Kapitel 43

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An diesem Morgen fühlte sich Eve einigermaßen ausgeschlafen, auch wenn sie in ihren Träumen immer wieder von seltsamen Dingen eingeholt wurde. Es war fast so, als wollte ihr jemand mitteilen, dass irgendetwas an dieser ganzen Sam-Sache nicht stimmte. Lustlos ging sie in die Küche und kochte Kaffee. Daniel war bereits vor einer Weile aufgestanden und hatte sich zum Strand begeben, um eine Runde zu joggen. Scheinbar musste auch er einiges verarbeiten und das konnte er, wie er versichert hatte, am besten mit Sport. Evelyn war froh, dass er sich endlich wieder aufgerafft hatte, seine körperliche Fitness zu verbessern. Nicht, weil es seinem guten Aussehen einen Abbruch getan hätte, dass er in den letzten Wochen nur faul herumgelungert war und dabei, wie er meinte, einige Gramm Fett auf seinem perfekten Sixpack angelegt hatte, sondern, weil es doch sein Job war, sich fit zu halten. Es sollte sich nun endlich alles wieder normalisieren und damit wäre zumindest ein Grundstein zurück in sein altes Leben gelegt. Lächelnd griff sie sich ihre Tasse und ließ sich vor dem Küchentisch nieder. Sie stellte verwundert fest, dass auf Daniels Platz am Frühstückstisch etwas lag. Neugierig streckte sie die Finger danach aus und griff sich das Papier. Es war das Ultraschallbild. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. Eigentlich wollte sie sich nicht so früh morgens mit dieser unglückbringenden schwarz-weiß Abbildung beschäftigen. Dennoch schaffte sie es nicht den Blick abzuwenden. Vorsichtig streifte sie mit dem Zeigefinger über die hellen Stellen. Das wäre Daniels Kind gewesen, hätte Samantha nicht so viele Drogen genommen. Eve wusste nicht welche Erkenntnis mehr schmerzte, dass dieses Lebewesen leider viel zu früh gehen musste, oder, dass er beinahe ein Kind von einer anderen Frau bekommen hätte. Er musste das Bild heute Morgen wohl vergessen haben, denn sie konnte sich nicht vorstellen, dass er es mit Absicht dort hingelegt hatte.

Oder etwa doch?

Wollte er vielleicht nun damit abschließen, wo er sich endlich offenbart hatte? Soweit sie wusste, führte er es ansonsten doch immer in seiner Brieftasche mit sich? Ihr war klar, dass sie eigentlich nicht in Daniels Privatangelegenheiten herumschnüffeln sollte, aber andererseits wollte sie ihm so gut es ging zur Seite stehen, denn sie konnte spüren wie nahe ihm das Ganze ging. Sorgsam betrachtete sie das Bild. Wieder überkam sie ein seltsames Gefühl, während sie die Daten darauf genau inspizierte. Seitlich auf dem Foto waren einige Zahlen gedruckt. Aus reiner Neugier schnappte sie sich ihr Smartphone und begann nach den Informationen zu googlen. Soweit die Suchmaschine ihr Antworten gab, handelte es sich bei dem Ultraschallbild wohl um eines aus der zwanzigsten Schwangerschaftswoche. Auch das kam Eve komisch vor. Eine Schwangerschaft dauerte doch nur vierzig Wochen. Dass Sam zu der Halbzeit nur ein Bild hatte, dass sie Dan geben konnte irritierte sie. Konnte man seinen Frauenarzt nicht darum bitten die Bilder zweimal zu drucken oder vielleicht einfach selbst einen Abzug davon anfertigen? Dr. Sandman stand ganz oben auf dem Ultraschallbild. Auch das tippte sie in die Suchmaschine und stellte sogleich fest, dass sich die Praxis ganz in der Nähe befand. Vielleicht würde sich ja eine Gelegenheit ergeben dort vorbeizulaufen und zu fragen ob es möglicherweise noch Bilder von einem jüngeren Fötus gab. Auch wenn ihr das irgendwie geschmacklos erschien, hatte Dan doch gesagt er hätte so gerne ein weiteres Ultraschallbild. Mit ein wenig Glück würde sie ihm diesen Wunsch vielleicht erfüllen können. Um alle Infos abzuspeichern, schoss sie mit ihrer Handykamera ein Foto.

Die Tür ging auf und Eve rutschte ertappt auf ihrem Stuhl zurück. Daniel schien jedoch nichts von ihrer Detektivarbeit bemerkt zu haben, denn er keuchte nur laut: „Ich hätte das Training nicht so sehr schweifen lassen sollen." Eve lachte: „Du siehst immer noch aus, als wärst du Top in Form, Daniel." Er wackelte mit den Augenbrauen und setzte ein verschmitztes Lächeln auf: „Du findest mich also sexy?" Jetzt grinste auch sie: „Du bist wahnsinnig sexy!"

„Was hältst du davon, mit mir unter die Dusche zu kommen?" Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Abrupt sprang sie auf und machte einen Satz auf ihn zu. Ihre Arme legten sich selbstständig um seine Taille und ihre Nase drückte sie in seine Halsbeuge. Er roch wahnsinnig gut, und dass obwohl er nach dem harten Training ganz schön verschwitzt war. „Schnell, lass uns nach oben gehen und kurz duschen, bevor wir uns wieder dreckig machen", lachte Dan. Eve sah auf. Irgendetwas an seinem Tonfall ließ ihre Alarmglocken schrillen und ihr Gefühl sagte ihr, dass hinter dieser Aussage viel mehr steckte, als das Versprechen auf heißen Sex. Auf dieses Gefühl konnte sie sich für gewöhnlich immer verlassen, zumindest was Dan anbelangte, weswegen sie sagte: „Ich bin nicht sicher, ob ich das als sexuelle Anspielung oder als Drohung auffassen soll." Etwas wehmütig blickte er zu Boden. „Bin ich denn wirklich so durchschaubar?", wollte er wissen. „Was hast du vor?", fragte sie sichtlich schockiert. Eve hörte ihn etwas nuscheln, das sich ganz so anhörte wie „Für dich scheinbar schon." Dann blickte er ihr in die Augen und bekundete seelenruhig: „Ich werde dich erst mal unter der Dusche ficken, dann sehen wir weiter."

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