Kapitel 57

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„Was?", kreischte Eve. Aber Daniel hatte im Moment einfach keine Zeit sich zu erklären. Er nahm sie an die Hand und sah ihr in die Augen. „Wir müssen zum Flughafen. Ist das dein Koffer? Hast du schon gepackt?" Vollkommen irritiert nickte sie. Er griff nach ihrem Gepäckstück, welches sie sich extra für die Heimreise angeschafft hatte und zog sie dann zur Tür, bevor er abrupt stehen blieb. „Welcher Tag ist heute?", fragte er. „Dienstag", antwortete sie vollkommen verwirrt. „Fuck", fluchte Daniel, „Dann eben doch nicht zum Flughafen, lass uns zum Hafen fahren." „Daniel", versuchte sie ihn zu stoppen. „Was ist los?" „Nicht jetzt, Home. Ich verspreche, ich werde dir alles erklären, aber zuerst müssen wir versuchen ein Boot zu finden, das uns schnellstmöglich nach Kuba bringt." Entsetzt starrte sie ihn an, bevor sie ihre Finger aus seiner Hand befreite: „Daniel, was ist nur in dich gefahren?", kreischte sie entrüstet. Sie konnte sich sein plötzliches, seltsames Verhalten einfach nicht erklären. Er machte wieder einen Satz auf sie zu, nahm ihren Kopf in die Hände und drückte ihr ein Küsschen auf die Lippen. Vollkommen überrumpelt wanderten ihre Finger zu ihrem Mund. Leicht berührte sie die Stelle an der er sie soeben geküsst hatte und die immer noch unaufhörlich kribbelte. Sie verstand gar nichts mehr. War das vielleicht alles nur ein Traum. Ungeschickt stolperte sie nach vorne. Er hatte sie Home genannt. Erst in diesem Augenblick traf sie die Erkenntnis: „Du ... du kannst dich erinnern", stotterte sie. „Ja, Liebling, ich kann mich erinnern, aber das ist jetzt nicht so wichtig." „Was?", schrie sie ihn an. „Wie kannst du nur sagen, dass das nicht wichtig ist." „Gut, es ist wichtig, aber etwas Anderes ist noch viel wichtiger", erklärte er. „Komm, wir müssen uns beeilen." Abrupt blieb sie stehen: „Warum, Daniel? Ich verstehe das alles nicht, bitte erklär mir was hier los ist." „Emma bringt mich um", nuschelte er fast tonlos. „Hast du gerade Emma gesagt?", wollte sie wissen. Er schüttelte einfach den Kopf. „Dan, ich werde nirgendwo mit dir hingehen, wenn du mir das nicht endlich erklärst." Er nahm abermals ihren Kopf in die Hände, sah ihr tief in die Augen und flüsterte dann: „Home, du musst mir vertrauen. Ich weiß das fällt dir nicht leicht, aber ich liebe dich und das hier ist wirklich wichtig. Bitte komm einfach mit mir mit." Vor wenigen Minuten konnte er sich nicht mal an sie erinnern und plötzlich liebte er sie wieder? Sie brauchte dringend ein wenig Zeit um das alles zu verdauen, aber Daniel sah nicht so aus als wollte er ihr diese Zeit geben. Etwas zu grob zog er sie am Arm Richtung Haustür, bevor er sie jedoch aufschließen konnte, stellte sich Johnny zwischen ihm und den Ausgang. „Dan, verdammt, was machst du da? Ich weiß es ist scheiße sich an nichts zu erinnern, aber deswegen kannst du das arme Mädchen doch nicht einfach entführen." „Ich entführe sie doch nicht! Ich liebe sie und sie liebt mich. Wir würden überall gemeinsam hingehen." Etwas unsicher blickte der Tätowierer zu Eve: „Hast du ihm das so gesagt?" Unschlüssig schüttelte sie den Kopf: „Er sagt er kann sich wieder erinnern." „Bist du ganz sicher?", fragte Johnny seinen Freund. Der nickte lächelnd: „Ja, ich weiß jetzt wieder alles" Der Tätowierer versuchte abzuwiegen, ob er ihm das wirklich glauben konnte: „Warum nur glaube ich dir nicht, Bro?" Er blickte ihn abschätzend an. „Komm schon, Dan. Da ist doch etwas faul. Wohin willst du denn jetzt mit ihr verschwinden?" „Wir müssen nach Kuba. Sofort!", antwortete der Basketballspieler und griff an seinem Freund vorbei zur Türklinke. „Kuba?", fragte dieser verwirrt, „Wie willst du jetzt sofort nach Kuba kommen?" „Ich besteche einen Fischer", antwortete Dan in einem vollkommen ernsten Tonfall. „Was?", schrien Eve und Johnny gleichzeitig. „Daniel, was ist nur in dich gefahren?" Der Tätowierer packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn heftig. „Können wir das bitte auf dem Weg besprechen?", fragte Dan, während er sich aus ihrem Griff befreite. „Ich werde Eve ganz bestimmt nicht mit dir mitgehen lassen, solange du nicht erklärst was du vorhast." „Vielleicht sollten wir Dr. Apple einen Besuch abstatten", warf Eve ein. Entsetzt blickte Daniel zu ihr: „Okay, wie kann ich euch beweisen, dass ich bei vollem Bewusstsein bin, mich an alles wieder erinnere und diese Kuba-Sache einfach schrecklich wichtig für mich ist?" Evelyn und Johnny warfen sich kurz einen Blick zu, doch ihr wollte einfach keine Lösung einfallen. Zum Glück hatte der Tätowierer eine Idee: „Daniel, warum erzählst du uns nicht irgendetwas, das nur du und Eve wisst. So dass wir uns sicher sein können, dass du dich wieder erinnern kannst." Entsetzt blickte er seinen Freund an, er konnte nicht glauben, dass der ihn so auf die Probe stellte. Daniel war bestimmt kein Lügner und das würde doch auch überhaupt keinen Sinn machen: „Aber warum sollte ich sie denn sonst mit nach Kuba nehmen wollen?" Das hatte sich auch Eve schon gefragt und darauf wollte ihr einfach keine Antwort einfallen, aber für ihren gemeinsamen Freund schien das auf der Hand zu liegen: „Vielleicht, weil du weißt, dass sie die USA verlassen muss und du trotzdem noch herausfinden willst, woran du dich nicht mehr erinnerst." Dan schnaubte entsetzt: „Ach komm schon, Johnny. Dann könnte ich auch einfach mit ihr nach Spanien zurückgehen, was im Übrigen sowieso passieren wird, wenn wir Kuba wieder verlassen." Eves Herz setzte einen Schlag aus. Er wollte mit ihr nach Spanien gehen? In ihre gemeinsame Heimat. Bisher hatten sie noch nie darüber gesprochen, was sie nach der Zeit in Amerika machen würden. Aber sie hatte vermutet, dass er für den Rest der Sommertrainingssaison mit seinem Team in Miami bleiben würde. „Du machst wohl Witze, Dan. Als würdest du einfach ohne dein Team zurück nach Spanien fliegen", lachte Johnny. „Wer soll dir das abnehmen? Du würdest diese Männer nie im Stich lassen." „Wer sagt, dass ich sie im Stich lasse, aber meine Karriere ist vorüber, Johnny. Ich werde meinen Vertrag nicht verlängern." „Was?", kreischte sein Freund, „Du bist doch viel zu jung um in Rente zu gehen." „Das werde ich auch nicht. Mir ist der Trainerposten für die nächste Saison angeboten worden und soweit ich mich erinnere, hab ich am Tag meines Unfalls zugesagt." „Bist du sicher, dass du nicht phantasierst?", fragte der Tätowierer vollkommen ungläubig. Eve hatte die Luft angehalten, was sie da hörte, verschlug ihr die Sprache. „Johnny, ich bin bei vollem Bewusstsein." „Gut, könntest du dann bitte etwas erzählen, dass nur ihr zwei wisst, damit ich euch endlich durch diese Tür lassen kann?" Daniel grinste verschmitzt: „Mach ich, sobald wir im Wagen sind. Johnny du musst uns fahren!" Etwas unbeholfen blickte der Tätowierer zwischen Eve, die mittlerweile einfach nicht mehr wusste was sie sagen sollte und Dan hin und her. Resignierend zuckte er dann mit den Schultern und ließ seinen Freund durch die Tür schreiten.

