Kapitel 28

8.4K 492 14
                                    

Vorsichtig blickte Eve zu Dan hoch. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihm seine Worte abnahm, spürte jedoch, dass sich ihr Herz nichts sehnlicher wünschte, als dass sie es tat. Das wiederum ließ sie an ihrer eigenen Zurechnungsfähigkeit zweifeln, denn wenn sie eines mit Sicherheit wusste, war es, dass diese Gefühle auf keinen Fall zu ihrem Verhalten passten. Sie war es doch, die immer wieder beteuerte, keine Beziehung eingehen zu wollen. Solange sie daran festhielt sich nicht binden zu wollen, musste sie wohl oder übel damit leben, dass es bestimmt andere Frauen in Daniels Leben geben würde und da das Wort Beziehung sie schrecklich nervös machte, sah es ganz so aus, als würden sie weiterhin einfach nur „Freunde" sein. Na ja, sie hatte sich immerhin schon dazu überreden lassen, zu sehen wo ihr kleiner Flirt hinführen würde. Das war doch schon bei weitem besser, als Beziehungen vollkommen abzuschwören. Dennoch wusste sie auch, dass sie Daniel niemals ihre wahren Gefühle für ihn gezeigt hatte und er wahrscheinlich jedes Recht hatte ihrer Aufrichtigkeit ihm gegenüber misstrauisch zu sein. Abgesehen von dem Telefonat, das eigentlich nicht für seine Ohren bestimmt war, hatte sie noch niemals ausgesprochen, dass sie sehr wohl Schmetterlinge im Bauch hatte, immer dann wenn er in ihrer Nähe war. Was bedeutete so gut wie immer. Zu gerne hätte sie ihre Gefühle in Worte gefasst, um ihm klarzumachen, wie viel er ihr sehr wohl bedeutete, aber da stand ihr wieder die Angst vor Beziehungen im Weg. Für sie war es außerdem komisch, dass er in Bezug auf sie so unsicher zu sein schien, denn eigentlich hatte sie von Anfang an angenommen, er wäre sich seiner Wirkung auf Frauen sehr wohl bewusst. Bei anderen Frauen schien er das auch zu sein. Nur sie, war irgendwie eine Ausnahme. Jedoch hätte sie ihm niemals zugetraut, dass er sich deswegen so etwas Kindisches einfallen lassen würde. Sie eifersüchtig zu machen. Hätte er vielleicht noch einen blöderen Einfall haben können? Das war ja mal vollkommen nach hinten losgegangen. Doch es war ihr nicht entgangen, was er damit bezweckt hatte. Offensichtlich brauchte er dringend ein klein wenig Bestätigung. Sie wusste, dass es an der Zeit war ihren Stolz hinunterzuschlucken. Weder Dan, noch sie hatten sich heute mit Ruhm bekleckert und einer musste dringend den ersten Schritt auf den anderen zumachen, damit diese Nacht nicht in einem vollkommenen Desaster enden würde. Bisher war der ganze Abend vollkommen falsch abgelaufen, aber ihm zuliebe würde sie sich jetzt am Riemen reißen. Ihre Freundschaft, wenn man das so nennen konnte, war eigentlich total harmonisch. Wenn sie zuhause gewesen wären, würde Evelyn ganz sicher sein, dass es keinen einzigen Grund geben würde, daran zu zweifeln, dass Daniel sie aufrichtig mochte.

Und auch sie mochte ihn sehr. Obwohl sie immer noch ziemlich sauer auf ihn war, wollte sie deshalb seinen ersten Wunsch auf der gemeinsamen Liste nicht durch diese kindische Auseinandersetzung zerstören, denn eigentlich war doch gar nichts Schlimmes passiert. Es war an der Zeit, dass sie ihm endlich einen Schritt entgegenkam. Bevor sie der Mut verlassen konnte, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und drückte ihre Lippen sanft auf seine.

