Kapitel 20

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„Bist du das, Kleine?" „Wer denn sonst Carox?" ruft Kayla zurück und schlüpft aus ihren Schuhen. Diese stellt sie zur Seite und geht ins Wohnzimmer. Dort liegt Carox auf einem Sofa und hört Musik.

Black Sun, eine Fenirband, die Kayla auch gerne hört, kommt aus den Lautsprechern. „Ich mache mir Kinderpunsch. Möchtest du auch eine Tasse?" Die Frage von Kayla ist eher rhetorisch, denn sie weiß, dass auch Carox eine Tasse haben will. Alle Ferox lieben Fruchtsäfte und warmer Kinderpunsch ist etwas besonders beliebtes. So haben sie auch immer mehrere Flaschen im Herbst und Winter in der Küche.

„Natürlich will ich eine Tasse. Das weißt du doch." Kayla lacht bei seinem empörte Ton auf, bevor sie in die Küche geht und den Kinderpunsch aufkocht, den sie in zwei Tassen füllt. Mit beiden Tassen in den Händen kommt sie wieder ins Wohnzimmer. Carox nimmt ihr eine ab und Kayla lässt sich in einen Sessel fallen.

„Du riechst nach diesem Menschen." Stellt Carox fest. „Ja. Ich war mit ihm unterwegs. Wir haben uns allerdings nur zufällig getroffen. War dann aber trotzdem ganz gut. Ich habe versucht ihm ein bisschen was über uns zu erklären. Wie war dein Tag?" „Oh, was denkst du denn? Ich war den ganzen Tag mit einem Haufen Menschen und nur ein paar kichernden Wesen in einem Raum gepfercht. Sicher, es hätte besser nicht sein können."

Kayla lacht bei Carox sarkastischen Kommentar und seiner Leidensmiene. „Si ist das nun mal. Wir müssen den Kontakt zu den Menschen pflegen, da vor allem sie die sind, die wir vor den Werwölfe beschützen soll. Ich weiß, dass dir das nicht gefällt, aber so ist das eben. Ob es dir gefällt oder nicht." „Ich weiß. Manchmal wünsche ich, dass ich nicht beschlossen hätte zu studieren und als Schützer zu fungieren." „Du bist manchmal so ein Pessimist." Meint Kayla und nippt an ihrer Tasse.

„Ich weiß, aber das bin eben ich." „Und dafür habe ich dich lieb." Ein neuer Song beginnt und Kayla summt mit. „Du?" Sie öffnet die Augen wieder und sieht Carox an. „Was denn?" will sie wissen. „Ist Jayden zu Jul da?" „Nein. Er besucht sie. Wie jedes Jahr." „Es tut mir Leid, Kleine. Ich hätte nicht fragen sollen."

Kaylas Hände zittern und Tränen laufen ihr über die Wangen. „Ich verstehe nicht, warum ich nicht darüber weg bin. Darüber weg komme. Es ist doch jetzt schon ewig her. Und trotzdem... jedes Mal breche ich halb zusammen. Ich verstehe es nicht." „Weil es dich so verletzt hat. Und diese Wunden sind nie verheilt." Carox ist aufgestanden, hat sich vor sie hingekniet und streicht ihr die Tränen vor den Wangen.

„Aber ich will nicht schwach sein. Ich will nicht jedes Mal weinen. Das ist doch ein so großes Zeichen von Schwäche." „Nein, ist es nicht. Es ist nur ein Zeichen dafür, wie sehr du sie geliebt hast und wie sehr du ihnen vertraut hast. Und sie haben dich so verletzt. Es ist nur normal, so zu fühlen, wie du es tust." Erklärt Carox.

„Carox? Kayla?" „Im Wohnzimmer Jayden." Gibt Carox zurück und Kaylas Bruder taucht bei ihnen auf. Er sieht Kaylas Tränen und knurrt sauer. „Carox ist nicht schuld." wimmert Kayla und klammert sich mit einer Hand an ihn. „Das ist nur bedingt richtig. Ich habe sie angesprochen. Auch wenn nicht wirklich bewusst." „Du weißt, dass man das in Kaylas Anwesenheit nicht anspricht." Faucht Jayden Carox an.

„Hey Kleine. Sie sind es nicht wert, dass du weinst. Niemand auf der Welt ist das wert." Er zieht seine Schwester aus dem Sessel und Carox Armen und legt seine Arme um sie. Carox stellt in der Zeit Kaylas Tasse auf den Tisch. „Es ist in Ordnung. Weine dich ruhig aus. Es ist okay." Flüstert er ihr zu und streicht ihr sanft über den Rücken.

In dem Moment klingelt das Telefon. „Carox, geht du mal ran." Damit schickt Jayden Carox zum Telefon, das im Flur steht. „Ist Nick." Bringt Kayla hervor, während die Tränen noch immer ohne Stopp laufen. „Er wird sich schon benehmen, wenn Nick sich nicht überschätzt und ihn beleidigt oder so. Er weiß doch, wie wichtig dir dieser Mensch ist. Außerdem mag er dich und würde dir niemals absichtlich weh tun." Versucht er seine Schwester zu beruhigen.

„Kann Kayla gerade telefonieren oder geht das geradegar nicht?" Carox schaut ins Wohnzimmer und Jayden schüttelt den Kopf. „Sie ruft dich zurück. Im Moment kann sie wirklich nicht." Sagt er in den Hörer und legt dann auf.

„Die Tasse auf dem Tisch ist von Kayla. Sie sollte das vielleicht austricksen, es wird ihr gut tun." Meint Carox noch, bevor er sich in sein Zimmer verzieht. Jayden nimmt die Tasse, riecht daran und reicht sie dann seiner Schwester. „Trink das bitte, Kleine. Du trocknet sonst aus. Und du weißt ja, wie unangenehm das ist."

Folgsam hebt sie die Tasse an die Lippen und trinke den Rest der noch warmen Flüssigkeit. „So Kleine. Hör mir zu. Du bist nicht wertlos. Wirklich nicht. Du bist das wertvollste in meinem Leben. Du bist mir wichtig, sehr wichtig sogar. Du bist perfekt... so wie du bist. Du musst dich für niemanden verändern, erst recht nicht für sie."

Er streicht ihr über den Kopf und langsam beruhigt sie sich, schmiegt sich aber immer noch eng an ihren Bruder. „Besser?" Sie nickt, aber er spürt es eher, als das er es sieht, da sie ihr Gesicht in seinem Hemd vergraben hat. „Lass dir von niemandem etwas einreden. Du bist meine kleine Schwester und du bist, wer du bist. Sei stolz darauf!"

„Aber das ist so schwer, wenn die, denen du vertraust... wirklich vertraust, dich verraten, dich nieder machen." „Dann vertraue mir. Ich werde immer bei dir sein... immer für dich da sein. Ich schwöre es dir." Sie brummt und verträgt ihr Gesicht wieder in seinem Hemd. „Danke." Sie schwingt ihre Arme um ihn und hält ihn fest.

„Ich bin immer für dich da. Versprochen." Flüstert er ihr zu. Eine Weile hocken sie schweigend beieinander auf dem Wohnzimmerboden, sich im Arm haltend. „Wieder gut, Kleine?" „Ja, es geht wieder." Erklärt sie leise und steht auf. Die Tasse stellt sie in der Küche ab und trinke ein Glas Wasser, ehe sie zur Kommode geht, auf der das Telefon steht.

„Du willst ihn wirklich sofort zurückrufen?" will Carox wissen. „Ja. Ich mag ihn. Bitte, das ist meine Sache Carox. Lass mich das bitte regeln." Bittet Kayla ihren Mitbewohner, der ihr zunickt. „Sag mir Bescheid, wenn er etwas tut, was du nicht willst. Dann nehme ich ihn auseinander." Als Kayla nickt, verschwindet er in der Küche.

Kayla nimmt sich das Telefon und verzieht sich damit in ihr Zimmer. Auf dem Bett sitzend und über die Stadt schauend, wählt sie Nicks Nummer. „Hey, Kayla." Kayla lächelt, als sie Nicks glückliche Stimme hört. „Hi, Nick."

„Das ging jetzt relativ schnell. Was war los?" „Ich hatte ein wichtiges Gespräch mit meinem Bruder. War wirklich wichtig, deswegen musste ich dich vertrösten. Sorry." „Schon okay. Hast du eine Ahnung, was wir unternehmen können?" „Am Sonntag ist Herbstjam. Da spielen verschiedene Bands der Uni auf den Bühnen und im Anschluss gibt es ein Feuerwerk."

„Hört sich doch gut an. Muss man was mitbringen?" „Eine Decke. Sonst muss man auf dem Boden sitzen. Ansonsten kann man mitbringen, was man will. Man darf nur nichts gefährliches. Sowas müssten wir Fenir dir abnehmen." Lacht Kayla. Auch Nick auf der anderen Seite lacht. „Nun das will ich dann doch nicht. Wann beginnt das?"

„Es beginnt gegen halb sieben abends. Wann genau es losgeht, das ist eine andere Geschichte. Es geht los, wenn die ersten Bands bereit sind. So ist das immer." „Wirklich? Die sagen nicht, wann es wirklich losgeht? Langweilt man sich dann nicht?" Kayla lacht und dreht sich auf den Rücken.

„Nein, eigentlich nicht. Bei solchen Gelegenheiten schließt man die engsten Freundschaften. Jayden hat bei einem der ersten Jams auf dem wir waren mit seinem besten Freund Nive angefreundet. Und ich habe bei solchen Gelegenheiten auch schon Freundschaften geschlossen. Langweilen tut sich dort niemand. Man quatscht und tratscht und lernt Leute kennen und irgendwann geht es dann los. Ist eigentlich immer ganz toll."

Von Nick hört Kayla erstmal nur ein Gegrummel, was nicht sonderlich begeistert klingt. „Treffen wir uns dann um halb sieben dort?" „Okay. An der Bühne, in die du eingebrochen bist." „Ja, reite bloß darauf herum." Grummelt es durch die Leitung und Kayla beginnt erneut zu lachen. „Wir sehen uns dann Sonntag." „Ist gut." Kayla legt das Telefon auf ihren Bauch und sieht zur Decke.

Sie sieht erst auf, als er klopft. „Herein." Es ist Jaqu, der herein schaut. „Kann ich das Telefon haben?" „Sicher. Hier." Kayla wirft es ihm zu. „Darf ich dich fragen, was bei dir rausgekommen ist?" „Ich habe Sonntag ein Date mit Nick." „Na, wenigstens einer von uns hat Glück in der Liebe." Bevor Kayla etwas erwidern kann, hat er schon die Tür hinter sich geschlossen.

„Ich mag Nick... ich liebe ihn auch, glaube ich... aber ich weiß nicht, ob ich ihm vertrauen kann... Klar er ist nett und alles... aber... meine Instinkte sahen mir, dass ich ihm nicht vertrauen kann... ich will ihm aber eigentlich vertrauen..." Kayla rauft sich die Haare.


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