: „Willst du darüber sprechen?" Er schüttelte den Kopf und atmete dann einmal tief durch. „Noch nicht", antwortete er geistesabwesend. James nahm das so hin, sorgte sich aber dennoch um ihn. „Fire, du solltest nicht trainieren, wenn du mit den Gedanken woanders bist." Dan nickte leicht: „Ich weiß, aber ich muss." Er seufzte laut und ließ sich dann mit dem Kopf gegen das kalte Metall seines Spinds knallen, bevor er einen Schritt zurücktrat und ihn öffnete. „Hat es etwas mit Eve zu tun?", wollte sein Teamkollege wissen, der ihm gefolgt war und ihn nun mitleidig betrachtete. In diesem Moment war er froh, dass nur James in der Umkleide war. Er wusste, dass er ein guter Zuhörer war und dass er keine blöden Witze reißen würde, wie die jüngeren in ihrem Team. Trotzdem hatte er momentan einfach keine Lust sich zu offenbaren. Vor allem, weil die Vorgeschichte mit Sam einfach viel zu lange war und er sich dafür schämte, dass sein Schwanz ihn überhaupt erst in diese verzwickte Situation gebracht hatte. Trotzdem war er seinem Freund eine Antwort schuldig. „Nur zum Teil. Sie hat mir etwas verheimlicht, jedoch bin ich mir sicher, dass sie das zu meinem eigenen Besten gemacht hat. Eigentlich bin ich ihr nicht böse, aber im Moment ist selbst für mich alles ziemlich schwer zu verstehen. Können wir bitte nach dem Training darüber sprechen? Vielleicht habe ich dann den Kopf frei", bat er. James nickte zustimmend und klopfte ihm dann freundschaftlich auf die Schulter: „Lass uns die Halle zum Brennen bringen, Fire." Ja, das hatte er vor. Er würde jeden einzelnen Muskel seines Körpers so beanspruchen, dass er noch Tage später schmerzen würde und danach würde es ihm bessergehen. Das wusste er, denn so war es immer.

Energisch sprang er auf und verließ die Umkleide. Schon bei den ersten Aufwärmübungen wurde Dan klar, dass das keine gute Idee war. Er war mit dem Kopf nicht bei der Sache und übertrieb gleich anfangs, indem er die Übungen viel zu heftig ausführte. Immer noch war er nicht so sehr in Form, wie er es vor dem Anschlag war und er wusste, dass es besser wäre, er würde das Training langsam angehen. Aber das war ihm im Moment egal. Er musste sich auspowern. Sofort. Der Coach pfiff zweimal laut und alle versammelten sich rund um ihn. „Gut", schrie er „wir gehen die Spielzüge vom letzten Mal durch. Teilt euch wieder in die gleichen Gruppen. Die eine Gruppe wirft sich die Warnwesten über, die anderen bleibt in ihren normalen Trikots."

Nachdem das geschehen war, brachte sich Dan in Position. Ein Spielzug wurde angezeigt. In seinem Kopf ging er den Ablauf durch, landete schlussendlich mit den Gedanken aber wieder bei dem Ultraschallbild. Das sollte dennoch kein großes Problem darstellen, denn die meisten Spielzüge konnte er sogar im Schlaf. Der Coach pfiff und er lief los. Kaum stand er dort wo er sein sollte, wurde ihm der Ball zugespielt. Er fing den Pass und spielte ihn an einen seiner Teamkollegen ab, der ihn aber sofort wieder zurück zu ihm schoss. Das war seine Chance, jetzt musste der Ball nur noch in den Korb. Gekonnt trippelte er den Basketball an einem Gegenspieler vorbei. „Du musst dich konzentrieren", sagte er sich vor, verlor sich aber sofort wieder in seiner Gedankenwelt. Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde stand er vor dem Korb, zielte und sprang gleichzeitig energisch hoch. Der Ball verließ seine Finger, er folgte ihm mit seinem Blick, jedoch versperrte ihm plötzlich ein großer Körper die Sicht. Mit voller Wucht krachte sein Oberkörper gegen den Center des Teams. Seine Brust wurde zurückgedrückt und die Beine flogen nach vorne. Noch bevor er sich klarmachen konnte, dass er sich in Position bringen musste, um richtig abzurollen, krachte er gegen den Boden. Seine Gedanken wanderten zu Eve, ehe im schwarz vor Augen wurde.

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