Kapitel 3

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Die ersten zwei Stunden des Flugs waren relativ angenehm vorübergegangen. Eve hatte es geschafft diese lästige Flugbegleiterin zu ignorieren, die verdächtig oft in ihrer Reihe herumschwirrte. Was sie jedoch nicht ignorieren konnte, war die Tatsache, dass Mr. Arrogant sich zu seinem Frühstück, bereits das siebte Brötchen geordert hatte. Wie konnte ein Mann so gut gebaut sein, wenn er so viel aß? Verdammt, nein. Sie würde ganz bestimmt keinen Gedanken an seinen Körper verschwenden. Immerhin war dieser auch ziemlich gut unter Kleidung versteckt. Doch obwohl sie ihn nicht sehen konnte, weil er sogar den Kragen seiner dünnen Jacke bis über seinen Hals zugezogen hatte, wusste sie, dass sich darunter ein Berg von Muskeln befand. Ach scheiße, warum ließ sie das nur schon wieder zu? Was bitte, war so verdammt anziehend an Arschlöchern? Gar nichts, ganz genau. Sollte sich Eve vielleicht in vielen Jahren nochmals dazu entscheiden sich doch zu binden, würde sie sich den langweiligsten Mann suchen, den diese Welt zu bieten hatte. Einen, der nicht von Frauen umschwärmt wurde und vor allem einen, der nie, wirklich niemals, auf die Idee kommen würde, ein Rotlicht Etablissement zu besuchen. Dieser Mann neben ihr, wurde jedoch auch ohne zu bezahlen von genügend Frauen und allem Anschein nach, auch Männern begehrt. Der konnte ihr sowas von gestohlen bleiben. Beinahe hätte sie genervt aufgestöhnt, als sich diese Stewardess schon wieder den Weg zu ihm bahnte. „Mr. Keene, Sie haben geläutet?"

„Nennen Sie mich doch bitte Fire!"

Eve konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Wer verdammt, wollte Fire genannt werden?

„Okay, Fire, was kann ich für Sie tun?", fragte die Flugbegleiterin in einem Ton, der Eve beinahe zum Kotzen veranlasste.

„Könnte ich bitte noch ein Stück Gebäck haben?", fragte Mr. Arrogant freundlich. Von der Seite warf ihm Eve einen angeekelten Blick zu. Ernsthaft? Noch ein Brötchen? Langsam hatte sie das Gefühl, dass er die Backwaren irgendwo verstaute, um im Anschluss an diesen Flug einen ganzen Entenschwarm zu füttern. Die Stewardess blickte beschämt zu Boden und schenkte ihm dann ein entschuldigendes Lächeln: „Es tut mir leid, Fire. Auf diesem Flug sind für das Frühstück nur vier Gebäckstücke pro Person in der ersten Klasse eingerechnet. Ich habe Ihnen bereits sieben gebracht und damit eine Auseinandersetzung mit meinem Boss provoziert. Wie Sie schon wissen, bin ich natürlich ein großer Fan von Ihnen, aber deshalb darf ich Sie nicht anders behandeln, als die anderen Fluggäste hier." Ein Fan? Wer war er? Vielleicht ein berühmter Feuerwehrmann? Als wollte die Flugbegleiterin ihren Worten Nachdruck verleihen, drehte sie sich zu Eve um und fragte freundlich: „Darf ich Ihnen vielleicht noch ein Brötchen bringen?" Sie beschloss, dass es an der Zeit war ihren Streit endgültig beizulegen, jetzt wo sie ihren Sitzplatz zurückerobert hatte. „Warum geben Sie, Mr. Arro... Keene, nicht eines von meinen Brötchen. Ich bin ohnehin satt."

Fire strahlte von Ohr zu Ohr: „Oh, Medusa wird doch nicht auch eine menschliche Seite haben?"

Sie haben scheinbar keine. Sonst wären Sie durch meinen Blick schon längst zu Stein erstarrt", fauchte Eve. Er klatschte einmal in die Hände. Es wirkte fast so, als wäre er erfreut darüber, dass er jemanden gefunden hatte, mit dem er sich messen konnte.

„Es tut mir sehr leid, aber das darf ich nicht. Es könnte mich meinen Job kosten. Wenn ich jedoch sonst etwas für Sie tun kann, irgendwas, ich bin bereit alles zu machen, was Sie von mir wollen", säuselte die Flugbegleiterin in Keenes Richtung. Eve war kurz davor sich die Ohren zuzuhalten. Wie erbärmlich konnte eine Frau sein? Einem Mann so offensichtlich und umgeben von fremden Menschen, ein Sexangebot zu unterbreiten.

„Sehr gerne", raunte Mr. Arrogant zurück. Oh. Mein. Gott. Jetzt musste sie sich auch noch anhören, wie diesem Mann das Hirn in die Hose rutschte. Das war eindeutig zu viel. Sie verdrehte die Augen und stöhnte genervt auf. „Was halten Sie davon, wenn Sie meiner Freundin, Evelyn, und mir, einen doppelten Whiskey on the Rocks bringen. Sie sieht wirklich so aus, als könnte sie etwas Starkes vertragen. Vielleicht wird sie dann endlich ein wenig lockerer." Verwunderung huschte über Eves Gesicht, gefolgt von purer Wut. Sie sollte locker werden? Sie würde ihm gleich zeigen was locker war. Dieses kindische Spiel konnte sie ebenso gut spielen wie er. Nur um ihn zu ärgern würde sie sich nun ihre restlichen drei Brötchen bestellen. Eines genussvoll verspeisen, während sie die anderen einfach wegpacken würde.

„Entschuldigen Sie, könnte ich bitte meine Brötchen haben?" Verwirrt blickte die Stewardess zu ihr herüber, nickte dann aber leicht und kam innerhalb weniger Minuten mit drei der Backwaren und zwei Whiskey on the Rocks zurück. Wie sie es sich vorgenommen hatte, versuchte Eve gerade zwei der Brötchen in Servietten zu packen, als Fire zu ihr hinüberblickte. Er hob sein Glas und sagte: „Darauf, dass Ihr Keuschheitsgürtel vielleicht etwas weiter wird, wenn sie genug Whiskey trinken. Das Blut scheint offensichtlich nicht mehr in Ihren Kopf vorzudringen."

Hatte dieses blöde Arschloch das gerade wirklich gesagt? Wutentbrannt schnappte sie sich eines ihrer Brötchen und warf es in Richtung seines Gesichts.

„Vielen Dank", sagte er, nachdem er es mit der Reaktionsfähigkeit und Eleganz einer Gazelle aufgefangen hatte. Genüsslich biss er hinein. Jetzt. reichte. es. endgültig. Ganz sicher nicht mit ihr! Nein, er hatte bestimmt nicht schon wieder gewonnen. Erzürnt sprang sie auf, stürmte zu ihm hinüber und schrie: „Geben Sie mir mein Brötchen zurück." Er schüttelte nur grinsend den Kopf und biss wieder belustigt hinein. Mit vollem Mund lachte er: „Nein, jetzt gehört es mir."

„Das denken Sie." Eve riss es ihm aus der Hand, sah ihm tief in die Augen und leckte dann mit der Zunge über das Brötchen. Fire lachte nun noch mehr und benutzte das Überraschungsmoment um ihr die Backware wieder zu entreißen. Schnell biss er noch mal ab und sagte dann: „Finden Sie nicht, dass wir uns jetzt sozusagen geküsst haben?" Sie suchte in ihren Gedanken nach einer passenden Entgegnung, jedoch kam sie nicht dazu sie auszusprechen, weil sie von der Flugbegleiterin zurückgehalten wurde: „Sind Sie von allen guten Geistern verlassen? Sie können hier doch nicht Passagiere mit Gebäck bewerfen. Setzen Sie sich sofort auf ihren Platz, oder ich muss in das Cockpit verschwinden und den Piloten damit beauftragen das Flugzeug notzulanden." Eve lachte laut darauf los. Dieses Flugzeug notlanden? Nur weil dieser Fire ein Arschloch war? Sie hatte diesen Streit doch nicht alleine provoziert. Aber was dieser Kerl machte, war hier scheinbar allen egal. „Das würde Ihnen doch gefallen, nicht wahr, Evelyn?", raunte er. Während Mr. Arrogant ihren Namen aussprach, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Er schien jedoch nichts davon zu bemerken und sprach einfach in einem ruhigen Tonfall weiter. „Mit mir, gefangen auf einer Insel mitten im Atlantik. Wo würden wir wohl landen? Auf irgendeiner geheimen Militärbasis? Wir hätten bestimmt Spaß. Wie lange würde es ihrer Meinung nach dauern, von dort wieder wegzukommen?" Eve wurde leichenblass. Weniger bei dem Gedanken daran, mit ihm auf einer Insel gefangen zu sein, viel mehr ließ sie das Wort Militär erschaudern. Dieses Wort war ein No-Go. Sie wollte es nie wieder hören. Resignierend ließ sie sich auf ihren Sitz fallen und richtete den Blick auf den Bildschirm vor sich, bevor sie sich aus ihrer Hosentasche zwei Schlaftabletten holte und sie mit Whiskey hinunterspülte. Dann stellte sie ihren Sitz in Liegeposition und ließ sich nach hinten fallen. Wenige Minuten später war sie eingeschlafen.


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