Kapitel 34

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Im Auto war die Stimmung immer noch ziemlich ausgelassen. Daniel hatte das Radio auf eine ohrenbetäubende Lautstärke eingestellt und Eve grölte in schiefer Tonlage den Text mit, der aus den Lautsprechern drang, obwohl sie sich gar nicht mal sicher war, ob die Worte die sie sang, wirklich die gleichen waren, die der Künstler trällerte. Als Dan jedoch an der Kreuzung wieder in eine andere Richtung abbog, überkam sie abermals ein ungutes Gefühl. Auch wenn sich das Fallschirmspringen als außerordentlich gute Idee herausgestellt hatte, konnte sie heute wirklich nicht noch mehr Überraschungen gebrauchen. „Wo fahren wir denn hin?", schrie sie über die Musik hinweg. Daniel lachte schelmisch und fummelte dann am Lautstärkeregler herum, um sich mit ihr unterhalten zu können. „Du dachtest doch nicht wirklich, ich lasse mir eine weitere Nacht mit dir in diesem Hotelzimmer entgehen? Morgen ist noch genug Zeit wieder in unser ödes Leben zurückzukehren. Heute machen wir noch ein wenig Urlaub." Entsetzt schüttelte er den Kopf, lachte aber dann laut drauf los: „Ich kann nicht glauben, dass du mir abgenommen hast, dass ich ein Baseballspiel sehen wollte." Evelyn konnte sich nicht zurückhalten und kicherte laut darauf los. Vielleicht sollte sie Überraschungen gegenüber doch nicht so abgeneigt sein, immerhin waren die Dinge, die Dan sich ausdachte, bisher immer ganz besonders schöne gewesen. Dass sie jetzt auch noch einen Tag mit ihm hier verbringen durfte, ließ sie vor Freude fast überlaufen. Er hielt das Auto an einer Ampel an und Evelyn nutzte die Zeit um mit beiden Händen nach seinem Kopf zu greifen, sein Gesicht zu ihrem zu drehen und ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen zu drücken. „Wofür war der?", fragte er sichtlich erstaunt. „Dafür, dass du der wundervollste Mann bist, den ich je kennengelernt habe." Daniel schenkte ihr ein Lächeln. „Ich mache mich also gut als Nicht-Freund?" Sofort durchzuckte sie eine dunkle Vorahnung. Er wollte doch wohl nicht schon wieder eine Diskussion über den Stand ihrer Beziehung starten. Die Aussicht auf dieses unangenehme Gespräch, minderte ihre gute Laune etwas. Um sich jedoch nichts anmerken zu lassen, zog sie die Mundwinkel leicht nach oben. Sie wusste, dass er eine ehrliche Antwort verdiente und ebenso wusste sie auch, dass ihm eigentlich noch viel mehr gebührte, als nur ein paar schmeichelnde Worte, weswegen sie so aufrichtig sie konnte antwortete: „Ich könnte mir keinen besseren Mann an meiner Seite wünschen." Daniel starrte zu ihr herüber. Ein Funkeln lag in seinen Augen und sie wusste, dass sie wohl zum ersten Mal, seit sie sich gestanden hatten, dass sie ineinander verliebt waren, etwas richtig gemacht hatte. Er war glücklich und das war ihr Verdienst. Beinahe hätte sie sich selbst dafür auf die Schulter geklopft. Nach so einer langen Zeit war es ihr endlich gelungen, sich etwas zu öffnen und jemanden, der es wirklich verdiente, an sich heranzulassen. In ihren Gedanken dankte sie Dr. Apple, denn auch wenn sie es sich nur ungern eingestand, wusste sie, dass diese Therapie sehr wohl etwas zu ihrem neuen, offeneren Ich beigetragen hatte. Durch das Hupen des nachfolgenden Wagens wurde Daniel aus den Gedanken gerissen und darauf hingewiesen, dass die Ampel auf Grün gewechselt hatte. Jedoch nahm er nun doch nicht den eingeschlagenen Weg, sondern bog ganz unerwartet rechts ab, ignorierte dabei den Bordstein, über den er mit einem heftigen Ruck hinweg rollte und parkte den Wagen nur eine Sekunde später auf dem Parkplatz eines Drogeriemarktes. Innerhalb weniger Augenblicke hatte er Eves Sicherheitsgurt gelöst und sie auf seinen Schoß gezerrt. Das war wahrscheinlich nicht die angenehmste Position, so in einem Sportwagen zwischen ein Lenkrad und eine stahlharte Brust geklemmt zu sein, aber Evelyn konnte sich im Moment keinen besseren Ort vorstellen. Sie konnte den Kuss kaum erwarten, der ihr alleine durch seinen Blick versprochen wurde und gab sich den wundervollen Empfindungen hin, die sich in ihrer Brust ausbreiten. Leider kam sie aber nicht dazu, einzufordern was sie so sehr wollte, weil ein Klopfen an die Fensterscheibe, sie aus den Gedanken riss. Daniel ließ das Fenster hinunter und ein Polizist sah sie griesgrämig an. „Sir, Sie wissen warum ich an Ihre Scheibe geklopft habe?" Daniel schien zu überlegen, schüttelte aber dann ein wenig verdattert den Kopf. „Sie sind über die