Erschrocken zuckte Dan zurück, nur um ihr für den Bruchteil einer Sekunde in die Augen zu blicken und den Kuss dann zu beherzt zu erwidern. Innig streichelte er ihren Rücken entlang. Gut, das war vielleicht nicht unbedingt so gelaufen wie er sich das vorgestellt hatte, aber immerhin hatte es zu dem gleichen Ergebnis geführt, welches er sich erhofft hatte. Endlich ließ ihn Evelyn von alleine ein wenig näher an sich heran und das war auch wirklich notwendig. Diese Ungewissheit, ob sie mehr für ihn empfand als einfach nur Freundschaft, war nach all den vollkommen oberflächlichen Themen, die sie heute Abend besprochen hatten, schier ins Unermessliche gewachsen. Klar, war er davon berauscht gewesen, was sie am Telefon zu ihrer Freundin gesagt hatte. Aber auch dieses Gespräch täuschte ihn nicht darüber hinweg, dass nichts davon was Evelyn gesagt hatte, auch nur im Entferntesten etwas mit Verliebtheit zu tun hatte. Ja, er gestand sich mittlerweile ein, dass seine Gefühle über normale Freundschaft hinausgingen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, während sie ihn immer noch zärtlich küsste. Das konnte doch gar nichts anderes bedeuten, als dass er verliebt war. Vorsichtig ließ er von ihr ab. „Es tut mir leid, Evelyn. Was habe ich mir dabei nur gedacht? Ich schäme mich wirklich. Gerade nach all dem was du mir anvertraut hast, hätte ich niemals versuchen sollen dich eifersüchtig zu machen. Ich verspreche, dass so etwas nicht mehr vorkommen wird. Ab sofort werde ich alle anderen Frauen auf Abstand halten. Natürlich werde ich es nicht unterbinden können, hin und wieder in unangenehme Situationen mit anderen Frauen zu kommen. Das bringt mein Beruf irgendwie mit sich. Eigentlich will ich das alles auch gar nicht, aber ich bin nun mal einfach richtig schlecht darin bestimmt zu sagen, dass ich kein Interesse habe. Stattdessen ziehe ich dann immer diese Arschlochnummer ab, die jedoch scheinbar völlig wirkungslos ist." Er lachte: „Naja, bei dir hat sie gewirkt. Du konntest mich wirklich nicht ausstehen, aber viele andere Frauen die ich treffe, sehen das oft nur als Spiel an. Während ich versuche sie loszuwerden, spornt sie mein schlechtes Verhalten scheinbar nur an, es noch energischer zu versuchen." Er überlegte kurz. „Was hältst du davon, wenn wir ein Zeichen vereinbaren? Irgendeine kleine Geste, die dir zeigt, dass ich kein Interesse habe und du mich aus der Situation befreien sollst? Du kannst sie natürlich auch benutzen, wenn dir jemand zu nahe kommt." Sie sah ihn fragend an. War das wirklich sein ernst? Er wollte, dass sie ihn vor aufdringlichen Topmodels rettete? Beinahe hätte sie gelacht. Aufdringliche Schönheiten mussten ja wirklich ein Albtraum für alle Männer sein. Dennoch mochte sie diese Idee, weswegen sie lächelnd nickte, auch wenn sie sich dieses Unterfangen schwierig vorstellte: „Daniel, es ist schon okay. Ich habe ein wenig überreagiert. Du hast recht, ich sollte dich wirklich nicht immer mit meinem Ex vergleichen. Das ist ziemlich unfair von mir, denn du hast noch niemals etwas getan, das mir das Gefühl gegeben hat, du könntest unaufrichtig sein. Es fällt mir im Moment einfach schwer, wieder zu vertrauen. Das liegt aber bestimmt nicht an dir, sondern an der Gesamtsituation. Tut mir leid, dass ich so kompliziert bin." Als Antwort drückte er die Stirn gegen ihre und grinste, doch ihr war die Situation weiterhin unangenehm, denn was sie gerade gesagt hatte war die Wahrheit. Sie hatte sich aufgeführt wie eine hysterische, eifersüchtige Zicke, weshalb sie nun beschämt fragte: „Also, welches Zeichen willst du benutzen?"

SeelentattoosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt