Kapitel 7

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Jimins POV

Schweiß gebadet schreckte ich auf. Doofer Alptraum... Verschlafen rieb ich mir meine Augen und rollte mich aus meinem Bett.
Wie ich auf der Uhr sehen konnte, war es erst 3 Uhr nachts... meine Hausaufgaben lagen noch immer auf meinem Schreibtisch.

Dann hörte ich ein Geräusch, wie letzte Nacht auch. Nur stand diesmal kein Yoongi an meinem Bett.
Todmüde stolperte ich zur Türe und öffnete sie. Langsam gewöhnte ich mich an die Dunkelheit. Dann fiel mir auch schon ein an der Wand zusammengekauerter Junge neben mir auf.

"Yoongi?", fragte ich nun wacher, aber er schaute nicht her.

"Geh wieder schlafen", meinte er mit angeschlagener Stimme, mit den Armen um seine Knie gelegt.

Das kann ich bei dem Geheule schwer , hätte ich ihn jetzt gerne angemotzt, aber in dem Moment war das alles andere als angebracht. Mir war sowieso klar, dass unser kleiner Streit nur unnötige Probleme beim Zusammenleben machen würde.

"Yoongi, was ist denn los?", fragte ich besorgt, eilte zu ihm und hockte mich so dicht wie möglich neben ihn.

"Nichts Jimin, wirklich" Er sagte das nicht aggressiv, wie er am Tag zuvor gesprochen hatte. Nein, einfach nur etwas... traurig. Am Liebsten würde ich jetzt sein rundes, blasses Gesicht sehen, welches er vor mir versteckte.

"Nach nichts sieht das aber nicht aus", konterte ich liebevoll. Ich streckte meine Hand nach ihm aus, doch er rückte sogleich von mir weg.

"Nein, Jimin. Vergiss nicht, du darfst mich nicht berühren. Ich will dir wirklich nicht wehtun" Sein Kopf hatte sich gehoben und er sah mich nun endlich an. Seine Augen waren etwas rot und seine Augenringe schienen noch dunkler als zuvor. Weinen konnte er ja nicht.

Besorgt sah ich ihn einfach nur an und er blickte zurück. Egal wie sehr ich versucht etwas aus seinen Augen abzulesen, es funktionierte nicht. Er war wie verschlüsselt.

Wir schwiegen und starrten uns an. Keine Ahnung, wie lange wir da so verweilten, aber nach einer Zeit begann seine Unterlippe zu zittern und er drehte sich von mir weg.

"Yoongi, red doch mit mir". Um ihm wieder ins Gesicht schauen zu können, krabbelte ich um ihn herum.

"Du verstehst das alles nicht", seine Stimme brach und sein Gesichtsausdruck verkrampfte sich "Seit Monaten sitze ich hier drinnen fest, kann mit niemandem reden und hab null Ahnung, was zur Hölle ich hier eigentlich soll! Ich kann das nicht mehr"
Wieso konnte ich ihn nicht einfach in den Arm nehmen? Er klang so kaputt und sah verdammt zerbrechlich aus.

"Aber du hast jetzt mich", antwortete ich zögerlich "Du bist nicht mehr alleine"

Wenn ich in so einer Situation wäre, würde ich es vermutlich auch nicht aushalten. Was hätte das auch für einen Sinn? Aber Yoongi war schon tot, was sollte er also gegen das alles tun außer einfach weiter zu machen?

Schweigend schauten wir uns an und Ich überlegte verzweifelt, wie ich ihm helfen konnte. "Ich sitze oft in der Nacht noch hier und denke nach", fing er an "Nur endet das meistens immer... so"
Mit 'so' meinte er vermutlich Weinen. Nur ohne Tränen.

Mitfühlend nickte ich. Alles was ich jetzt machen konnte, war Zuhören. Verdammt, Jimin du bist so nutzlos, wenn's ums Trösten geht!

"Hab ich dich eigentlich geweckt?", wollte er schuldig wissen.

"Nein, nein. Ich hatte nur einen Alptraum. Dann hab ich dich gehört" Zögerlich schenkte ich ihm mein bestes Eyesmile, um ihn aufzumuntern.

"Oh, was hast du denn geträumt?", fragte er interessiert, vermutlich um vom Thema abzukommen. Verstand ich, also spielte ich mit.

"Dinge, die jetzt der Vergangenheit angehören", gab ich zurück und lehnte meinen Kopf an die Wand hinter mir.

"Erzähl", forderte er und ich schmunzelte nervös.

"Naja. Du weißt schon", meinte ich unruhig. Davon hatte ich eigentlich noch nie jemandem etwas erzählt "Meine Eltern haben sich ja oft gestritten. Das einzige, was sie zusammengehalten hat, waren ihre geteilten Vorlieben... kinks und so.
Auf jeden Fall-" Ich zögerte, führte aber fort, als Yoongis und mein Blick sich wieder trafen und er mich aufmerksam ansah "war ich, als ich klein war auch manchmal ein Opfer. Das war noch das naive Kindesalter, du weißt" schüchtern spielte ich mit meinen Fingern herum.
"In der Schule hat man mich dann wegen meiner Verletzungen gehänselt. Und in der Mittelschule ging's mit dem Mobbing weiter. Ich wusste nicht, dass es bei anderen Familien eigentlich anders läuft, deshalb hab ich mich nie sonderlich gewehrt oder hab's wem erzählt. Sowieso hörten meine Eltern damit auf, als ich älter wurde", vollendete ich meine Geschichte und lächelte ihn an. "Da wir nicht miteinander auskamen, bin ich hierher gezogen, was sie unterstützt haben. Und von diesen Dingen träum ich halt noch manchmal" Unter tags verdrängte ich dies.

Sein Blick wurde weicher als vorhin, oder bildete ich mir das nur ein?
"Komm", ruckartig stand er auf.

Unsicher sah ich ihn an. "Wohin gehen wir?"

"Dein Zimmer", antwortete er mir nur knapp.
In der Dunkelheit stützte ich mich an der Wand ab und zog mich hoch. Dann folgte ich ihm fragend zurück in mein Zimmer.

Lässig rollte er sich auf die andere Seite des Bettes und klopfte neben sich.
Unruhig legte ich mich also an seine Seite.

"Du bist nicht mehr allein" Das waren wir beide nun nicht mehr "also kannst du beruhigt schlafen. Ich pass auf dich auf, okay?", flüsterte er mit im Mondschein glitzernden Augen.

Schüchtern nickte ich und schluckte. Schon lange hatte ich niemanden mehr an meiner Seite gehabt, wenn ich eingeschlafen bin.

Langsam schloss ich die Augen. Das Letzte was ich wahrnahm, bevor ich einschlief, war die Kälte neben mir.

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GHOST / YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt