Kapitel 84

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Taehyungs POV

Schließlich wandten sich meine Eltern und der Therapeut an mich und kamen zu mir, während ich noch immer verstört auf den Boden starrte. "Hallo, Kim Taehyung. Ich bin Moon Jaewon", meinte der Mann, der meinem Wissens nach vorhin Felix und Changbin zum Weinen gebracht hatte, und lächelte enthusiastisch. Als er seine Hand zum Schütteln ausstreckte, sah ich sie nur misstrauisch an, anstatt sie zu nehmen. Das schien ihm aber nicht viel auszumachen, denn er behielt sein Lächeln. "Wie wär's, wenn wir uns in meine Praxis begeben?", schlug er freundlich vor. Erwartete er jetzt etwa, dass ich 'ja, gerne' antwortete?

Jedoch musste ich gar nichts erwidern, denn meine Mutter verabschiedete sich schon von mir. "Wir holen dich dann später ab" Dann drehten sich meine Eltern um und begannen Richtung Ausgang zu gehen. Am Liebsten hätte ich sie aufgehalten und gezwungen, mich gleich nach Hause zu bringen, aber dafür ging es zu schnell.

"Komm mit", meinte Moon Jaewon jetzt und weil ich mich zuerst nicht vom Fleck rührte, schubste er mich leicht in die entgegengesetzte Richtung meiner Eltern. Missmutig folgte ich ihm also weiter in dieses gruselige Gebäude hinein. Eigentlich sah es hier aus, wie ich eine ganz normale Klinik vermutet hatte, aber trotzdem fühlte ich mich einfach unwohl. 

Durch einen Gang führte und drängte er mich in einen Raum, der auch sein Büro zu sein schien. Denn an der Türe stand sein Name, anscheinend war es hier wirklich professionell. Während er sich hinter seinen Tisch fallen ließ und ein Klemmbrett und einen Stift zusammensuchte, setzte ich mich nervös auf den Sessel vor ihm. 

"Also", fing er an "wir versuchen heute erst mal ein paar Informationen zusammen zu suchen, die wir dann miteinander überarbeiten können", erklärte er und tippte mit seinem Kugelschreiber wiederholt auf das Blatt Papier. Stumm nickte ich unsicher. "Wie lange glaubst du denn schon homosexuell zu sein?" Die Art wie er dieses Wort betonte, gefiel mir gar nicht. 

"Schon immer...", antwortete ich, wobei meine Stimme irgendwie schwach klang. Unsicher räusperte ich mich und fügte hinzu: "Ich wusste es schon, bevor ich das Wort dafür überhaupt kannte" Dieses  Gespräch schien mir jetzt schon total sinnlos.

Verständnisvoll lächelte er. "Und hast du es gleich akzeptiert?" Nun blickte er hinab auf sein Blatt und schrieb sich eine Notiz, die er mich jedoch nicht sehen ließ.

Diese Frage wirkte dumm auf mich, weshalb ich vermutlich auch das Recht gehabt hätte, sie abzulehnen, aber ich war neugierig, was er mit meinen Informationen anfangen wollte, also ging ich trotzdem darauf ein. "Nein, ich hab es lange nicht eingesehen, aber in der achten Klasse dachte ich, dass, wenn ich es akzeptiere, ich mich nicht mehr so schlecht deswegen fühlen würde. Und das war dann auch so..." Aus Unruhe starrte ich auf meine Hände in meinem Schoß. Mich zu entspannen, war nicht wirklich möglich. 

"Okay und wie läuft es bei dir zu Hause? Hast du ein gutes Verhältnis mit deiner Familie?" Was sollten all diese Fragen bringen? Lief das in allen Therapien so?

"Meine Eltern sind nur selten da. Meistens sind sie auf Geschäftsreisen", erklärte ich. "Aber was hat das mit meiner Sexualität zu tun?" Das verwirrte mich. Natürlich machte diese Therapie keinen Sinn, aber was wollte er denn mit dieser Fragerei überhaupt bezwecken? Dadurch würde ich doch nicht auf magische Weise plötzlich hetero werden. 

Wieder lächelte er verständnisvoll, als hätte ich wie ein Kind einen Fehler beim Bis- zehn- zählen gemacht. "So etwas wie Sexualität gibt es nicht. Die zwei Geschlechter gehören zusammen, wie man an der Anatomie sehen kann", erläuterte er freundlich. Je mehr ich ihm zusah, desto mehr konnte ich erkennen, dass seine Freundlichkeit etwas aufgezwungen war. "Zwei Männer können keine Kinder zusammen bekommen, nicht wahr? Die Natur hat es nicht so vorhergesehen" Als ich den Mund öffnen wollte, um zu widersprechen, redete er einfach weiter. "Es ist eine Krankheit. Aber du musst dich nicht dafür schämen, schließlich sind wir ja hier, um dich zu heilen" Auch wenn ich dagegen gerne etwas gesagt hätte, blieb ich sprachlos. Das war so dumm, dass mir nichts anderes einfiel als ihn entrüstet anzuschauen. "Jedenfalls hängt es oft mit einem Trauma im Kindesalter zusammen. Du sagtest, dass deine Eltern nicht oft da sind. Es kann sein, dass du dich nach der Nähe anderer Männer sehnst, weil dein Vater nicht oft für dich da war"

GHOST / YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt