Kapitel 52

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Mehrere Minuten lief Eve nun schon in Daniels Krankenzimmer auf und ab, als sich plötzlich die Tür öffnete. Ein Arzt und ein Pfleger schoben sein Krankenbett in den Raum in dem sie auf sie warteten. Sofort stürmte sie auf ihn zu. Er sah ganz normal aus, was sie augenblicklich schrecklich erleichterte. Zum Glück schien alles nur halb so schlimm zu sein. „Oh mein Gott, Dan. Ich bin so glücklich, dass es dir gut geht! Verwirrt blickte er sie an: „Sprechen Sie mit mir?" Überrumpelt taumelte sie einen Schritt zurück. Erst als sie verstand was er da gesagt hatte warf sie einen Blick zu dem Arzt. „Ihr Verlobter hat eine retrograde Amnesie. Er weiß soweit zwar wer er ist und die meisten Dinge aus seiner Vergangenheit, jedoch scheint er ab dem Zeitpunkt eines gewissen Ereignisses alles vergessen zu haben, denn er kann sich nicht mehr erinnern eine Verlobte zu haben. Um genau zu sein, wusste er nicht mal, dass er eine Freundin hat." Vorsichtig nickte Evelyn, während Dan laut loslachte: „Verlobte? Was bist du? Ein aufdringliches Groupie?" Ihr Herz wog plötzlich eine Tonne. Hatte er das gerade wirklich behauptet? Als er plötzlich „Hey James!" sagte, wurde ihr noch schwerer ums Herz. Er hatte sie vergessen, konnte sich aber an andere Leute erinnern. „Hey Mann!", erwiderte James, „Sag bloß du kannst dich nicht mehr an Eve erinnern? Du liebst sie, Alter!" „Ich liebe sie?", fragte er entsetzt und musterte sie dabei von oben bis unten abschätzend. Für einen Moment fühlte sie sich vollkommen erniedrigt, bis er hinzufügte: „Zumindest habe ich immer noch einen guten Geschmack." „Das ist Evelyn, Mann. Du kannst sie doch nicht einfach vergessen", sagte sein Teamkollege, doch er schüttelte einfach nur den Kopf. Die Tränen liefen ihr über die Wangen. „Kommt die Erinnerung denn irgendwann wieder zurück?", fragte sie an den Arzt gewandt und versuchte dabei ihre Enttäuschung und Wut Daniel gegenüber so gut wie möglich zu unterdrücken. „Das ist sehr wahrscheinlich", antwortete dieser zu ihrer Erleichterung, „jedoch kommt es oft darauf an, wie traumatisierend das Erlebnis war, welches er zu verdrängen versucht, wie lange es dauert bis sein Gedächtnis wieder vollkommen hergestellt ist." Ein kalter Schauer lief über ihren Rücken: „Dan, was ist das letzte woran du dich erinnerst?", fragte sie so liebevoll sie konnte, obwohl er ihr das Gefühl gab, dass sie an seiner Seite eher geduldet als erwünscht war. Er blickte sie ein wenig genervt an. „Ich kann mich erinnern, dass ich zum Flughafen gefahren bin, um nach Miami zu fliegen." „Du erinnerst dich nicht an das Attentat?", schluchzte sie. „Attentat?", fragte er schockiert. „Das ist gut", warf der Doktor ein, „Wenn sie gewisse Dinge aufarbeiten kann es gut sein, dass seine Erinnerung schneller wieder zurückkommt." Eve nickte, aber Dan schüttelte den Kopf. „Weißt du auch nichts mehr von dem Flug? Ich meine das war doch noch vor dem ..." „Es tut mir leid, Evelyn, aber ich möchte im Moment nicht mit Ihnen ... dir sprechen. Ich muss mich zuerst ausruhen. Wenn wir verlobt sind, habe ich deine Telefonnummer ja sicher. Wenn ich bereit bin, melde ich mich bei dir", unterbrach er sie. Vollkommen überrumpelt starrte sie ihn an. Das durfte doch alles nicht wahr sein. So kalt hatte sie Daniel noch nie erlebt und niemals hätte sie gedacht, dass er überhaupt so sein könnte. War das etwa der Mann, der er vor dem Attentat war? Oder lag es vielleicht doch an ihr? Gefiel sie ihm etwa doch nicht und diese Gefühle hatten sich nur entwickelt, weil sie eine schreckliche, gemeinsame Vorgeschichte hatten? Was, wenn er sich nie wieder erinnern würde? „Dan, wir sind nicht wirklich verlobt. Wir sind einfach nur ein Paar. Diese Verlobten Ausrede nutzen wir immer nur dann, wenn uns irgendjemand nicht gewährt etwas gemeinsam zu machen. Wir haben uns erst am Flughafen in Madrid kennengelernt. Aber wir lieben uns." Frische Tränen rollten über ihre Wangen. „Es tut mir leid, aber ich möchte, dass du gehst." James sah sie mitleidig an und setzte dazu an sie zu verteidigen, doch Eve deutete ihm nur still zu sein, während sie auf die Tür zuging. Ein letztes Mal drehte sie sich um, bevor sie sie hinter sich schloss. War ihr ihr Glück denn nur so kurz vergönnt gewesen? Würde er sich irgendwann wieder an sie erinnern? Falls nicht, könnte sie ihn dann womöglich zurückgewinnen? Aber was, wenn sie nur dieses Attentat so zusammengeschweißt hatte und er sich auch daran nie wieder erinnern würde? Wie konnte nur plötzlich alles so bergab gehen? Wo war dieser Engel nur? War das vielleicht die Strafe dafür, dass sie dieses Attentat nicht nur als schlechte Sache angesehen hatte? Warum musste ihr nur schon wieder so etwas Schlimmes widerfahren? Und die wichtigste Frage von allen, was sollte sie jetzt tun?

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