GHOST / Yoonmin

Kapitel 98

Yoongis POV

"Ich hab Angst", murmelte Jishit leise und schaute mich mit großen Augen an. Mitfühlend strich ich mit dem Daumen über seinen Handrücken und zog ihn eng an mich. Wären wir nicht in dieser misslichen Lage gewesen, hätte ich seine Kleidung zurück in die Ecke befördert. Vielleicht war unser erstes Mal extrem ungeschickt gewesen, aber trotzdem war es schön. Keine Jungfrau mehr zu sein, fühlte sich so an, als wäre man ein komplett anderer Mensch und um ehrlich zu sein, wünschte ich mir einfach nichts anderes als das so oft wie möglich mit ihm zu wiederholen. Außerdem hatte ich das Gefühl, ihn jetzt noch mehr zu lieben als vorher, was ich gar nicht für möglich gehalten hatte. 

Gerade war es vermutlich ungefähr halb drei in der Nacht und Jishit und ich lagen kuschelnd zusammen im Bett. Nach dem, was vorhin passiert war, wären wir beide vor Erschöpfung wohl beinahe eingeschlafen, weshalb wir gemeinsam kalt duschen gegangen waren, bevor wir zu Jungkook losgingen. Als wir das Hotel verlassen wollten, hatte man uns an der Rezeption ernsthaft angesprochen und gebeten 'nächstes Mal bitte leiser zu sein', weil man sich anscheinend über uns beschwert hatte. Während Jishit sich rot angelaufen dafür entschuldigt hatte, musste ich nur amüsiert lachen. 

"Es wird alles gut gehen, ich versprech's dir", versicherte ich ihm sanft und strich durch sein weiches Haar. Irgendwie fühlte ich mich ihm jetzt viel verbundener als vor ein paar Stunden noch. Jedoch fragte ich mich nach wie vor, ob es normal war so viel auf einmal für nur eine Person zu empfinden. Wahrscheinlich hatte ich mich einfach so daran gewöhnt, ein ungeliebter Geist zu sein, dass ich nicht einschätzen konnte, wie viel ich die ganze Zeit über versäumt hatte. Doch jetzt in diesem Moment hielt ich alles Glück der Welt in meinen Armen und mein Herz flatterte wie verrückt, wenn ich seinen Geruch einatmete. 

"Ich fühl mich schlecht", nuschelte er und presste sich ergeben an mich. "Wieso muss das heute sein? Können wir es nicht doch noch einen Tag verschieben? Ich will viel lieber noch mal mit dir schlafen..."

Bei diesen Worten erfüllte mich erneut angenehme Wärme und zärtlich begann ich Küsse auf seinem Gesicht zu verteilen. "Je früher, desto besser. Und wenn es dir schlecht geht, dann sollten wir es erst recht schnell hinter uns bringen, hm?" Wortlos seufzte er. "Komm, wir müssen jetzt los" 

Rücksichtsvoll half ich ihm beim Aufstehen und nahm Beistand leistend seine kleine Hand, um ihn auf den Gang hinaus zu führen, wobei ich das Ouija mitschleppen musste. Außer uns schien niemand wach zu sein, denn es war totenstill im Flur. Ängstlich schauten wir uns um, als könnte hinter der nächsten Ecke ein Axtmörder lauern, aber ich machte es mir zur Aufgabe, ein guter Einfluss zu sein und zuversichtlich auf Jishit zu wirken, damit er nicht noch unruhiger würde. Heimlich schlichen wir uns ins Erdgeschoss des großen Hotels, welches bei Nacht echt nicht einladend war. 

Als wir vor dem Aufzug standen, wich Jishit erschrocken zurück. Fragend sah ich ihn an. "Was ist?" 

"D-da steht 'bleibt weg' mit roter Farbe... naja, ich hoffe zumindest, dass es rote Farbe ist", erklärte er mir und verstärkte Hilfe suchend den Griff um meine Hand. 

"Das ist nicht real", meinte ich und drückte auf den Knopf, damit sich der Fahrstuhl öffnen würde. 

"Uah! Spinne!", rief er etwas zu laut und versteckte sich hinter mir, aber auch Spinnen konnte ich hier nicht sehen. Wahrscheinlich machte ihn seine Angst vor dem Bevorstehenden anfälliger auf Zozos dumme Spielchen. Anscheinend wollte dieser verhindern, dass wir auch nur versuchten in andere Dimensionen zu gelangen.

"Konzentrier dich auf mich, nicht auf die Halluzinationen. Schau mich an, okay?" Missmutig nickte er und wir stellten uns in den Lift. Dann drückte ich den Button für den vierten Stock, so wie ich es mir auf meinem Zettel aufgeschrieben hatte. Sobald der Aufzug sich bewegte, schluckte ich unruhig. Jetzt ging's los.