Lieferanteneinfahrt auf den Parkplatz gefahren. Davon ganz abgesehen haben Sie ein Mädchen rittlings auf Ihrem Schoß sitzen." „Entschuldigen Sie bitte, Officer. Ich wusste nicht, dass das die Lieferanteneinfahrt war. Evelyn sitzt aber erst seit gerade eben hier. Das war der Grund warum ich gehalten habe, ich musste meiner Freundin ..." Er betonte das Wort etwas unsicher, was auch dem Cop nicht zu entgehen schien „... nur kurz zeigen wie bezaubernd ich sie finde." Der Polizist blickte zwischen Eve und Dan hin und her. „Gut, das mit der Lieferanteneinfahrt lasse ich Ihnen durchgehen, weil Sie offensichtlich nicht von hier stammen. Aber das ...", er deutete auf die beiden, „... stellt ganz eindeutig eine Rechtswidrigkeit da. Das ist Erregung öffentlichen Ärgernisses. Ich weiß zwar nicht was hier gespielt wird, aber Ihnen ist doch bewusst, dass Prostitution in den Vereinigten Staaten, mit Ausnahme des Bundesstaats Nevada, verboten ist." „Prostitution?", empörte sich Eve. „Sir, mit all dem nötigen Respekt, seien Sie bitte vorsichtig mit solchen Vermutungen. Ich kann es weder leiden, dass Sie meine Freundin als Hure bezeichnen, noch, dass Sie mich hier als Freier hinstellen. Wie kommen Sie überhaupt auf diese absurde Idee?" Es war auch dem Cop sichtlich unangenehm diese These aufzustellen, trotzdem antwortete er, und versuchte dabei, so taktvoll wie möglich zu klingen. „Sie befinden sich hier in einem Stadtteil indem es vor illegaler Prostitution nur so wimmelt. Für gewöhnlich handelt es sich immer um genau dieses Delikt, wenn ich ein Pärchen in einer solch vielsagenden Position vorfinde", er fuchtelte wie wild vor ihnen herum, „Natürlich halte ich es Ihnen dennoch zugute, dass Sie vollständig bekleidet sind. Außerdem möchte ich noch ausdrücklich festhalten, dass Ihre Freundin nicht aussieht wie eine Prostituierte. Trotzdem werden Sie wohl verstehen, dass ich meinen Beruf nicht ordnungsgemäß ausüben würde, wenn ich jetzt nicht dennoch um den Ausweis der Dame bitten würde. Den Ihrigen hätte ich ebenfalls gerne, Sir. Im Gegenteil zu der normalerweise ziemlich offensichtlichen Berufsbekleidung von Nutten, kann man Freier nämlich für gewöhnlich nicht an ihrem Äußeren festmachen. Womit ich Ihnen keinesfalls zu nahe treten möchte." Ungläubig schüttelte Daniel den Kopf, händigte seinen Ausweis jedoch aus. Eve tat es ihm gleich und schämte sich gleichzeitig abgrundtief für diese Situation. „Sie kommen also beide aus Spanien?" Daniel nickte. „Wie lange sind Sie denn schon zusammen?" Eve und Dan warfen sich fragende Blicke zu, bevor der Spanier tief seufzte: „Wissen Sie, eigentlich sind wir gar nicht so richtig zusammen. Ich wäre es ja gerne, aber Evelyn hat ein Problem damit sich zu binden." Zum ersten Mal seit der Officer vor dem Autofenster stand, lächelte er leicht. „Ich drücke Ihnen die Daumen, dass sie der Lady ehestmöglich einen Ring an den Finger stecken können, denn ich bin ganz sicher Sie haben mehr als nur einen Konkurrenten. Trotzdem muss ich Sie jetzt bitten diesen Parkplatz zu verlassen, denn selbst wenn Sie es nicht gegen Bezahlung machen, ist es gegen das Gesetz, Sex in der Öffentlichkeit zu haben." „Wir hatten nicht vor miteinander zu schlafen, aber wenn Sie es gestatten, würde ich Eve jetzt endlich gerne küssen. Das war nämlich der einzige Grund, warum wir überhaupt hier gehalten haben." Der Polizist nickte freundlich und drehte sich dann von ihnen weg, woraufhin Daniel augenblicklich seine Lippen auf Eves drückte. Sie hatte keine Sekunde Zeit gehabt sich auf sein Vorhaben einzustellen und war einen Augenblick lang so überwältigt, dass sie laut aufstöhnte. Er grinste, als er kurz von ihr abließ. „Evelyn, du musst dich zusammenreißen, wenn der Cop das hört, kommt er bestimmt gleich wieder zurück. Außerdem weiß ich auch nicht, ob ich mich bei diesen Geräuschen davon abhalten kann, gleich hier über dich herzufallen und somit wirklich gegen das Gesetz zu verstoßen." Nun lachte auch Evelyn und krabbelte vorsichtig wieder zurück auf den Beifahrersitz. „Dann sollten wir vielleicht zur Sicherheit sehen, dass wir schnellstmöglich zurück zu unserem Hotelzimmer kommen." Verschmitzt grinsend legte sich Dan den Sicherheitsgurt um. Er startete den Motor und bog wieder auf die Hauptstraße ab. Schmunzelnd blickte Evelyn aus dem Beifahrerfenster, bevor sie den bisherigen Tag noch mal in ihren Gedanken abspielte. „Dan, wann hattest du eigentlich die Zeit diesen Fallschirmsprung zu organisieren?"

„Erinnerst du dich noch an die Blondine, wegen der wir gestern fast einen Streit vom Zaun gebrochen hätten?" Sie stöhnte frustriert auf: „Müssen wir jetzt über sie reden?" Er lachte: „Wenn du wissen willst, wie ich diesen Fallschirmsprung gebucht habe, müssen wir das wohl." Fragend blickte ihn Eve von der Seite an. „Sie war nicht nur eine Promotion Dame für diesen Club, in den sie uns zu dieser Singleparty zerren wollte, sondern auch für verschiedenste sportliche Aktivitäten. Bevor du sie mit deinem Gezicke verjagt hast", er zwinkerte amüsiert, „hat sie mir die beiden Tandemsprünge verkauft." „Mit meinem Gezicke?", fragte Eve entrüstet, „Soweit ich mich erinnern kann hast du viel mehr gezickt als ich. Du hast also allen Ernstes versucht mich mit einem Promotiongirl eifersüchtig zu machen?"

„Okay, du hattest recht, wir sollten nicht mehr darüber sprechen."

„Ich dachte, sie war einfach eine Fremde, die dich angesprochen hat?"

„Evelyn, könnten wir das bitte lassen? Ich habe dir doch schon gesagt, dass mir diese Tussi so was von egal war, ganz gleichgültig ob es ihr Job ist, Menschen anzusprechen, oder ob sie wirklich an mir interessiert war. Reicht das denn nicht?"

Eve atmete zweimal tief durch. Sie hatte ihm gestern verziehen, dass er absichtlich versucht hatte, sie eifersüchtig zu machen. Dieses Thema jetzt nochmals anzusprechen, würde ihnen beide nicht weiterhelfen.

„Du hast recht Daniel, es tut mir leid."

„Nein, mir tut es leid."

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