Kapitel 41

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Eve saß in der Parkgarage vor Dr. Apples Praxis. Sie hatte beobachtet wie Dan sein Auto ein Stück von ihr entfernt geparkt hatte. Er konnte sie jedoch nicht sehen, weil sie sich hinter einer Säule versteckte. Genau der Mann, der der schönste war den sie kannte, sah im Moment wirklich schrecklich aus. Eigentlich sah er genauso aus, wie sie sich fühlte. Zermatscht. Keine Sekunde hatte sie in der letzten Nacht geschlafen, weswegen es eigentlich vollkommen überflüssig gewesen war, dass sie sich ein neues Hotelzimmer am Hafen gesucht hatte. Aber was hätte sie für eine andere Option gehabt? Die ganze Nacht in Miami herumzuirren wäre bestimmt auch keine gute Idee gewesen. Eigentlich war es an der Zeit, sich auf den Weg zu ihrem Termin bei der Therapeutin zu machen, aber sie konnte sich einfach nicht überwinden in den Aufzug zu steigen. Zu verwirrend waren die Geschehnisse, die sich am Tag zuvor abgespielt hatten. Trotzdem wusste sie in ihrem tiefsten Inneren, dass sie es Daniel schuldig war, seine Seite der Geschichte anzuhören. Obwohl Evelyn fand, dass es vollkommen auf der Hand lag was geschehen war. Was konnte man daran denn falsch deuten? Im Grunde gar nichts. Dan war ein ausgewachsener Mann, mit guter körperlicher Fitness. Wie hätte ihn diese Frau dazu bringen können sich aufs Bett zu legen und sich fesseln zu lassen, wenn er damit nicht einverstanden gewesen wäre? Aber irgendetwas störte sie trotzdem an dem Gesamtbild, das die beiden abgegeben hatten. Hätte er sich nicht zuvor ausgezogen, wenn es seine Absicht gewesen wäre, sich auf irgendwelche sexuellen Spielchen mit Samantha einzulassen? Wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen und sie schluchzte laut, bevor sie den Kopf in die Hände stützte. Warum musste diese Frau auch auftauchen und einfach alles kaputtmachen? Konnte sie nicht einfach ganz weit von den beiden wegbleiben? Andererseits war es vielleicht besser jetzt bereits zu erfahren was für ein Arschloch Daniel wirklich war. Dennoch weigerte sich ihr Herz zu glauben, dass er tatsächlich etwas falsch gemacht hatte und ihr Unterbewusstsein redete ihr ein, dass es sich dabei nur um ein Missverständnis handeln konnte. Er würde sie doch niemals so verletzen, obwohl er ihre Geschichte kannte. Aber sie hatte auch nicht gedacht, dass ihr Ex sie hintergehen würde, und trotzdem war sie jetzt geschieden. Verlassen für eine Hure.

Mit blutunterlaufenen Augen starrte Dan die Therapeutin an. Ihr Termin hätte eigentlich bereits vor fünf Minuten begonnen, aber er hatte darauf beharrt, dass sie noch auf Eve warten mussten. Egal, wie offensichtlich es zu sein schien, dass sie nicht mehr kommen würde, er wollte es einfach nicht hinnehmen, dass sie ihn versetzt haben könnte. Sie würde jeden Moment durch diese Tür treten. Ganz bestimmt. Sie musste einfach kommen. Es konnte doch nicht vorbei sein, bevor es überhaupt richtig angefangen hatte. Die Psychologin setzte an etwas zu sagen, aber Dan hob einen Finger: „Bitte, nur noch eine Minute." Resignierend zuckte sie mit den Schultern: „Wollen Sie mir nicht einfach erzählen, was Sie angestellt haben, bis Evelyn sich vielleicht doch noch entschließt, zu kommen?" Er schluchzte laut und kratzte sich gleichzeitig am Hinterkopf.

„Sie denkt, ich hätte mit meiner Ex ... ich weiß nicht wie ich sagen soll ... Samantha ... sie hat mir niemals etwas bedeutet. Wir hatten vor über vier Jahren einfach Sex ohne jegliche Verpflichtungen ... also nicht wirklich meine Ex ... egal ... jedenfalls denkt Eve, dass ich mit ihr geschlafen habe", stotterte er etwas unbeholfen. „Haben Sie?", fragte die Psychologin ganz unverblümt. Schockiert blickte er sie an: „Das denken Sie doch nicht wirklich?" Daniel verdrehte die Augen. Wieso kam Dr. Apple jetzt auch noch auf die Idee, dass irgendetwas an dieser hirnverbrannten Story stimmen könnte? Wenn diese Frau Augen im Kopf hatte, hätte sie doch längst merken müssen, wie viel ihm an Eve lag. Das war nicht nur offensichtlich, er hatte es auch mehrere Male erwähnt. Wieso dachte hier plötzlich jeder, dass er ein Betrüger war? „Wie kommt Mrs. Kramer dann darauf?", fragte sie jetzt auch noch zu allem Überfluss. Fast hätte er geantwortet: weil es Sam darauf angelegt hatte, dass es genau so aussah und scheinbar schenken alle Menschen dieser Schlampe Glauben, inklusive Ihnen, obwohl ich wirklich dachte, dass Sie auf meiner Seite wären.

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