14. Türchen 9- Drama am Morgen

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Als Thomas in seinem Zimmer angekommen war, wurde er fast schon von Mesut überfallen, der bereits auf ihn gewartet hatte. Der Deutschtürke musterte den Bayer streng, bevor er ernst zu fragen begann: „Du warst schon wieder bei Daniel, stimmt's?"

„Obwohl es dich eigentlich nichts angeht, antworte ich dir trotzdem. Ja, ich war bei ihm", entgegnete der Ältere und blickte Mesut herausfordernd an.

„Wieso?", harkte der Arsenalspieler sofort nach.

„Wieso willst du das wissen?", kam die Gegenfrage von Thomas. Natürlich ging es ihm, als er diese Frage stellte, nicht um die Antwort, da er diese sowieso schon kannte, sondern nur um die nonverbale Reaktion seines Kollegen.

„Weil er in den letzten Tagen komisch drauf war und ich mir Sorgen um ihn mache", antwortete der Deutschtürke vorsichtig.

„Achso", erwiderte der Bayer und nahm die Antwort interessiert zur Kenntnis.

„Wieso warst du jetzt bei ihm?", harkte nun der Arsenalspieler ungeduldig wissen.

„Alles was du wissen musst, ist, dass du dir keine Sorgen um ihn machen musst", entgegnete der Ältere. Mehr als diese Halbwahrheit, die schon fast eine Lüge war, würde er bestimmt nicht preisgeben.

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Als Mats aufwachte, wusste er sofort, dass etwas nicht stimmte. Grummelnd öffnete er die Augen und sah sofort, was nicht normal war. Bene war weg.

Ein schneller Blick auf die Uhr verriet dem Dortmunder sofort, dass es noch sehr früh am Morgen war. An die Tatsache, dass der Schalker manchmal ein Frühaufsteher war, hatte sich Mats schon lange gewöhnt. Komisch war gerade nur, dass er nicht wieder zurück ins Bett gegangen war.

Das war untypisch, denn normalerweise war er es auch, der Mats aufweckte. Normalerweise kuschelten die beiden Kapitäne doch auch mindestens fünf Minuten vorm Aufstehen miteinander.

Der Dortmunder fühlte, dass irgendwas faul war. Schon beim Lagerfeuer hatte er eine vage Vermutung gehabt. Mats nahm sich vor, seinen Freund mal darauf anzusprechen.

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In der Küche arbeitete Daniel schnell und wortlos vor sich hin. Dabei wirkte er zwar gedankenverloren, jedoch war dies wirklich nicht der Fall. Der Angestellte war konzentriert und wachsam. Er bekam jedoch noch jede so kleine Bewegung von Manuel mit.

Dieser wusste nicht so recht, was er tun sollte. Einerseits wollte er dem Jüngeren etwas bei der Arbeit helfen, doch Daniel schien erstens keine Hilfe zu wollen und zweitens keine zu brauchen. Dass er mit seiner bloßen Anwesenheit schon unglaublich viel bewirkte, war dem Torhüter dabei nicht so wirklich bewusst.

Erst als dann Thomas auftauchte und sie tauschten, bemerkte Manuel diesen einen speziellen Blick von Daniel, den man einfach nicht definieren konnte. Da wurde ihm klar, was er gerade für den Jüngeren getan hatte – er hatte ihm ein Gefühl von Sicherheit übermittelt.

Und genau das brauchte Daniel jetzt. Nicht nur in der Küche, sondern überall. Manuel war froh, dass der Jüngere es beim ihm verspüren hatte können. Aufmunternd lächelnd machte er sich auf dem Weg in sein Zimmer.

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„Was ist das eigentlich zwischen dir und Mesut?", wollte Thomas ohne jegliche Vorwarnung wissen.

„Wie meinst du das?", erkundigte sich Daniel misstrauisch.

„Habt ihr euch gestritten?"

„So kann man das nicht sagen"

„Also es ist was passiert... Komm, erzähl schon"

„Gestern ist er zweimal auf mich zugekommen und wollte mit mir reden. Das erste Mal habe ich ihn abgewimmelt, das zweite Mal ging das aber nicht mehr. Da wollte er halt wissen, ob er mir etwas getan hätte und so"

„Wieso glaubt er, dass er dir etwas getan hätte?", verlangte nun der Mittelfeldspieler zu erfahren.

„Ich bin ihm bewusst aus dem Weg gegangen und das ist ihm wohl aufgefallen", erklärte der Angestellte auf dem Boden schauend.

„Und weshalb bist du ihm nochmal aus dem Weg gegangen?", harkte nun der Fußballer misstrauisch nach.

„Weil er genauso ist wie Mathieu! Und solchen Menschen kann man nicht trauen", antwortete der Jüngere ohne zu zögern.

„Das ist jetzt aber nicht dein Ernst?", entkam es dem Sportler entrüstet.

„Ich will nicht denselben Fehler bei zwei Menschen machen", entgegnete der Gefragte leise.

„Jetzt hör mal! Wir wissen beide, dass du ihn liebst. Eine andere Tatsache, die wir auch beide kennen, ist, dass Mesut nicht einmal ansatzweise so ist, wie du es ihm gerade unterstellst. Also mach jetzt bitte nicht den Fehler und stoße ihn von dir ab. Du wirst es nur bereuen", redete der Bayer beruhigend auf seinen Gesprächspartner ein.

Total verunsichert starrte Daniel ihn an. Einerseits wollte er den Worten den Fußballers einfach glauben, denn irgendwie wusste er, dass dieser Recht hatte. Aber andererseits hinderte ihn etwas daran.

„Woher weißt du, dass ich ihn liebe? Das habe ich dir doch nie erzählt", fragte er nach einer Weile des Schweigens.

„Das ist doch offensichtlich", erwiderte der Ältere schmunzelnd. Dabei erwähnte er Sami, als seine sichere Quelle, nicht.

„Trotzdem, ich komme gerade einfach nicht mit der Tatsache klar, dass Mathieu da ist. Ohne ihn wäre das alles um einiges leichter. Vorher habe ich Mesut schon fast blind vertraut, aber das geht jetzt irgendwie nicht mehr. Gestern während dem unter der Dusche hatte ich ihn die ganze Zeit vor Augen, nicht Mathieu", flüsterte Daniel traurig und senkte den Blick.

„Mesut ist nicht Mathieu", beharrte Thomas und blickte dem Katzenbesitzer tief in die Augen.

Stumm nickte der 24-Jährige.

„Und genau deshalb wirst du mit ihm reden", fügte der Nationalspieler bestimmt hinzu.

„Gut, aber lass mir Zeit. Ich bin noch nicht ganz bereit, mit ihm zu sprechen", entgegnete der Angestellte nach einer Weile.

Mit einem Nicken stimmte der Ältere dem Kompromiss zu.

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Daniel und Thomas halfen am Ende zusammen, um noch vor den Frühaufstehern mit dem Frühstück fertig zu sein. Dies gelang ihnen aber nicht ganz, denn der erste, der ankam, nämlich Benedikt, fand noch leere Brotkörbe vor.

Schulterzuckend fragte der Kapitän der Schalker, ob er den beiden helfen könnte. Es war deutlich rauszuhören, dass er aus reiner Höflichkeit fragte und nicht wirklich Lust dazu hatte. Deshalb verneinte Daniel auch schnell und bot dem Schalker an, schon mal Platz zu nehmen, was der Nationalspieler auch tat.

Der Speisesaal, und somit auch die Tische, füllten sich in Windeseile. Benedikt bekam davon recht wenig mit. Er war immer noch in Gedanken. Erst als Julian Draxler vor seinem Gesicht in die Hände klatschte, wurde der Schalker wieder in die Realität katapultiert.

„Geht's dir gut?", erkundigte sich der Wolfsburger besorgt.

„Ja, natürlich", antwortete der Ältere und versuchte dabei zu lächeln.

Julian hob nur eine Augenbraue in die Höhe, was symbolisieren sollte, dass er seinem ehemaligen Vereinskameraden kein Stück glaubte. Resigniert seufzte der Schalker auf. Julian verstand, dass der Verteidiger nicht darüber reden wollte, weshalb er ihn einfach in ein Gespräch mit sich und Jonas verwickelte.

Der Mittelfeldspieler nahm freudig zur Kenntnis, dass der Ältere sich wirklich gut ablenken ließ. Julian hatte zwar vor, Benedikt später noch darauf anzusprechen, jedoch ließ er das Thema für jetzt ruhen und nahm aktiv an der Konversation teil.

Dabei bemerkte der Wolfsburger nicht die Blicke, die auf ihm lagen.

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