„So mag mich doch keiner." Kayla steht in ihrem Zimmer im Hauptquartier vor dem Spiegel und erneut haben sie Selbstzweifel gepackt. Das feine, unauffällige Narbengewebe scheint in ihren Augen rot zu leuchten und jedem gleich aufzufallen. Sie wünscht es sich weg, auch wenn sie weiß, dass die Heiler bereits all ihr Wissen und ihre Kunst hineingesteckt haben, damit sie so unauffällig sind. Auch wenn Kayla das anders sieht.
„Das ist Unsinn, Kayla." Sie wirbelt herum. Gareth steht in der Tür, lässig an den Türrahmen gelehnt. „Ruskin wird dich immer mögen. Er hat Sandro, den kennst du nicht, zusammen gefaltet, weil er Witze über dich gemacht hat. Wenn es dir helfen würde, würde er den Werwolf zum zweiten Mal zerreißen. Er würde alles für dich tun."
„Er hat was getan?" Vollkommen fassungslos starrt Kayla den deutlich Größeren an. „Oh, stimmt, dass hast du ja gar nicht mehr mitbekommen. Als du zusammengebrochen bist, ist Ruskin vollkommen ausgerastet und hat den Werwolf wirklich auseinander gerissen. Der hat bestimmt nicht gewusst, wie ihm geschieht." Das schelmische Grinsen wird breiter und Kayla kann nicht anders als fest zu stellen, dass es ihm extrem gut steht.
„Es war eine ziemliche Sauerei. Er war mehr rot als weiß. Ich hatte echt Angst, dass er auch noch auf uns losgeht, aber als der gründlich tot war, hat er sich sofort zurück verwandelt, Shiro das Kommando übertragen und dich hochgenommen. Die Menschen nennen es Brautstil. Er hat dich sofort hierher gebracht und dann die Heiler rund gemacht. Ein paar von denen müssen richtig Angst bekommen haben. Er hat sich auch erst gewaschen, als sich die Wunden endlich geschlossen haben. Du bist seine Prinzessin, der wichtigste Mensch in seinem Leben und das wirst du auch immer sein."
„Er hat wirklich Shiro das Kommando übertragen? Das passt so gar nicht zu ihm." stellt Kayla fest und lässt sich die Haare so ins Gesicht fallen, dass sie wenigstens einen Teil ihrer linken Gesichtshälfte verdecken. „Du kennst ihn wirklich gut. Alle anderen haben sich mehr darüber gewundert, dass er so offen Gefühle gezeigt hat. Aber du hast bei Ruskin eben eine Sonderstellung." „Ihr doch auch. Ihr seid sein Rudel. Er hat ja auch Al geschützt."
Sie geht zu ihm und schließt die Tür hinter sich. „Ja, aber noch nie wem das Kommando übertragen. Das hat Shiro richtig überrumpelt." Gareth grinst und zwinkert Kayla zu, die erst errötet und dann lacht. Es verstummt aber schlagartig wieder. „Starren die mich etwa alle an?" Kayla wird unwohl, als sie die gaffenden Blicke bemerkt. Zu sehr erinnern sie diese an die Blicke, die sie aushalten musste, nachdem sie ein Mädchen geworden war.
„Ja, tun sie." Kayla bleibt stehenxund schaut Gareth beinahe panisch an. „Sie sollen damit aufhören." Gareth sieht sie an, prüfend und ungläubig. „Aber warum denn? Sie sind neugierig auf dich, weil die Hohen dich gelobt haben und weil viele Ranghohe Respekt vor dir haben und dich kennenlernen wollen. Sie sind neugierig, wer du bist." „Ich mag es nicht, angestarrt zu werden. Gar nicht."
Sie versucht sich hinter ihren Haaren und der großen Gestalt Gareths zu verbergen. Das sie sich wie ein trotziges Kind benimmt weiß sie, doch es fühlt sich für sie an, als würden die Blicke tiefe Wunden in ihre Haut reißen und ihr Geheimnis damit preisgeben. Als könne man ihr ansehen wer und was sie einmal war.
Gareth mustert sie und betrachtet ihre schon beinahe verzweifelten Versuche unsichtbar zu werden und vor den Blicken zu fliehen. Ein dunkles knurren löst sich aus seiner Kehle, er schützt Rudelmitglieder und für Kayla scheint die Bedrohung im Moment durch die Blicke der anderen zu kommen. Die reagieren unterschiedlich auf das Knurren. Die meisten wenden den Blick ab, einige verschwinden ganz und ein paar knurren zurück.
„Und die wurde von den Hohen gelobt. Das ist..." „Trischa, auf ein Wort." Die Stimme dringt kalt und beinahe desinteressiert durch den Gang und allen läuft ein Schauer über den Rücken. Kayla schielt neugierig, sobald sie die Blicke nicht mehr spürt, an Gareth vorbei und sieht einen alten, beinahe gebrechlich wirkenden Mann. Unzählige, kleinere Narben auf seinem Gesicht, sowie seinen Armen weißen auf Zusammenstößen mit Werwölfen hin.
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Pure Wolf's Blood
WerewolfDie Salem University ist eine der besten Universitäten der Welt. Dort begegnet Nick, ein menschlicher Magier, Kayla, einer stolzen Fenirwölfin. Diese scheint ein Geheimnis zu hegen und Nick nicht zu mögen, doch dieser umwirbt sie. Das auch ihr Rudel...