Ganze zwei Stunden war Eve noch im Parkhaus gesessen, nachdem Daniel weggefahren war. Wo hätte sie auch sonst hinsollen. Dieses Zimmer am Hafen hatte sie nur für eine Nacht gebucht und länger hätte sie es dort auch nicht ausgehalten. Außerdem besaß sie im Moment gerade mal eine Zahnbürste, die sie sich heute Morgen in einer Drogerie gekauft hatte. Alles andere, das sie noch hier in den USA hatte, befand sich in Dans Haus und ihrem Hotelzimmer, aus welchem er bestimmt schon ausgecheckt hatte. Egal, wie sehr sie darüber nachdachte, es würde ihr ohnehin nichts Anderes übrigbleiben, als sich Daniel zu stellen. Frustriert stand sie auf und schlenderte zur Lincoln Mall, wo ihr am Vortag einige Taxis aufgefallen waren. Zu ihrem Glück parkten dort auch heute wieder welche. Sie nahm das erste, setzte sich hinein und nannte dem Fahrer Daniels Adresse. Ihre Finger zitterten. Durch ihren gesamten Körper schoss das Adrenalin. Komm nachhause, hatte er ihr geschrieben. Aber sein Haus war doch niemals ihr zuhause gewesen, oder etwa doch? Sie erinnerte sich daran, dass sie sich gestern noch gedacht hatte, dass er ihr zuhause war und eine Träne rollte über ihre Wange. Der Taxifahrer blickte sie durch den Rückspiegel mitleidig an: „Geht es Ihnen gut?", fragte er. Sie nickte nur leicht und warf den Blick dann aus dem Fenster. Das Wetter schien mit ihren Gefühlen mithalten zu wollen, denn der Himmel hatte sich gefährlich schwarz verfärbt. Kaum bemerkte sie den Wetterumschwung, begann es auch schon wie aus Eimern zu gießen. Eve war dankbar, dass Daniel nicht allzu weit wegwohnte, denn sie befürchtete, dass der Fahrer nicht mehr viel von der Straße sehen konnte, während er sie zu dem Haus brachte. Jedoch musste sie sich trotzdem überwinden um aus dem Taxi auszusteigen, als sie dort angekommen war. Langsam atmete sie aus. Sie wusste nicht genau was sie im Moment fühlte. Versuchte herauszufinden, ob sie ihm vielleicht doch glauben konnte. Was, wenn alles ganz anders war, als es den Anschein hatte? Schnellen Schrittes stieg sie die Treppen zu dem Hauseingang hoch. Aus Gewohnheit öffnete sie einfach die Tür, so wie sie es bisher immer gemacht hatte. Erst dann fiel ihr ein, dass sie wahrscheinlich klingeln hätte sollen. Doch in diesem Moment schien das nicht von Bedeutung zu sein. Gar nichts schien plötzlich mehr von Bedeutung zu sein. Nichts außer Daniel. Er saß im Gang an die Wand gelehnt und hob den Kopf leicht an, als sie hereinkam. Zuerst war er offenbar nicht ganz sicher, ob das wirklich passierte oder ob er nur halluzinierte, aber dann sprang er auf: „Liebling, Gott sei Dank." Mit zwei großen Schritten sprintete er auf sie zu und zog sie in den Arm. Zu überwältigt von seinem Anblick, ließ sie es einfach geschehen. Erst als sie sich wieder ein wenig gefasst hatte, sagte sie schroff: „Ich bin nur hier, um meine Sachen abzuholen, Daniel." „Nein!", fuhr er sie an, bevor er sich etwas sanfter wiederholte: „Nein, Eve. Ich weiß du bist verletzt und traurig und ich weiß auch, dass das Alles bestimmt nicht einfach für dich ist, aber ich werde dich nicht gehen lassen, bevor ich dir nicht alles haarklein erklärt habe. Was du denkst gesehen zu haben, ist etwas ganz Anderes als das, was in Wirklichkeit geschehen ist." Sie wich einen Schritt zurück und löste sich grob aus seiner Umarmung. Dann seufzte sie laut. „Nein, ich kann es nicht ertragen nochmals betrogen worden zu sein, Daniel. Ich will nicht hören was du zu sagen hast. Lass mich einfach gehen!", forderte sie und hielt ihn dabei mit einem Arm auf Abstand. Die Tränen liefen ihr mittlerweile ganz unwillkürlich über die Wangen und sie musste sich zurückhalten, um nicht gegen seine Brust zu schlagen. Womit hatte sie das bloß verdient? Schon wieder. Er setzte an etwas zu sagen, aber sie drückte sich die Hände gegen die Ohren und schloss dabei die Augen, als würde das auch dazu beitragen, dass sie ihn nicht verstehen konnte. So laut er konnte schrie er: „Ich habe dich nicht betrogen, Evelyn. Das würde ich niemals tun." Natürlich war ihm bewusst, dass sie eigentlich gar nicht zusammen waren und er sie somit technisch gesehen auch gar nicht betrügen könnte, aber er wusste, dass der Status ihrer Beziehung hier nichts zu suchen hatte. Selbstverständlich dröhnte seine Stimme trotz ihrer Hände zu den Ohren durch, weswegen sie die Augen aufriss. Ob das wohl die Wahrheit war? Er hatte bereits im Hotelzimmer gesagt, dass es nicht so war wie es schien, aber sagten das nicht alle Betrüger? Nein, eigentlich nicht. David hatte es damals nicht mal bestritten. Resignierend zog sie die Finger aus den Ohren. „Du hast also einfach so zugelassen, dass sie dich fesselt, ganz ohne Hintergedanken?", schrie sie ihn mindestens so laut an, wie er es gerade getan hatte. „Ich wusste doch gar nicht, dass ich gefesselt werde", beharrte er. Wollte er sie etwa verarschen? Wie sollte er das denn nicht bemerkt haben? „Du glaubst doch nicht etwa, dass ich dir das abkaufe!"
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Seelentattoos
RomanceAls Evelyn am Flughafen auf Daniel trifft, wirkt er auf sie genau wie der Typ Mann auf den sie sich nie wieder einlassen will. Mit all den Tattoos und seiner arroganten Art, macht er ihr bereits bei ihrer ersten Begegnung klar, dass er ganz genau we...