Beim Auto angekommen hielt Dan Eve die hintere Tür seines Wagens auf und rutschte dann ebenfalls einfach hinein. Sein Freund sah ihn fragend an, während er den Arm um ihre Schultern legte und sie fest an seine Brust zog. „Zum Hafen, bitte", sagte er lächelnd. Immer noch unschlüssig trat Johnny zur Fahrerseite, ließ sich fallen und startete dann den Motor. „Gut, Daniel. Du hast die Fahrt über Zeit das zu erklären. Und es sollte besser eine gute Erklärung sein, denn ansonsten lass ich euch bestimmt nicht aussteigen." Evelyn verstand immer noch nicht ganz, was hier vor sich ging, aber sie kuschelte sich dennoch in Daniels Umarmung. Viel zu lange hatte sie sich nicht mehr so gut gefühlt, auch wenn sie gleichzeitig vollkommen unsicher war. Was ging hier vor sich? Und noch viel wichtiger, konnte er sich denn jetzt wirklich wieder an alles erinnern? Er schien ihre Zweifel zu spüren, denn er zog sie noch fester an sich und sah ihr dabei tief in die Augen, während Johnny das Auto ausparkte.

„Okay, Home. Damit du mir glaubst, dass ich wieder alles weiß, beantworte ich gerne alle deine Fragen, aber zuerst will ich dir etwas sagen, das du selbst noch nicht weißt." Liebevoll streichelte er ihr über die Wange. „Ich will dir den genauen Zeitpunkt verraten an dem ich mich in dich verliebt habe." Kurz küsste er sie auf die Nase und fuhr dann fort: „Es war genau der Moment ,als du das Brötchen nach mir geworfen hast." Erschrocken zuckte sie zusammen und sah ihm dabei entsetzt in die Augen. „Du ... du kannst dich wirklich an mich erinnern", stammelte sie erleichtert. Er nickte und schenkte seinem Freund, der sie durch den Rückspiegel beobachtete, einen belustigten Blick. „Sie hat ein Brötchen nach dir geworfen?", fragte er amüsiert. „Oh Mann." Auch Daniel lachte nun: „Ja, und es war wirklich höchste Zeit, dass mich jemand in meine Schranken wies." Kurz schnappte er nach Luft: „Ich war ein blödes Arschloch, Liebling, aber du hast mich zu einem besseren Mann gemacht und ich will dich nie wieder verlieren. Ich liebe dich." Überwältigt ließ Eve ihren Tränen freien Lauf, die er sofort wegküsste. Dann schluchzte sie laut: „Du hast dich wirklich in mich verliebt, als ich mich so kindisch aufgeführt habe." Er nickte: „Weißt du, anfangs dachte ich, du wärst die perfekte Herausforderung. Ich war wirklich so ein Mistkerl, dass ich mir vorgenommen habe, dir zu beweisen, dass du mich trotz unserer Auseinandersetzungen in deinem Bett wolltest. Aber dann habe ich bemerkt wer du wirklich bist. Wie du wirklich bist. Dass du genau das bist, was ich mir immer für meine Zukunft gewünscht hatte, und innerhalb weniger Stunden hast du mich zu dem Mann gemacht, der ich wirklich sein wollte. Danke, mein Liebling." Er streichelte sanft über ihre Hand, während sie sich fester an ihn drückte und laut schluchzte. „Daniel, warum müssen wir jetzt sofort nach Kuba?"

Er lachte nur laut.

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